„Machen Sie sich nicht länger mitschuldig am Töten im Jemen!“: Rede von Ali Jameel

Sehr geehrter Vorstand, sehr geehrter Aufsichtsrat,
sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,

Mein Name ist Ali Jameel. Ich arbeite bei der jemenitischen Menschenrechtsorganisation Mwatana. Wir dokumentieren in akribischer Kleinarbeit die Folgen des Krieges in meiner Heimat und sichten nach Anschlägen auch die Überbleibsel der genutzten Waffen. Dabei stellen wir immer wieder fest: auch Waffen deutscher und europäischer Rüstungshersteller kommen in diesem Krieg zum Einsatz und tragen zum Tod unschuldiger Menschen und zur Zerstörung von Schulen, Gesundheitszentren und anderer wichtiger Infrastruktur bei.

Ich habe die lange Reise von der jemenitischen Hauptstadt Saana in Kauf genommen, um heute hier vor Ihnen zu stehen und zu sprechen und fordere sie dringend auf: Beenden Sie jedwede finanzielle Unterstützung für Unternehmen, die den Krieg in meiner Heimat befeuern!

Machen Sie sich nicht länger mitschuldig am Töten im Jemen!

Ich bin hier, weil ich will, dass dieser seit vier Jahren währende Krieg in meiner Heimat endlich ein Ende findet.

Seit vier Jahren gehören für mich Luftangriffe zu meinem Alltag. Am Anfang haben wir noch versucht, uns in Sicherheit zu bringen, aber eigentlich gibt es gar keine sicheren Schutzorte mehr. Die Situation ist dramatisch: jeden Monat dokumentieren wir zahlreiche neue Fälle von unmenschlichem Leid – ausgelöst auch von Waffenlieferungen deutscher oder europäischer Rüstungsunternehmen.

Wir von Mwatana haben bis heute über 300 Luftangriffe dokumentiert, die zwischen März 2015 und Januar 2019 von der durch Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate geführten Militärkoalition ausgeführt wurden. Diese von uns dokumentierten Angriffe haben insgesamt über 3.000 Zivilist*innen getötet, unter ihnen 749 Kinder und 280 Frauen. Über 2.500 Zivilist*innen wurden verletzt, darunter 595 Kinder und 247 Frauen. Des Weiteren haben wir den gezielten Beschuss von 12 Industrieeinrichtungen und 34 historisch und archäologisch bedeutsamen Stätten dokumentiert.    

Diese Zahlen mögen Ihnen vielleicht sehr hoch erscheinen, aber verglichen mit den Zahlen von internationalen NGOs und der UN sind sie noch sehr niedrig. Das Ausmaß des Krieges ist jedoch noch weitaus größer und katastrophaler.

Und trotzdem finanziert die Commerzbank weiterhin Unternehmen, die ihre Waffen an die Jemen-Kriegskoalition liefern – obwohl sie wissen, dass mit diesen Waffen auch Menschenrechtsverletzungen verübt werden.

Im letzten Jahr war meine Kollegin Bonyan Gamal bei der Hauptversammlung von Rheinmetall, einer Ihrer Kunden, und hat vom Tod einer ganzen Familie erzählt, die durch eine Rheinmetall-Bombe unschuldigerweise ums Leben gekommen ist. Zusammen mit anderen Menschenrechtsorganisationen haben wir dagegen Klage eingereicht, die aktuell noch anhängig ist. Bonyan erntete für Ihren Bericht keine Entschuldigung und auch kein Bedauern seitens der Konzernleitung von Rheinmetall. Das ist für mich völlig unverständlich.

Unverständlich ist für mich auch, dass die Commerzbank trotz umfassender Informationen und Dokumentation von Waffenlieferungen von Rheinmetall an die Jemen-Kriegsparteien weiterhin den Kauf von Rheinmetall-Aktien empfiehlt und das Unternehmen finanziert.

Rheinmetall ist nicht der einzige Kunde, der sich so verhält. Meine Kollegin Barbara Happe von den Kritischen Aktionärinnen und Aktionären wird noch von Waffenlieferungen an die Kriegsparteien durch den britischen Rüstungskonzern BAE Systems berichten.

Der Krieg in meiner Heimat muss endlich ein Ende finden. Die Finanzierung von Unternehmen, die ihre Waffen an die Kriegsparteien liefern, muss umgehend beendet werden. Deshalb bitte ich Sie: Hören Sie auf Kredite, Anleihen und andere Finanzdienstleistungen für Rüstungshersteller bereitzustellen, die den Jemen-Krieg befeuern!

Ich habe erfahren, dass Sie eine Rüstungsrichtlinie haben, die die Finanzierung von Transaktionen in Spannungs- und Kriegsgebiete verbietet. Das ist gut, aber warum finanzieren Sie trotzdem immer noch Unternehmen, die ihre Rüstungsgüter an die Jemen-Kriegsparteien liefern?

Liebe Aktionärinnen, liebe Aktionäre, es darf keine Ausflüchte mehr geben. Wer Unternehmen wie BAE Systems oder Rheinmetall finanziert, finanziert die Produktion und den Export von Waffen, die unermessliches Leid über die Zivilbevölkerung in meiner Heimat bringen.

Ich bin aber nicht hierhergekommen, um Sie anzuklagen, sondern weil ich an Ihre Menschlichkeit glaube. Deshalb meine Bitte: lernen Sie vom Schicksal vieler ziviler Opfer. Verzichten Sie auf todbringende Rendite und steigen Sie aus dem Geschäft mit Unternehmen aus, die ihre Rüstungsgüter auch an Kriegsparteien liefern.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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