„Verwobene Geschichte gewalttätiger Ausbeutung der Natur und Arbeitskraft Afrikas“: Rede von Daniel Selwyn

Mein Name ist Daniel Selwyn. Ich spreche hier heute für ein Netzwerk von verschiedenen Marikana-Solidaritäts-Iniativen aus London. Dazu gehören das London Mining Network, War on Want, das Forum der Panafrikanischen Gesellschaft, die Marikana Solidarity Campaign sowie auch das Kollektiv Decolonizing Environmentalism, dem auch ich angehöre.

Bevor ich einige Fragen zu Ihrem größten Platinlieferanten Lonmin stelle, möchte ich mich bei Bischof Seoka und Andries Nkome für ihren großartigen Einsatz für die Marikana Community bedanken, für die Hinterbliebenen des Massakers, für die Verletzten und zu Unrecht inhaftierten – aber auch für die ungezählten Millionen afrikanischer Menschen, deren Leben geopfert wurden – für die Anhäufung unseres Reichtums.

Meine Beziehung zu Südafrika ist komplex, in historischer und persönlicher Hinsicht. Während meine Familie durch den Antisemitismus von Ost-Europa nach London und Kapstadt verstreut wurde, waren BASF und Lonmin im Entstehen jeweils kurz vor und kurz nach der Berliner Afrika Konferenz 1885, bei der der afrikanische Kontinent unter den europäischen Mächten – im Interesse der weißen Vormachtstellung – aufgeteilt wurde.

Lonmin wurde als ‘Lonrho’ wegen Cecil Rhodes gegründet und ist somit Teil die Geschichte der Kolonisierung des Südlichen Afrikas durch europäische Siedler und Kaufleute, durch den globalen Kapitalismus. Während meine Familie innerhalb und außerhalb Europas auf der Flucht war, war BASF integraler Bestandteil des IG Farben Konglomerats. Während mein Großvater aus Südafrika vertrieben wurde, da er sich der Befreiungsbewegung gegen das Apartheidregime angeschlossen hatte, versorgten BASF und Lonrho eben dieses Regime mit Technologie und Waffen – und umgingen dafür zahlreiche internationale Sanktionen, Embargos und Boykotte.

Ich erwähne das alles, damit wir uns erinnern, dass das Massaker von Marikana sich nicht in einem isolierten Raum abgespielt hat – und das betrifft auch die Verbindung von BASF und Lonmin zu diesem Ereignis. Weil – man wird nicht einfach so, von heute auf morgen, zum größten Chemieunternehmen oder zum drittgrößten Platinproduzenten der Welt. Diese Stellung auf dem Weltmarkt ist verwoben mit der zumeist gewalttätigen Ausbeutung von Land und Rohstoffen des afrikanischen Kontinents.

Wenn Sie hier heute über Ihre “Verantwortung entlang der Lieferketten” sprechen, dann sollten wir im Hinterkopf behalten, dass wir noch immer damit befasst sind, diese schrecklichen Kapitel unserer Geschichte aufzuarbeiten und endlich gerechtere Maßstäbe zu etablieren.

Nun zu meinen Fragen:

Glauben Sie, dass es gerecht ist, dass die Bergarbeiter, die die Metalle abbauen, die wir benötigen, um unsere Atemluft zu filtern, gezwungen sind, dort wo sie leben und arbeiten, verseuchte Luft einzuatmen?

Derzeit wird die Übernahme von Lonmin durch Sibanye-Stillwater vorbereitet, durch einen Konzern, der bekanntermaßen die höchsten Unfall- und Todesraten im südafrikanischen Bergbausektor hat. Allein im letzten Jahr gab es dort 24 tote Bergarbeiter – und dass bei einem Gewinn von 107 Milliarden Dollar. 12.500 Arbeitsplätze, ein Drittel – sollen im Zuge der Übernahme gestrichen werden, was die bereits äußerst prekäre Lage der Arbeiter und ihrer Familien in Marikana noch verstärken wird. Was gedenkt BASF im Zuge dieser Übernahme zu tun, um die jahrelangen Verfehlungen Lonmins, die jahrelange Nicht-Einhaltung gesetzlicher Verpflichtungen und die unzureichende Kompensation für das Massaker zu beenden? Was wird sich mit dem neuen Partners verändern?

Denn, bedenken Sie, dass Lonmin in den 4 Jahren vor dem Massaker rund 607 Millionen Dollar an Dividenden an seine AktionärInnen ausgezahlt hat, und 160 Millionen Dollar an Briefkastenfirmen auf den Bermudas transferiert hat. Mit nur 20% dieser Summe hätte Lonmin die 5500 Häuser bauen können – wozu sie eigentlich verpflichtet gewesen wären. 2012, als das Massaker passierte, waren lediglich 3 dieser 5500 Häuser gebaut worden.

Nun ist es 13 Jahre her, dass Lonmin einen verpflichtenden Sozialplan unterzeichnet hat. Wie kann es trotz der regelmäßigen Audits durch BASF sein, dass Lonmin nach wie diesen Verpflichtungen nicht annähernd nachkommt?
Halten Sie es für sozial verantwortbar, dass im Jahr 2012, als das Massaker stattfand, der Vorstandsvorsitzende von Lonmin ein 236 mal höheres Gehalt bekam, als seine Bergarbeiter bei ihrem Streik als Lohn verlangten und deshalb erschossen wurden? Oder BASF, dessen Vorsitzender im Bezug dazu immer noch 135 mal mehr verdient, oder ein “normales” Vorstandsmitglied mit 20 mal höherer Bezahlung.

Warum ist die schwarze Arbeitskraft dem europäischen Wertesystem so viel weniger wert?

Wie können Sie für sich in Anspruch nehmen, ein sozial verantwortlich agierendes Unternehmen zu sein, solange diese brutalen Realitäten innerhalb Ihrer eigenen Lieferketten bestehen?

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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