Rede von Thumeka Magwangqana

Mein Name ist Thumeka Magwangqana. Ich komme aus Südafrika. Ich bin eine Menschenrechtsaktivistin und Vorsitzende der Frauenorganisation Sikhala Sonke aus Marikana. Sikhala Sonke bedeutet „Wir weinen zusammen“. Seit dem Massaker vom 16. August 2012 setzt sich Sikhala Sonke für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen in den vom Bergbau betroffenen Gemeinden ein.

Meine Damen und Herren!

Ich habe die lange Reise von der slumartigen Siedlung von Marikana, das im Herzen des südafrikanischen Platingürtels liegt, bis nach Mannheim gemacht. Ich habe diese Anstrengungen auf mich genommen, um bei der Hauptversammlung von BASF zu Ihnen sprechen zu können. Ich bin überzeugt, dass Sie alle – der Vorstand, das Management und die Aktionäre von BASF – mir aufmerksam zuhören.

Wie Sie alle bereits wissen, streikten 2012 unsere Ehemänner und Brüder für eine Gehaltserhöhung. Sie warteten darauf, dass das Management von Lonmin auf ihre Forderungen reagieren würde. Aber das lehnte Lonmin, ihr Platinlieferant, ab. Stattdessen kam die Polizei und schoss mit scharfer Munition auf unsere Ehemänner und Brüder, als wären sie Kriminelle. Sie haben sie ermordet.

Meine Damen und Herren, das Management von ihrem Platinlieferant Lonmin ist mitverantwortlich für dieses Massaker– das steht zweifelsfrei fest. Ihr Hauptlieferant ist Mittäter am größten Massaker der jüngeren Geschichte Südafrikas. Das kann, das darf sie nicht unberührt lassen. Wir haben nie gesagt, dass BASF selbst direkt Schuld am Massaker trägt, versuchen Sie also bitte erst gar nicht uns darauf zu reduzieren.

Wir meinen jedoch, und das mit Nachdruck, dass Sie als BASF-Management und auch Sie als Aktionärinnen und Aktionäre nicht die Augen davor verschließen können, dass ihr Platinhauptlieferant Mitschuld am Tod unserer Ehemänner und Brüder trägt. Ich fordere Sie auf, uns, die Geschädigten dieses Massakers anzuhören, zu respektieren und zu unterstützen.

Lassen Sie mich auf die Situation, wie sie jetzt ist, zu sprechen kommen:

Ich kann es einfach nicht glauben, dass fünfeinhalb Jahre nach dem Massaker immer noch niemand zur Verantwortung gezogen wurde – weder die Politiker noch die Polizei noch das Management von Lonmin. Und auch BASF ist seiner Verantwortung in der Lieferkette nicht gerecht geworden. Bisherige Maßnahmen dienten nur der Kosmetik – uns, den ArbeiterInnen und EinwohnerInnen von Marikana haben sie jedenfalls nichts gebracht.

Wie ist es möglich, dass Geschäfte und Profitmacherei weiter betrieben werden, als ob nichts passiert wäre? Wie können Sie mit Business as Usual einfach weiter machen, so als ob nichts geschehen wäre? Wie die einige der Witwen von Marikana schon vor zwei Jahren hier an dieser Stelle erläutert haben und auch letztes Jahr einer der bei Massaker verletzten Minenarbeiter erzählt hat: Nichts hat sich in Marikana geändert. Die Menschen leben in wackligen und undichten Baracken, es gibt keine sanitären Einrichtungen, kein fließend Wasser, keine Elektrizität und auch keine Straßen. Wo soll es dieses bessere Leben für alle geben? Wir haben es jedenfalls nicht. Alles was wir haben ist Armut und Gewalt, auch häusliche Gewalt und Vergewaltigungen. Schuld an dieser dramatischen Situation ist nicht zuletzt die Armut, die Lebensumstände, die ein Leben in Würde fast unmöglich machen.

Wir fordern nichts weiter als ein Leben in Würde führen zu können.

Herr Hambrecht, Herr Bock und auch Herr Brudermüller, als Vertreterin einer Frauenorganisation, die in der Community von Marikana ansässig ist, habe ich folgende Fragen an Sie:

Unsere Community ist aufgrund der Aktivitäten von Lonmin mit einer massiven Umweltverschmutzung konfrontiert. Sie macht uns, unsere Kinder und unsere Tiere krank. In Ihren Selbstverpflichtungen als Mitglied des UN-Global Compact bekennen Sie sich unter anderem zur Einhaltung von Umweltstandards. Wie setzen Sie diese Selbstverpflichtung im Fall ihrer Beziehungen mit Lonmin konkret um? Ihre bisherigen Maßnahmen haben nichts geholfen!

Sikhala Sonke ist notwendig, weil LONMIN seinen Sozial- und Arbeitsplan nicht erfüllt, obwohl dies eine gesetzliche Verpflichtung im südafrikanischen Bergbau ist. Wenn Lonmin diesen einhalten würde, müsste es Wasser, sanitäre Einrichtungen, Strom, Straßen, Schulen und Kliniken in Marikana geben.Welche Druckmittel haben Sie im letzten Jahr eingesetzt, um Lonmin dazu zu bringen, für die Versorgung der Menschen von Marikana konkrete Schritte zu unternehmen?

Als Community sind wir über die Spekulationen rund um eine mögliche Übernahme von Lonmin durch Sibanye Stillwater besorgt. Wir haben in der Presse gehört, dass bereits fünf Arbeiter in den Minen in diesem Jahr ums Leben gekommen sind und mehrere Hundert über zwei Tage lang im Schacht eingeschlossen waren. Was unternehmen Sie im Vorfeld als Hautabnehmer des Platins aus Marikana, um dafür zu sorgen, dass tatsächlich ein Neuanfang auch in den Beziehungen des Unternehmens mit der Community stattfindet? Welche Handlungsspielräume wollen Sie nutzen, um den neuen Geschäftspartner zu einer guten Kommunikationspolitik zu bewegen?

Im UN Global Compact verpflichten Sie sich zum Schutz der Umwelt und zur Einhaltung der Menschenrechte. Wenn Sie Platin bei Lonmin kaufen, nutzen Sie ihre Marktmacht nur, um ihre Profite voranzutreiben oder legen Sie auch Wert darauf, Preise auszuhandeln, welche die Verpflichtungen von Lonmin mitberücksichtigen, damit vor Ort die Umweltstandards eingehalten und die Communities nicht zerstört werden?

Meine Damen und Herren, Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, wenn ich heimkomme nach Marikana, in meine Gemeinde, zu den Arbeitern und deren Familien, möchte ich ihnen gute Nachrichten übermitteln. Ich möchte ihnen sagen, dass BASF nicht mehr Teil des Problems und Teil des Konflikts mit meiner Community, sondern Teil der Lösung ist. Ich möchte ihnen sagen: „Die Aktionäre in Deutschland glauben an Gerechtigkeit und sie unternehmen konkrete Schritte, damit auch wir in Marikana in Würde leben können.“

Bitte ermöglichen sie mir, den Menschen in Marikana dies sagen zu können.

Amandla! Awethu! Alle Macht dem Volke!

 

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