Rede Bischof Johannes Seoka

Lasst uns gemeinsam daran arbeiten:
Rohstoffunternehmen in einen nachhaltigen Industriezweig überführen

Sehr geehrte Mitglieder des Aufsichtsrats und Vorstands der BASF,
sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, sehr geehrte Damen und Herren!

Herzliche Grüße von den Minenarbeitern des Platin-Gürtels in Südafrika!

Bitte erlauben Sie mir, mich kurz auf Englisch vorzustellen, bevor ich zum Thema komme. Ich werde danach umgehend an meinen Übersetzer übergeben, der dann auf Deutsch meine Rede für dieses wichtige Aktionärstreffen weiterführen wird.

Ich bin Right Reverend Johannes Seoka, Bischof von Pretoria, der Hauptstadt von Südafrika in der Provinz Gauteng, 60 Kilometer nördlich von Johannesburg. Auch wenn in der lokalen Sprache Setswana Gauteng Gold bedeutet: Unsere Diözese erstreckt sich über den ganzen sogenannten Platinum Belt, den Platingürtel der Provinz Nordwest, wo mehr als die Hälfte der weltweiten Vorkommen an Platin lagert. Es ist das derzeit wertvollste Metall der Erde. Diese geographische Lage der Diözese ist der Hauptgrund, warum ich in die Ereignisse rund um das Massaker von Marikana von 2012 involviert war und bin. Aber es gibt noch einen anderen Grund, der über diesen geographischen Zufall hinausweist: Ich bin auch Leiter der Bench Marks Foundation, einer Organisation, die nur zwei Tage vor dem Massaker einen vernichtenden Bericht über die Lage in Marikana und der Platinmine von Lonmin veröffentlicht hat.

Ihr Unternehmen, BASF, ist einer der Hauptkunden dieser Platinmine, die im Besitz des drittgrößten platinfördernden Unternehmens ist: Lonmin. Wie Sie wissen, ist Deutschland der weltweit zweitgrößte Platinimporteur und BASF ist der größte Produzent von Katalysatoren der Welt. Für deren Produktion wird Platin benötigt. All das führt den Stellenwert einer sicheren und stabilen Platinversorgung – für Deutschland im allgemeinen und BASF im besonderen – vor Augen. Und das ist es, was uns unmittelbar miteinander verbindet. Diese unsere Beziehung und die Entwicklungschancen dieser Beziehung möchte ich heute und hier thematisieren. Ich spreche hier in der Hoffnung, unsere noch schwache Beziehung zu klären – und eine Klärung unserer Beziehung halte ich gerade nach dem Massaker von Marikana für notwendig.

Nur gemeinsam nämlich können wir das Image eines gefühllosen, kalten Konzerns ändern, der sich lediglich um seine Profite kümmert, nicht aber um seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren soziales wie ökologisches Umfeld. Durch das Massaker von Marikana wird BASF derzeit mit Konzernen in Verbindung gebracht, die Bodenschätze ohne jegliche Rücksicht auf Menschen und deren Umwelt abbauen.

Dieses Image muss sich natürlich ändern, wenn Sie ein Konzern sein wollen, der zur nachhaltigen Entwicklung integral beiträgt. Geld ist, wenn auch eine Notwendigkeit, nicht alles im Leben. Konzerne müssen ihren Aktionärinnen und Aktionären hohe Dividenden garantieren. Aber es dürfen nicht nur Aktionäre von den Gott gegebenen Bodenschätzen profitieren, sondern auch die vor Ort ansässigen Gemeinschaften.

Als Aktionärinnen und Aktionäre werden sie die schrecklichen Berichte gelesen haben: Berichte über die Ereignisse in der Platinmine Marikana, deren Hauptabnehmer BASF ist. Sie liebe Aktionäre, sind über BASF mit der Marikana-Mine verbunden.

Erlauben Sie mir, daran zu erinnern, was am 16. August 2012 geschehen ist: Auf einem Hügel nahe der Lonmin-Platinmine wurden mehr als 3000 Bohrhauer und andere Arbeiter von stark bewaffneten Einsatzgruppen der Polizei gestellt. Die Polizei erschoss 34 Minenarbeiter, 70 weitere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt und viele weitere wurden festgenommen. BASF wird Sie als Investoren sicherlich darüber informiert haben. Sie waren auch sicherlich entsetzt, dass Ihr Geld in solche Kanäle fließt, zu einem wichtigen Businesspartner, der der Mitverantwortung an einem Massaker beschuldigt wird, der also Menschenrechtsverletzungen begangen hat.

