Rede David Vollrath

Sehr geehrte AktionärInnen und Aktionäre, Damen und Herren des Aufsichtsrats und des Vorstands,

mein Name ist David Vollrath, ich arbeite für die Menschenrechtsinitiative GegenStrömung.

Seit vielen Jahren beschäftigen wir uns mit dem Großstaudamm Belo Monte im brasilianischen Amazonas. Die Allianz AG hat Ende 2011 fünf Prozent der Versicherungssumme für die Baukosten des Staudamms zur Verfügung gestellt.

Aktuell läuft im brasilianischen Altamira der Count-Down zur Flutung des Stausees für das Kraftwerk. Unter chaotischen Bedingungen und mit fragwürdigen Mitteln versucht das Betreiberkonsortium Norte Energia die betroffenen 9.000 Familien, darunter 600 indigene Familien, schnellstmöglich umzusiedeln. Die Staatsanwaltschaft musste inzwischen eingeschaltet und ein Notfallteam in die Region entsandt werden, um die Rechte der Betroffenen auf Entschädigung und/oder Umsiedlung zu garantieren. Über 1.000 Beschwerden wegen Regelverstößen sind dabei in den letzten Wochen registriert worden. Felicio Pontes, Staatsanwalt der brasilianischen Region Pará, in der der Belo-Monte-Staudamm gebaut wird, sagte bereits im August 2012 in einem Interview: „Der Bau des Belo-Monte-Damms ist seit seinem Beginn ein illegales Projekt.“

Diese klare Einschätzung von Felicio Pontes verdeutlichte der katholische Bischof der Diözese Altamira und Träger des „Alternativen Nobelpreises“, Erwin Kräutler, unlängst in einem Brief an den ebenfalls in das Projekt verstrickten Rückversicherer Munich Re. „Ich bin Bischof am Xingu- Fluss im brasilianischen Amazonas und das Wahnsinnsprojekt Belo Monte wird vor meiner Haustüre gebaut. Ich weiß, wovon ich rede, wenn ich erkläre, dass (…) Belo Monte nichts mit ’sauberer‘ Energie zu tun hat“, so der aus Österreich stammende Bischof. An die 40.000 Menschen verlören in Altamira und Umgebung Haus und Hof und die meisten wüssten nicht einmal, wohin sie dann gehen sollen. „In den Monaten Februar und März dieses Jahres begann nun die Zerstörung der Häuser in der Region, die geflutet werden soll“, so Bischof Kräutler. Zahlreiche von Fischern und Indigenen bewohnte Inseln und Uferlandschaften sind abgeholzt und die Leute abtransportiert worden. Sie bevölkerten heute die Straßen von Altamira. Insbesondere die Rechte indigener Gruppen würden systematisch missachtet. „Jede Firma, die sich an Belo Monte beteiligt, zeichnet sich mitverantwortlich für diese Menschenrechts- und Umweltkatastrophe“, mahnt Erwin Kräutler.

Inwiefern ist der Allianz-Konzern bereit, sich auch an der Versicherung des Betriebes des Kraftwerkes Belo Monte zu beteiligen, wenn dieses im nächsten Jahr tatsächlich ans Netz gehen sollte?

In Brasilien wird gerade der Bau weiterer Staudämme am Tapajós geplant, mit ähnlich verheerenden Folgen für die dortige indigene Bevölkerung. Es gibt bereits jetzt erhebliche Proteste der lokalen Bevölkerung gegen dieses Projekt. Inwiefern gedenkt bzw. plant die Allianz weitere Staudämme in Amazonien und konkret am Tapajós zu versichern? Inwiefern hat die Allianz Konsequenzen aus Belo Monte gezogen und spricht sich aktuell prinzipiell gegen die Versicherung von Großstaudämmen in dieser Region aus?

Zur Menschenrechtskatastrophe gesellt sich nun noch zusätzlich ein handfester Korruptionsskandal. Gegen sechs der zehn Firmen, die das Belo-Monte-Baukonsortium bilden, wird aktuell wegen der Verstrickung in einen landesweiten Korruptionsskandal ermittelt. Dabei geht es um Geldwäsche, Untreue, Kartellbildung und Korruption in Milliardenhöhe. Mittlerweile hat sich der Skandal auch auf das Staudammprojekt ausgeweitet. Neuesten Ermittlungen zufolge wurden Schmiergelder in Höhe von mindestens 30 Mio. Euro an Regierungsparteien gezahlt, um an die lukrativen Bauaufträge für Belo Monte zu gelangen. Angesichts dieses Korruptionsskandals frage ich sie: Wie viele Projekte des im Zentrum des Korruptionsskandals stehenden staatlichen Ölunternehmens PetroBras hat die Allianz in den letzten 5 Jahren versichert?

Als Global Compact Unterzeichner verpflichtet sich die Allianz, gegen jede Art von Korruption vorzugehen: Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem aktuellen Korruptionsskandal in Brasilien für Ihre Risikoprüfungen? Inwiefern gedenken Sie weiterhin Geschäfte mit diesen Unternehmen zu machen, selbst wenn führende Funktionäre dieser Unternehmen rechtskräftig wegen Korruption und Bestechung verurteilt werden sollten? Inwiefern gibt es Klauseln in den Verträgen der Allianz, das bei Korruption im Zusammenhang mit abgesicherten Projekten der Versicherungsschutz erlischt?

