Rede von Verena Glass

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Verena Glass, ich spreche heute hier im Namen der brasilianischen Kampagne gegen Agrargifte, eine Initiative, in der die hauptsächlichen Organisationen von Kleinbauern, Indigenen, Umweltschützern und Verbraucherverbänden gemeinsam organisiert sind.

Brasilien ist derzeit im achten Jahr in Folge Weltmeister im Verbrauch von Agrargiften. Dies hat natürlich mit der kompletten Verfestigung des Agrarmodells transgener Pflanzen zu tun, was auch bedeutet, dass es bei einigen Sorten im ganzen Land nahezu unmöglich ist, überhaupt an nicht-transgen modifiziertes Saatgut zu gelangen. Es ist vor allem der Verbrauch von Herbiziden, der sich mit der Hegemonie der GMO-Pflanzen verdreifacht hat. Wenn wir die insgesamt im Land je Jahr ausgebrachte Menge auf die Bevölkerung herunterrechnen, so kommen wir auf die erschreckende Menge von 7,3 Litern je brasilianischem Bürger.

Um Ihnen die Brutalität dieser Realität anschaulich zu machen, werde ich mich in meiner Rede auf die Munizipien fokussieren, die die Rekordhalter bei der Produktion von Soja, Mais und Baumwolle sind, nämlich die im Bundesstaat Mato Grosso in Zentral-Brasilien. Reden wir also über Gemeinden wie Lucas do Rio Verde, Sorriso, Sapezal, Campos Novos dos Parecis und andere. Auf diese Region fokussieren auch die Universitätsstudien der Forscher der Bundesuniversität von Mato Grosso und der Stiftung Oswaldo Cruz des Gesundheitsministeriums. Die Studien untersuchen die Auswirkungen dieser Anbaugebiete und des Agrargiftverbrauchs vor Ort.

Zuerst müssen wir daran erinnern, dass laut offiziellen Zahlen der brasilianischen Regierung bei der Baumwolle alle transgenen Sorten bis auf eine von Bayer und Monsanto stammen. Diese zwei Firmen beherrschen auch den brasilianischen Markt bei transgenen Soja und transgenen Mais, was Sie – unserer Ansicht nach – mitverantwortlich macht für den Anstieg des Verbrauchs von Agrargiften im Lande.

Im Jahr 2012 wurden neun Millionen Liter Agrargifte im Munizip Sapezal zur Anwendung gebracht, sieben Millionen waren es in Campos de Júlio und vier Millionen in Campo Novo do Parecis, dies sind die letzten verfügbaren Daten des staatlichen Institut für Agrarsicherheit, Instituto de Defesa Agropecuária do Estado de Mato Grosso (Indea). Würde man diese Menge in olympische Schwimmbecken füllen, kämen wir auf acht bis oben mit Agrargiften gefüllte Becken. Um die Dramatik der Situation in der genannten Region zu verdeutlichen: Rechnet man die Menge an Agrargift auf ganz Brasilien runter, kommen wir auf die erwähnten 7,3 Liter je Person. In Sapezal aber liegt dieser Wert 52 Mal höher: 393 Liter je Person, wenn wir als Basis die Bevölkerungszahl von 2016 nehmen.

Um dieses Panorama zu untersuchen, haben die Universität von Mato Grosso und die Fiocruz zwischen 2007 und 2014 in Lucas do Rio Verde eine Forschung mit den folgenden Ergebnissen durchgeführt:

  • in der ländlichen Region fanden die Wissenschaftler in 88% der Blut- und Urinproben von untersuchten Lehrern auf dem Land Rückstände von Agrargiften, vor allem Glyphosat und Pyrethroide – also synthetische Insektizide;
  • es wurden mehrere Agrargifte gefunden in 83% der 12 Trinkwasserbrunnen, in 56% der Proben des Regenwassers und 25% der entnommenen Luftproben während der zweijährigen Untersuchung;
  • in 100% der Proben der untersuchten Muttermilch von 62 stillenden Müttern wurden Rückstände von Agrargiften wie DDE, Endosulfan, Deltamethrin und DDT gefunden;

Parallel dazu stellte die Studie der Bundesuni Mato Grosso 1.442 Fälle von Magenkrebs, Speiseröhren- und Bauchspeicheldrüsenkrebs in 14 Munizipien fest, eben in denen zwischen 1992 und 2014 Soja, Mais und Baumwolle angebaut wurden. In dem Vergleichsmunizip, wo nichts dergleichen angebaut wurde, lag der Wert der Krebsfälle bei 53.

Und was machen diese Agrargifte mit den Kindern? Die Todesrate bei Kindern im Alter zwischen 0 und 19 Jahren hat sich von 2,97% im Jahr 2000 auf 3,76% im Jahr 2006 erhöht. Im Jahre 2006 wurde Krebs bei Kindern zur zweithäufigsten Todesursache, 8% aller Todesfälle bei Kindern waren auf Krebs zurückzuführen. Tendenz weiter steigend.

Wir können nicht im Einzelfall belegen, dass es die Gifte von Bayer und Monsanto sind, die unsere Leute vergiften und töten. Aber wir sind uns sicher, dass all diese Studien, die weltweit auf diese schwerwiegenden Probleme hindeuten, Ihnen bei Bayer bekannt sind. Ich frage Sie daher: wie gehen Sie als Verkäuferin von Medikamenten für die Gesundheit mit diesen Vorwürfen um?

Und zum Schluss meine letzte Frage: in Anbetracht der Möglichkeit von Prozessen um Entschädigung infolge von Problemen mit dem Anbau von transgenen Pflanzen von Bayer und Monsanto und angesichts der verwendeten Agrargifte frage ich Sie nach Ihrer eigenen Risikoanalyse? Welche diesbezüglichen Erkenntnisse haben Sie?

Ich danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://www.kritischeaktionaere.de/bayer/rede-von-verena-glass/