In der Tat war diese Gewalttat ein Ereignis, das unsere noch junge Demokratie in Südafrika in ihren Grundfesten ins Wanken brachte. Sie ist beispiellos in unserer Geschichte. Nie, nicht einmal am Höhepunkt der Apartheid hatte die Polizei es gewagt so viele friedlich streikende Arbeiter zu ermorden. In Marikana streikten die Arbeiter für ein existenzsicherndes Einkommen von 12.500 Rand pro Monat, also weniger als 1.000 Euro.

BASF ist ein Hauptkunde von Lonmin; BASF ist Hauptkunde eines Unternehmens, das einzig auf die Polizei gesetzt hat, anstatt mit seinen Angestellten zu reden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass BASF ein solches Verhalten eines seiner Zulieferer gutheißen kann.

Vor mehr als zwei Jahren wurde die Farlam Commission 2, die Untersuchungskommission zum Massaker von Marikana, eingesetzt. Seither warten die Bürger Südafrikas gespannt auf deren Ergebnisse. Die Aussagen der Polizei widersprechen denen anderer Parteien innerhalb der Kommission, es herrscht nicht nur deshalb Ungewissheit, ob jemals die ganze Wahrheit ans Licht kommen wird. Die Witwen und Hinterbliebenen der getöteten 34 Minenarbeiter werden vielleicht nie erfahren, wer der Polizei tatsächlich den Befehl gab, mit scharfer Munition aus automatischen Handfeuerwaffen auf die Streikenden zu schießen, wer den Befehl gab, unschuldige Arbeiter zu töten. Die meisten dieser Arbeiter wurden erschossen als sie ihre Hände in die Luft erhoben, als deutliches Zeichen, dass von ihnen keine Gefahr ausgeht. Viele wurden von hinten, also auf der Flucht vor der Polizei, erschossen.

Es ist das größte Massaker seit Sharpeville 1960, als Demonstranten, die gegen Apartheidgesetzgebungen protestiert hatten, von der Polizei erschossen wurden. Wir dachten, dass solch eine monströse Gewalttat nur einer überwundenen Vergangenheit angehören kann; nie hätten wir es uns vorstellen können, dass uns diese Vergangenheit wieder einholen kann und Teil unserer Gegenwart wird. Warum mussten abermals Menschen sterben, die nichts weiter taten als für ein menschenwürdiges Leben einzutreten? Diese Menschen waren keine Gewaltverbrecher, sie wollten lediglich über ein existenzsicherndes Einkommen und verbesserte Arbeits- und Lebensbedingungen verhandeln.

Erlauben Sie mir zu erwähnen, dass ich einer von drei Hauptrepräsentanten bin, die von den Minenarbeitern eingesetzt wurden, um sich in deren Namen für die Wahrung ihrer Interessen und für Gerechtigkeit einzusetzen. Joseph Mathunjwa, Anwalt Dali Mpofu und ich haben die verantwortungsvolle Aufgabe, uns dafür einzusetzen, dass die Stimmen der Arbeiter gehört und deren Forderungen angemessen verhandelt werden. Ich rede hier und heute also nicht für mich selbst. Ich bin die Stimme, ich bin der Lautsprecher einer Gruppe, die Ihr Lieferant in Südafrika zum Schweigen gebracht hat. Ich bin die Stimme der stummen Minenarbeiter von Lonmin, die Stimme der Arbeiter ohne Stimmrecht. Es ist meine christliche Pflicht, die Ärmsten der Armen zu schützen und ihnen dabei zu helfen ein Leben in Würde führen zu können. Indem Sie uns drei zu ihren Vertretern gewählt haben, haben uns diese Menschen ihr Vertrauen geschenkt. Diese Verantwortung bedeutet, dass wir nicht aufhören werden, uns für diese Menschen einzusetzen bis ihnen Gerechtigkeit widerfährt. Wir werden nicht ruhen, bis den Witwen und Hinterbliebenen angemessene Entschädigungszahlungen für den Verlust ihrer getöteten Verwandten gezahlt wird.

