„Keine faire Entlohnung in Ihrer Wertschöpfungskette“: Rede von Sabine Ferenschild

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat von Adidas,

mein Name ist Sabine Ferenschild, ich bin wissenschaftliche Mitarbeiterin des SÜDWIND-Instituts in Bonn. SÜDWIND gehört zur Kampagne für Saubere Kleidung, die international Clean Clothes Campaign heißt und mehr als 300 entwicklungspolitische, gewerkschaftliche und kirchliche Organisation vereint. Wir setzen uns gemeinsam für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der weltweiten Bekleidungsindustrie ein. Gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen sind wir auch Mitglied im Bündnis für nachhaltige Textilien, das im Jahr 2014 von Bundesminister Müller initiiert wurde. Die Adidas AG ist dort auch Mitglied.

Ich spreche hier mit Autorisierung des Dachverbandes der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung: Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat der Adidas AG. Um es kurz und knapp zu sagen: Da die Adidas AG seit vielen Jahren ihre selbst gesteckten Ziele, den Beschäftigten in der adidas-Wertschöpfungskette eine faire Entlohnung zu zahlen, verfehlt, kann ich Vorstand und Aufsichtsrat nicht meine Stimme zur Entlastung geben.

Ich möchte das an den Beispielen Kambodscha und Indonesien begründen:

Aus Kambodscha stammen fast 25 % der Bekleidung, die adidas herstellen lässt. In Kambodscha beträgt der Mindestlohn einer ArbeiterIn 158 Euro monatlich. Dieser Lohn reicht nicht zum Leben. Eine typische Familie von 2 Erwachsenen und 2-3 Kindern bräuchte 274 Euro für ein existenzsicherndes Einkommen.

In Kambodscha bemühen sich deshalb seit einiger Zeit globale Auftraggeber und der internationale Gewerkschaftsverband IndustriAll im Gespräch mit kambodschanischen Gewerkschaften, der Regierung und dem Arbeitgeberverband um Tarifverhandlungen für den Textilsektor. Tariflöhne wären für die Beschäftigten in Kambodscha ein wichtiger Schritt weg von den viel zu niedrigen Mindestlöhnen in Richtung existenzsichernde Löhne.

Im Geschäftsbericht 2018 lese ich nun von Adidas: „Im Zentrum unserer Aktivitäten zum Schutz der Menschenrechte bleibt unser Engagement für faire und sichere Arbeitsbedingungen sowie angemessene Löhne in den Herstellerbetrieben.“ (S. 104) Und ich lese, dass adidas „gemeinsam mit der FLA die Regierung Kambodschas dazu aufgerufen (hat), das Thema Meinungs- und Vereinigungsfreiheit auf die Agenda zu setzen (…)“ (S. 103). Aber kein Wort dazu, dass Adidas durch seine Passivität die Möglichkeit von sektorweiten Tarifverhandlungen in Kambodscha geradezu torpediert. Stattdessen droht Adidas in einem Schreiben an die EU damit, dass Adidas sich bei Wegfall der Zollprivilegien für Kambodscha aus dem Land zurückziehen könne.

Adidas Passivität und Weigerung, sich an der ACT-Initiative zu existenzsichernden Löhnen oder an der Textilbündnis-Initiative zu Kambodscha zu beteiligen, lassen die Tarifverhandlungen in Kambodscha scheitern, bevor sie überhaupt begonnen haben. Der Arbeitgeberverband Kambodschas hat am 11. März 2019 ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass er ohne weitere verbindliche Zusagen von großen Marken, trotz steigender Lohnkosten weiter in Kambodscha zu sourcen, keine Tarifverhandlungen beginnen wird. Adidas Passivität in dieser Lage ist ein Schlag ins Gesicht aller Beschäftigten, die von ihren Löhnen nicht leben können.

Nimmt man das Beispiel Indonesien hinzu – einem weiteren wichtigen Lieferland von Adidas – dann erkennt man, dass Adidas sich auch hier nicht zu bemühen scheint, seinem Ziel der fairen Lohnzahlung nahe zu kommen. Auch in Indonesien werden Beschäftigte der Textil- und Bekleidungsindustrie hauptsächlich auf Mindestlohnniveau bezahlt. Die Mindestlöhne werden zwar jährlich um einen einstelligen Prozentbetrag erhöht. Doch reichen sie genauso wenig wie in Kambodscha für ein menschenwürdiges Dasein. 2009 hat Adidas zwar wesentlich das Protokoll für Vereinigungsfreiheit initiiert, das die Gründung von Betriebsgewerkschaften erleichtern sollte. Aber Auswirkungen des Protokolls auf Löhne oder Tarifverhandlungen sind keine bekannt. An einer Initiative des Textilbündnisses zu existenzsichernden Löhnen in Indonesien beteiligt sich Adidas ebenfalls nicht.

Angesichts des Widerspruchs zwischen dem Geschäftsbericht und der Realität fordere ich Adidas auf:

  • Treten Sie der ACT-Initiative zu Kambodscha bei oder beteiligen Sie sich am Ländermodul Kambodscha des Textilbündnisses.
  • Bauen Sie im Textilbündnis das Ländermodul Indonesien zu existenzsichernden Löhnen mit auf.
  • Legen Sie einen öffentlichen, konkreten und messbaren Stufenplan vor, mit dem Sie sicherstellen, dass die Beschäftigten in Ihren Zulieferbetrieben innerhalb eines klaren Zeitrahmens einen existenzsichernden Lohn erhalten.

Solange Sie dies nicht tun, kann ich der Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrates nicht zustimmen! Ich hoffe, dass sich weitere Stimmberechtigte dieser Haltung anschließen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

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