Rede von Christian Russau

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Christian Russau, ich spreche hier für die Initiative GegenStrömung, die sich für menschenrechtskonformes Handeln von deutschen Unternehmen im Ausland einsetzt, und ich bin Vorstandsmitglied des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Reden wir als erstes über Ihr neues, pompös angekündigtes „Environmental and Social Policy Framework“ von vor wenigen Tagen. Sie deklarieren dort reichlich emphatisch „[a]t Deutsche Bank, our aspiration is to live by the highest standards of integrity. We are committed to act as a responsible partner to all our stakeholders and to address impacts that our business operations may have on the environment and society.“ In der Theorie hört sich das ja ganz schön an.

Schauen wir doch in die Praxis.

Thema Großstaudämme:

Auf Ihrer Webseite erklären Sie zunächst die sinnvolle Einsicht: „Hydro power projects can have negative social and environmental impacts, including involuntary community resettlement, degradation of water quality, destruction of sensitive sites (environmental, religious) and loss of wildlife habitat.“ Dies trifft zweifelsohne zu. Aber in Ihrem neuem „Environmental and Social Policy Framework“ sagen Sie: „Any transaction involving financing of a new hydropower plant or expansion of an existing one requires an enhanced ES review and, potentially, discussion within a regional Reputational Risk Committee. We will look at a number of sector-specific factors including the client’s management systems and track record. Application of the Hydropower Sustainability Assessment Protocol by clients will be highly valued.“

Vermutlich kommt Ihnen gar nicht in den Sinn, wie sie den ersten und zweiten Satz durch den dritten Satz ad absurdum führen. Wenn Ihr Reputational Risk Committee als Grundlage das Hydropower Sustainability Assessment Protocol (HSAP) als Kriterium ansetzt, dann sind Ihre Guidelines nicht das Papier wert, auf dem sie stehen. Denn eigentlich galt ja ab dem Jahr 2000 als Grundlage für Wasserkraftprojekt-Entscheidungen die von der Weltbank geleitete Weltstaudammkommission (WCD). Nach der Veröffentlichung des Berichts der WCD entwickelte der internationale Verband der Wasserkraftindustrie – die Internationale Wasserkraftvereinigung (International Hydropower Association, IHA) – jedoch ihren eigenen, in wesentlichen Punkten stark abgeschwächten Kriterienkatalog, der 2011 in seiner endgültigen Form präsentiert wurde: eben das „Hydropower Sustainability Assessment Protocol“ (HSAP). Es stellt ein Analysetool und keinen Standard dar und ist auch nicht konform mit den Empfehlungen der WCD. Gerade deshalb wurde es ja von der Staudammindustrie entwickelt.

So dient es nun als praktisches Analysetool für alle überforderten Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der Banken und Versicherer und EZ-Abteilungen, denen die sieben strategischen Prioritäten der Weltstaudammkommission zu kompliziert sind.

Schauen wir uns also die Unterschiede von WCD und HSAP an: Weder die Einhaltung von Menschenrechten noch die internationalen Kernarbeitsnormen gehören hier zur „guten Praxis“. Das im Völkerrecht festgeschriebene Recht von Indigenen auf freie, vorherige und informierte Zustimmung (FPIC), das im Menschenrechtskonzept der Bundesregierung von 2011 anerkannt wird, wurde nicht aufgenommen. Während die WCD eine Partizipation von Gemeinden und Betroffenen bei der Eruierung von Entwicklungsbedürfnissen und alternativen Optionen und bei der Entscheidungsfindung mit einer „nachweisbaren Übereinkunft“ oder „rechtsverbindlichen Übereinkunft“ als Ergebnis vorschreibt, verweist das HSAP dagegen lediglich vage auf „Stakeholder-Beteiligungen“ und „Konsultationen“.

Das HSAP ist klares Greenwashing.

Insofern taugen Ihre neuen Kriterien leider gar nichts. So erklärt sich dann recht leicht, wieso die Deutsche Bank sich in Abenteuer wie beispielsweise die neuen äthiopischen Staudämme am Omo-Fluss, Gilgel Gibe IV mit geplanter Kapazität von 1,45 GW und Gilgel Gibe V mit 600 MW, stürzt. Zusammen mit der BNP Paribas und JP Morgan agiert die Deutsche Bank dort als die Manager der bond sales. Ein Blick auf die jüngere Geschichte des Staudamms Gilgel Gibe III am gleichen Fluss, dem Omo, offenbart das dortige Chaos: Die Fachzeitschrift National Geographic untersuchte unlängst diese Folgen des Damms Gilgel Gibe III. Die Menschen sind auf die natürliche Fluten des Omo-Flusses für Landwirtschaft, Fischerei und Viehherden angewiesen. Durch die Flutung des Staubeckens ist die jährliche natürliche Flut des Flusslaufs ausgeblieben. Mit einer Kapazität von 1.870 MW soll Gibe III viel Strom produzieren und soll auch Bewässerungssysteme für kommerzielle industrielle Plantagen liefern, für die aber indigene Gemeinden aus ihren traditionellen Umgebungen vertrieben werden. Das Fazit der Reporterin der National Geographic: Die Menschen im Omo-Tal drohen zu verhungern.