Ich war am Tag des Massakers am Ort des Geschehens. Ich war am besagten Hügel und habe mit den streikenden Minenarbeitern gesprochen. Die Bohrhauer haben mich an diesem Tag gebeten, den Unternehmenschef von Lonmin, Ian Farmer, zu suchen. Ich sollte ihn bitten, mit mir zurück zum Hügel zu kommen, damit die Arbeiter mit ihm ihre Anliegen besprechen können. Sie wollten nichts weiter als mit ihm, ihrem Vorgesetzten, sprechen und ihm ihre Beschwerden vorbringen. Lonmin ist dieser einfachen Bitte nicht nachgekommen. Anstatt auf direkte Verhandlungen zu setzen, hat Lonmin den Einsatz von schwer bewaffneten Polizeikräften unterstützt, der geradewegs dazu führte, dass 34 Menschen erschossen wurden.

War es wirklich zu viel verlangt, was die Arbeiter wollten? Ist es zu viel verlangt mit seinem Arbeitgeber sprechen, mit ihm diskutieren zu wollen? Ich denke nicht. Ihr Platinlieferant hat seine Arbeiter im Stich gelassen und hat Mitverantwortung an deren Tod. Wollten Sie, dass das mit ihrem Investment passiert? Ich kann das einfach nicht glauben!

Nun – und das ist bereits im Gegenantrag, den wir mit den Kritischen Aktionären gestellt haben, beschrieben: In zweieinhalb Jahren hat die staatlich eingesetzte Untersuchungskommission viel und dichtes Beweismaterial zusammen getragen, dass Lonmin Mitschuld hat an dieser schrecklichen Tat.

Hier ist nicht der Platz, um ins Detail zu gehen, aber lassen Sie mich ein Beispiel nennen:
Die Leiter der Beweisaufnahme der Untersuchungskommission beschuldigen Lonmin, seine gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber der Arbeiterschaft und den lokalen Gemeinschaften wiederholt übergangen und gebrochen zu haben. 2006 wurde etwa der Bau von 5.500 neuen Häusern bis 2011 versprochen. Gebaut wurden aber nur drei Häuser; in Wahrheit nicht mehr als drei Häuser in einem Jahrzehnt.

Sie müssen wissen: Die Mehrheit der Leute, die das wertvollste Metall der Welt abbauen, das BASF zu Katalysatoren weiter verarbeitet, lebt unter menschenunwürdigen Bedingungen. Sie leben in Wellblechhütten-Slums ohne fließend Wasser, Strom und Anbindung an Gemeindeservice-Leistungen, Über Jahre hat Ihr Platinlieferant diesen Menschen leere Versprechungen gemacht. Das ist nur eine der groben Verfehlungen, die Ihrem Platinlieferanten anzulasten ist, und die nun allesamt, Schwarz auf Weiß, in den hunderten Seiten der Beweisaufnahmeverfahren detailliert nachzulesen sind.

Die grundsätzliche Frage, die ich Ihnen stellen möchte und für deren konkrete Beantwortung ich mich schon im Voraus bei den Vorstandsmitgliedern bedanke, lautet:

  • Wie reagieren Sie auf diese Nachrichten, dass einer ihrer wohl wichtigsten Platinlieferanten für Morde mitverantwortlich ist, für die Verletzung von Menschenrechten und für unmenschliche Lebensbedingungen?
  • Was sagen Sie dazu und was machen sie konkret um die Lebensbedingungen der ArbeiterInnen zu verbessern, deren Arbeit zu Ihrem Reichtum beiträgt?
  • Werden Sie sich weiterhin in Schweigen hüllen, sogar jetzt, nachdem sie wissen, was einer ihrer Handelspartner, in den sie investieren, mitverantwortet?

Was sind die konkreten Lehren und Konsequenzen, die sie aus diesem Ereignis ziehen? Und bitte, verweisen Sie nun nicht auf das, was Lonmin sagt, dass es in Hinkunft tun werde, sagen Sie uns, was Sie konkret, was sie tun. Ich werde Ihre Antworten und Reaktionen auf diese Fragen den Lonmin-Arbeitern in Südafrika übermitteln.