Und auch ansonsten läuft es gerade nicht rund auf der Baustelle von Belo Monte. Die Baukosten explodieren und die Bauarbeiten liegen weit hinter dem Zeitplan. Jetzt drohen dem Konzern Norte Energia auch noch enorme Strafzahlungen in Höhe von mindestens 400 Mio. Real (dass entspricht 117 Mio. Euro!). In der letzten Woche hat die staatliche Energie- Aufsichtsbehörde ANEEL mitgeteilt, dass das Betreiberkonsortium für zusätzliche entstehende Kosten, die sich aus den 455 Tagen Bauverzögerung ergeben, aufkommen muss. Hat die Allianz solche Kosten, die aus der Bauverzögerung entstehen, mitversichert?

Doch die Allianz scheinen Menschenrechtsverletzungen und Korruption wenig zu kümmern. In ihrem Kommentar zu unserem Gegenantrag teilen Sie uns lapidar mit, dass Sie sich bereits vor zwei Jahren zu diesem Thema geäußert hätten und Ihre Bewertung seither unverändert sei. Wenn man dann nach den früheren Bewertungen schaut, so kann man nachlesen, dass Sie durchaus sehen, dass der Bau des Staudamms mit „erheblichen Eingriffen in Natur und Menschen verbunden“ ist. Dass „diesen Beeinträchtigungen“ aber ein „erheblicher und dauerhafter Nutzen“ gegenüber stehe. Aktuelle Studien der Oxford University und des Leibniz- Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei belegen genau das Gegenteil: große Staudammprojekte – vor allem in sensiblen Regionen wie dem Amazonasgebiet – sind nicht nur ökologisch und sozial unverträglich, sondern machen auch wirtschaftlich keinen Sinn. Solche Projekte nutzen Wenigen und schaden Vielen, so das Fazit der Wissenschaftler/innen.

Doch Belo Monte ist nicht das einzige umstrittene Großstaudammprojekt an dem die Allianz AG beteiligt ist. Unterlagen der Betreiberfirma ISAGEN zeigen, dass die Allianz auch das größte im Bau befindliche Wasserkraftwerk Kolumbiens, Hidrosogamoso, versichert. Das Umweltgutachten zu Hidrosogamoso identifizierte bis zu 30.000 betroffene Menschen. Bisher wurden allerdings nur 289 Familien entschädigt, ein Großteil der Menschen, die ihr Land, Haus und/oder Lebensgrundlagen verloren haben, warten nach wie vor auf Ausgleichszahlungen. Die Fischer/innen stromabwärts der Staumauer können aufgrund des durch den Staudamm verursachten Niedrigwassers und der geringen Fischmigration ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten und gelten nicht einmal als Betroffene. Bisher sind sechs Menschen ermordet worden, elf weitere sind verschwunden. Alle hatten sich gegen das Staudammprojekt engagiert und für die Betroffenen eingesetzt. Das der Hidrosogamoso-Staudamm nichts mit nachhaltiger Entwicklung zu hat, erkannte sogar das kolumbianische Umweltministerium und lehnte eine CDM-Zertifizierung des Projektes wegen dessen erheblichen sozialen und ökologischen Negativfolgen ab. Der Allianz-Vorstand erwähnte, dass jedes zu versichernde Projekt einer detaillierten Risikoprüfung unterworfen wird, bei der alle Daten mit berücksichtigt werden. Ich frage Sie, ob Ihnen bekannt ist, dass der Hidrosogamoso-Damm im aktivsten Erdbebengebiet Kolumbien liegt? Planen Sie, auch die Betriebsphase dieses Wasserkraftwerkes zu versichern? Und wenn ja, wie lässt sich das mit einer angemessenen Risikoprüfung vereinbaren?

Was muss denn im Rahmen solcher großen Infrastrukturprojektes wie Belo Monte und Hidrosogamoso passieren, dass Sie als Versicherer Ihre Bewertung ändern? Dass sie sich endlich einmischen und mit dafür zu sorgen, dass am Xingu und am Sogamoso die Rechte der Bevölkerung nicht weiter mit Füßen getreten und endlich für alle Umzusiedelnde verträgliche Lösungen bereit gestellt werden? Damit wir uns ein Bild darüber verschaffen können, welche Konsequenzen die Allianz aus „Belo Monte“ und Hidrosogamoso für Ihr Risikomanagement bereits gezogen hat, möchte ich Ihnen folgende Fragen stellen:

Wie viele und welche Großstaudämme hat die Allianz den letzten 5 Jahren in Brasilien und in anderen Ländern versichert? (Bitte nach Ländern aufschlüsseln) Bei wie vielen Staudammprojekten hat die Allianz in den letzten fünf Jahren die Versicherung aus sozialen und ökologischen Gründen abgelehnt oder die Versicherung an Auflagen geknüpft?

Sehr geehrter Herr Bäte, Sie übernehmen mit der heutigen Hauptversammlung den Chefposten des Allianz-Konzerns. Wir möchten eindringlich an Sie appellieren, dafür Sorge zu tragen, dass das Thema Menschenrechtsschutz im Risikoprüfungsprozess des Allianz-Konzern künftig endlich adäquat berücksichtigt wird. Sichern Sie die Zukunft – nicht nur die Ihres Konzerns, sondern auch die der Betroffenen der von Ihnen versicherten großen Infrastruktur- und Energieprojekte.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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