Die Deutsche Bank ist sich wohl für nichts zu schäbig, solange es Umsatz bringt.

Zu Staudämmen also die folgenden Fragen, die ich Ihnen hiermit stelle:

Wie viele Staudammprojekte hat die Deutsche Bank und/oder ihre Tochtergesellschaften in den drei vergangenen Geschäftsjahren mit Krediten bedient und welches Volumen hatten diese und bei wie vielen Staudämmen haben Sie als bond sales manager teilgenommen? Die gleichen Zahlen hätte ich gerne noch aufgeschlüsselt auf den Fall Brasilien.

Nächstes Thema: Eukalptus-Monokulturen.

Die Fondsgesellschaft der Deutschen Bank, DWS, hat im Mai und Juni 2009 zwei geschlossene Fonds in Höhe von zusammen 27 Millionen US-Dollar platziert, deren Ziel es ist, „mittelbar an den Investitionen in Wälder und andere Bereiche der Holzwirtschaft des Phaunos Timber Fund Limited („PFT“) zu partizipieren (Deutsche Asset & Wealth Management International GmbH 2015). Phaunos Timber ist ein auf der Steuerfluchtoase Guernsey beheimateter sogenannter Wald. oder Timberfonds. Also Anlagen in vermeintlich „grüne“ Geldanlagen wie Eukaplyptusplantagen beispielsweise. Phaunos Timber Fund hat in Brasilien, im Norden des Bundesstaat Minas Gerais 19.000 Hektar Eukalyptus-Plantagen. Diese gehören der Firma Vale do Jequitinhonha Silvicultura e Participações Ltda, die die Firma Mata Mineira Investimentos Florestais Ltda im Jahre 2010 dem brasilianischen Zellstoffgiganten Suzano abkaufte. Mata Mineira gehört dem Phaunos Timber Fund.

Wie „grün“ ist nun solch ein Investment und ist es vereinbar mit Ihrem neuen „Environmental and Social Policy Framework“?

Machen wir also den Cross-Check. Zu „Timber“ erklären Sie: „Any transaction involving financing for companies active in the upstream production and primary processing of the outlined soft commodities (for example growers or operator of mills) outside the EU and US requires enhanced ES review.“ Und führen spezifisch aus: „We prefer clients to be certified according to Forest Stewardship Council (FSC) or Programme for the Endorsement of Forest Certification (PEFC)“. Das überzeugt mich ganz und gar nicht. Sind Ihnen die strukturellen Folgen von Eukalyptusplantagen den neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge bekannt?

Schauen wir uns den Fall des Norden von Minas Gerais, in der Region, wo Phaunos Timber die von der DWS per Zertifikat feilgebotenen Eukalyptusplantagen hat: Bei Eukalyptusplantagen in der Region sehen die Wissenschaftler Zunahmen der Verdunstungsraten zwischen 4 und 20%, bei dem abfließenden Oberflächenwasser konstatieren sie Erhöhungen um das bis zu Zwanzigfache des ursprünglichen Wertes.

Die Werte für Veränderungen der Bodenerosionsrate infolge agroindustrieller Landnutzungsänderungen und dadurch resultierenden Veränderung der Bodenstruktur bemessen die Wissenschaftler noch höher: auf den Faktor 10 bis 100. Wir reden wir von Regionen, die ohnehin unter extremer Wasserarmut leiden. Und da kommt Ihre DWS daher, verscherbelt an gutgläubige Kundinnen und Kunden Zertifikate, von denen alle glauben, das sei so wahnsinnig „grün“ und „nachhaltig“. Hinzu kommt noch ein Detail: Das gesamte Eukalyptus, das dort auf den 19.000 Hektar angebaut, wird zu Holzkohle geköhlert, die dann die Eisenverhüttungsindustrie in der Gegend unter Feuer setzt. Verkauft wird das ganze noch als „grüner Stahl“. Hört sich irgendwie alles nicht sehr nachhaltig an, oder?