Ich weiß und schätze es, dass sich BASF auf hohe Standards im Kontext seiner Lieferkettenverantwortung verpflichtet hat. Wir alle wissen und unterstützen dies – besonders im Jahr des 150jährigen Bestehens von BASF. Wir sind davon überzeugt, dass Sie sich ihr gutes und hart erarbeitetes Image erhalten wollen.

Nun, machen wir uns nichts vor, diese Nachrichten aus Südafrika sind ganz offensichtlich ein hohes Reputationsrisiko für BASF. Ich denke, wir stimmen darüber überein, dass es sich BASF nicht leisten kann, angesichts eines solchen Gewaltausbruchs bei einem seiner Lieferanten zu schweigen – was es bis dato leider tat. Es kann für BASF schlicht nicht verantwortbar sein, die unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen jener zu ignorieren, die sein Platin aus der Erde bohren und schaufeln. BASF kann dabei nicht wegschauen.

  • Wie denken Sie nun also die Lebens- und Arbeitsbedingungen konkret zu verbessern?
  • Wie denken Sie ihren eigenen Standards der Lieferkettenverantwortung im Fall von Lonmin gerecht zu werden?

Wir denken, es würde das Ansehen von BASF nachhaltig beschädigen, wenn Sie nun nicht konkrete, wirksame Schritte einleiten und umsetzen, die sicht- und spürbar für die Gemeinschaften von Marikana sind. Ich denke, die Zeit der guten Absichten ist vorüber, es ist die Zeit des Handelns und der konkreten Umsetzungen.

Ich lade Sie herzlich ein, sich selbst ein Bild vor Ort zu machen, die Lebens-, Arbeits- und Umweltbedingungen vor Ort kennen zu lernen. Die Bench Marks Foundation organisiert Touren für Leute, die aus erster Hand erfahren wollen, wo sie ihr Geld investieren. Als Stiftung, die eng mit der Gewerkschaft zusammenarbeitet, können wir sie dabei unterstützen, ein Vorzeigeunternehmen zu werden, ein role model für verantwortungsvolles und nachhaltiges Investment eines multinationalen Unternehmens.

  • Werden Sie diese Einladung annehmen und zu uns kommen?
  • Werden Sie der Forderung nachkommen und einen Fonds über 3,4 Millionen Euro mit Reparationszahlungen für die unmittelbar betroffenen Personen des Massakers einrichten, wie er in meinem Gegenantrag beschrieben ist?
  • Wenn ja, sind Sie bereit, die geforderte Summe von 3,4 Millionen Euro in diesem Fonds bereit zu stellen?
  • Oder an welchen Betrag denken Sie?

Wie wir alle wissen: Planungssicherheit ist für ein Unternehmen wie BASF zumindest ebenso wichtig wie ein guter Preis für die Rohstoffe, die Grundlage der eigenen Produktion sind. Sogenannte Investmentrisikos wie Streiks, selbstorganisierte Protest- und Lohnforderungen, Unruhen in den Gemeinden usw. können zu schwer berechenbaren Lieferschwankungen führen und die so wichtige Planungssicherheit minimieren. Um diese zu erhöhen, denke ich, muss man langfristig in Strukturen investieren, kontinuierlich, nicht Charity-Einmal-Zahlungs-Logiken folgen, sondern vielmehr der Logik der gerecht verteilten Profite.

  • Ich schließe meine Rede mit der Frage, ob Sie willens sind, zusätzlich 10% des Preises jeder Unze der Platin-Gruppen-Elemente, die sie bei Lonmin einkaufen, als eine „Planungssicherheits-Abgabe“, die gezielt den Arbeiter-Gemeinschaften vor Ort zugute kommen soll, abgeben werden?

Ich danke Ihnen für die Gelegenheit, die Sie mir eingeräumt haben, zu Ihnen zu sprechen. Möge der allmächtige Gott Sie segnen.

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Deutsche Übersetzung des englischen Originals der Rede von Bischof Dr. Johannes Seoka
„Working together: Changing Extractive Company to a Sustainable Development Industry“

(2) Farlam Commission, benannt nach ihrem Vorsitzenden, dem pensionierten Richter,
Ian Farlam

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