„Ihr Geschäftsmodell ist gescheitert“: Rede von Lena Michelsen

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Lena Michelsen und ich bin Referentin für globale Landwirtschaft und Welternährung bei der entwicklungspolitischen Organisation INKOTA.

Nach eingehender Recherche der aktuellen Geschäftspraktiken von Bayer Crop Science muss ich Ihnen leider mitteilen: Anders als Sie, Herr Baumann, bei der Übernahme von Monsanto angekündigt haben, ist Bayer seitdem keineswegs „nachhaltiger“ geworden. Ihr Geschäftsmodell, das auf einer Kombination von teils gentechnisch manipuliertem Saatgut und zum Teil hochgiftigen Pestiziden basiert, haben Sie mit Monsanto an Bord mehr denn je konsolidiert. Das bedeutet zum einen, dass bäuerliches Saatgut noch mehr verdrängt wird und die Abhängigkeiten der Bauern und Bäuerinnen bestehen bleiben oder sogar verstärkt werden. Und das bedeutet zum anderen, dass noch mehr Menschen – vor allem im globalen Süden – in Folge des Einsatzes giftiger Pestizide erkranken. Ich werde mich im Folgenden auf zwei Aspekte Ihres desaströsen Geschäftsmodells konzentrieren.

Erstens zur Verbreitung von gentechnisch verändertem Saatgut im globalen Süden: In fünf afrikanischen Ländern wächst im Rahmen des Monsanto-Projekts WEMA der angeblich dürreresistente Genmais der Sorte MON87460. Verschiedene Studien – zuletzt vom US-Landwirtschaftsministerium – belegen, dass dieser Mais in puncto Dürreresistenz kaum oder keinerlei Vorteile gegenüber herkömmlichem Mais aufweist. Außerdem häufen sich in Südafrika die Indizien über resistente Schadinsekten.

Daher frage ich Sie: Warum halten Sie, wie Sie uns schriftlich bestätigt haben, an dem Projekt WEMA fest, wenn die Maissorte offensichtlich keinen Nutzen bringt?

Unsere Partner des Nationalen Kleinbauernverbands UNAC in Mosambik haben bereits erlebt, wie Monsanto erfolgreich für eine Aufhebung des Gentechnikverbots im Land lobbyiert hat. Nun sind sie besorgt angesichts einer möglicherweise anstehenden Kommerzialisierung der genannten Genmais-Sorte. Sie fürchten um den Verlust von Saatgutvielfalt, die Verdrängung bäuerlicher, lokal angepasster Saatgutsorten und den Verlust von bäuerlichem Wissen. Sowohl die jüngst verabschiedete UN-Erklärung für die Rechte von Kleinbauern und –bäuerinnen als auch die so genannten Farmers‘ Rights der FAO schreiben unter anderem das Recht auf Nachbau des eigenen Saatguts fest.

Daher frage ich Sie: Wie wollen Sie die Einhaltung der Rechte von Kleinbauern und –bäuerinnen, insbesondere das Recht auf den Nachbau bäuerlichen Saatguts einhalten? Und inwieweit werden Sie weiter Einfluss auf die Reform des argentinischen Saatgutgesetzes nehmen, das bereits den Namen „Bayer-Monsanto-Gesetz“ trägt?

Nun zu meinem zweiten Punkt: Denn natürlich verstehen Sie es, Ihr Geschäftsmodell – zumindest dem Anschein nach – den neuesten Trends und vielleicht auch Nachhaltigkeitsansprüchen von Politik und Gesellschaft anzupassen. Deshalb sind Sie jetzt ganz vorne mit dabei, wenn es um die Digitalisierung der Landwirtschaft geht. Sie haben angekündigt, mit Techniken der Präzisionslandwirtschaft den Einsatz von Pestiziden reduzieren zu können. Gleichzeitig stellten Sie im Dezember Ihre Pläne vor, den Pestizideinsatz in Nord- und Lateinamerika bis 2022 steigern zu wollen.

Ich frage Sie daher: Wie passt das zusammen?

Aber auch in Bezug darauf, wie Sie die Bauern und Bäuerinnen weltweit von Ihren Produkten abhängig machen wollen, erscheint mir Ihr vermeintlich neues Geschäftsmodell eher wie alter Wein in neuen Schläuchen.

In einer E-Mail haben Sie uns geantwortet:

„Ziel ist es, dem Landwirt ein Gesamtpaket auf Basis digitaler Lösungen anzubieten. […] Durch eine finanzielle Beteiligung an den Erlösen, die aufgrund des Mehrertrags erzielt werden, entsteht ein neues Geschäftsmodell, von dem beide Seiten profitieren.“

Ich frage Sie daher: Zu welchen Anteilen sollen die Erlöse, die aufgrund des Mehrertrags erzielt werden sollen, zwischen dem Landwirt und Bayer aufgeteilt werden? Werden auch unerwartete Verluste zwischen dem Landwirt und Bayer aufgeteilt? Und ist eine Versicherung zur Absicherung der Risiken Teil des neuen Geschäftsmodells?

Kurzum: Ich sehe keinerlei Fortschritt bei der Ausrichtung Ihrer Geschäftstätigkeiten an den planetaren Grenzen auf der einen Seite und an der Idee einer selbstbestimmten Landwirtschaft und Ernährung sowie an fundamentalen Menschenrechten auf der anderen Seite. Erst recht seit Beginn der Klagewelle in den USA müssen Sie sich eingestehen: Ihr Geschäftsmodell ist ein für alle Mal gescheitert.

Aufgrund der erläuterten Sachverhalte stelle ich die Anträge, Vorstand und Aufsichtsrat nicht zu entlasten und bitte alle Aktionäre und Aktionärinnen bei den entsprechenden Tagesordnungspunkten mit NEIN zu stimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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