Nun zeichnen sich Eukalyptus-Monokulturen im Norden von Minas Gerais noch durch etwas anderes aus. Sie entstanden nahezu alle kurz nach Beginn der brasilianischen Militärdiktatur und zwar wurden den dort lebenden Kleinbäuerinnen und -bauern ihr Gemeindeland, wo sie Ackerbau und Viehzucht betrieben, einfach vom Staat gestohlen. Und heute, mittlerweile haben die Besitzer mehrmals geweschselt, ist eines der wichtigsten Charakteristika dieser Eukalptusmonokulturen in der Gegend, dass sie von Security-Mitarbeitern bewacht werden, damit da niemand von diesen mittelllosen Kleinbäuerinnen und -bauern reingeht, und die Plantage von „Diebstahl“ verschont wird. Mit „Diebstahl“ meinen dann die Eukalyptusplantagenbesitzer dann den Fall, wenn Kleinbauern sich dringend benötigtes Brennholz suchen.

Reden wir also über „Diebstahl“. Das scheint ja eine Domäne zu sein, in der sich die Deutsche Bank gut auskennt. „Diebstahl“ ist es, wenn Kleinbäuerinnen und -bauern und traditionellen Gemeinschaften ihr Wald von einem Konzern weggenommen wird, ihr Wald, aus dem sie sich seit Generationen zum Überleben versorgen mit dem Nötigsten wie eben Brennholz, Früchte, zur Jagd und zum Fischen. Und da kommt der „nachhaltige Forstinvestment-Konzern“ aus dem Ausland daher, pflanzt dort umweltschädliche Monokultur an, nur mit Eukylaptus, zerstört die Biodiversität des Waldes, laugt den Boden aus, sprüht wie wild mit Pestiziden um sich, beutet den Grundwasserspiegel aus und sperrt das Gelände obendrein durch Maschendrahtzaun und bewaffnete Sicherheitsleute ab. Das ist das, was vor Ort als Diebstahl wahrgenommen wird. Und die Kleinbauern müssen um ihr Überleben kämpfen.

Also: ich verstehe nicht, wie Sie hier von „nachhaltigem und grünem Investment“ reden können? Konkret frage ich Sie: An wieviel Hektar Eukalyptusplantagen (weltweit und bitte konkret auf den Fall Brasilien bezogen) haben Sie und Ihre Tochtergesellschaften direkt oder indirekt (Fonds, Zertifikate und ähnliches) Anteil? Lassen Sie sich diese Eukalyptusforstinvestments auch über den Clean-Development-Mechanismus vergüten? An wieviel Hektar Land insgesamt – aufgeteilt nach Ländern – halten Sie direkt oder indirekt (Fonds, Zertifikate und ähnliches) Anteile? Und bitte berichten Sie mir doch ausführlicher über Ihre Einschätzungen zur sozialen und ökologischen Lage der Eukalyptusplantagen des Phaunos Timber Funds.

Meine diesbezüglichen Fragen: An wie vielen Hektar Eukalyptusplantagen weltweit hat die Deutsche Bank und/oder ihre Tochtergesellschaften mittelbar oder unmittelbar Anteil? Und bitte auch hier interessiert mich die gleiche Zahl, runtergebrochen auf den Fall Brasilien.

Ich komme nun zum letzten Punkt: Bergbau.

Bei meiner Vorortrecherche in Brasilien bin ich auch den gesamten Rio Doce, von der Mündung bei Regência bis in die Gegend von Mariana, Bento Rodrigues, gereist und habe mir die Zerstörung des Flusses durch den Dammbruch der Samarco-Mine angeschaut, und mit den Flussanwohnern, den Fischern, den Indigenen gesprochen.

Bitte teilen Sie mir mit: Hielt oder hält die Deutsche Bank und/oder ihre Tochtergesellschaften Anleihen und führte sie Kreditgeschäfte mit der Firma Samarco? Hielt oder hält die Deutsche Bank und/oder ihre Tochtergesellschaften Anleihen, führte sie Kreditgeschäfte und/oder hat die Deutsche Bank und/oder ihre Tochtergesellschaften Anteile an den Unternehmen Vale und BHP Billiton, wenn ja, in welchem Umfange?

Und nun noch schnell den Gegencheck mit Ihrem „Environmental and Social Policy Framework“. Im Bergbausektor achten Sie laut Ihrem neuen Framework vor allem auf die folgenden Punkte:

  • contamination of water and soil
  • waste management
  • impacts on local ecosystems
  • workplace and community health and safety and
  • community consultation, especially where operations are close to tribal areas or places of worship.

Möchten Sie selbst bitte den cross-check dieser einzelnen Punkte in Bezug auf den Dammbruch der Samarco, der 680 km toter Flusslandschaft, der betroffenen indigenen Gemeinden, der über eine Million Menschen, die vom Trinkwasser abgeschnitten sind, vornehmen? Vielen Dank.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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