„Über 90 Prozent des Geldes ist nicht ökologisch oder sozial nachhaltig angelegt“: Rede von Barbara Happe

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Barbara Happe, ich arbeite für die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald und bin im Vorstand des Dachverbandes der kritischen Aktionär*innen.

In diesem Kontext beobachten und analysieren wir auch seit vielen Jahren die Leistungen der Deutschen Bank und der DWS aus ökologischer und sozialer Perspektive.

Und: wir waren gespannt auf die „neue“ etwas eigenständigere DWS. Wie heißt es so schön bei Hermann Hesse: „Jedem Neuanfang wohnt ein Zauber inne.“

Der Zauber, etwas anders zu machen, sich neu aufzustellen und bestimmte Altlasten hinter sich zu lassen.

Und tatsächlich fällt hier heute auf, dass das Thema Nachhaltigkeit deutlich häufiger genannt wird als bei der Hauptversammlung der Deutschen Bank. Sie betonen, dass Nachhaltigkeit ein Kernwert für Sie ist und eine zentrale Richtschnur für Ihr Handeln.

Das hört sich auf den ersten Blick ganz gut an – ALLEIN die aktuellen Zahlen zeigen diese „andere“, neu und nachhaltiger aufgestellte DWS nicht.

Erst ca. 7% Ihres Anlagevermögens wird nachhaltig gemanagt.

Das heißt im Umkehrschluss: noch immer wird über 90% des Geldes nicht ökologisch oder sozial nachhaltig angelegt. Das ist zu wenig!

Herr Wöhrmann, Sie haben eben von einem gesellschaftlichen Wandel und Ruck gesprochen, der beim Thema nachhaltige Geldanlage zu sehen ist. Das gebe ich jetzt gerne an Sie zurück: Es muss auch ein Ruck durch die DWS gehen. Sie müssen schnell und verbindlich Antworten geben auf die drängenden Herausforderungen unserer Zeit. Und diese Antwort darf nicht weiter lauten, wie Sie es eben in Ihrer Einstiegsrede gesagt haben, dass es primär darum geht, für die Kunden Mehrwert zu schaffen, „egal welche Anlagen sie wollen“.

Sie müssen handeln! Jetzt!

Beispiel Klima:

Allgegenwärtig und auch im Nachhaltigkeitsbericht der DWS omnipräsent ist die Gefahr des Klimawandels und im Fokus stehen die CO2-intensiven Industrien. Kohlefirmen werden zum Beispiel aus den aktiv gemanagten Nachhaltigkeitsfonds ausgeschlossen, wenn sie 25% ihres Umsatzes mit diesem Rohstoff generieren.

Allein auch hier gilt: im Kerngeschäft sind solche Schwellenwerte noch nicht angekommen.

So finden sich auch alle Schwergewichte der Kohleindustrie in den üblichen DWS-Produkten: Unternehmen, die trotz Klimakrise noch neue Kohlekraftwerke bauen wollen, wie Indiens NTPC oder die südafrikanische Eskom. Außerdem investieren DWS-Kund*innen weiter in Europas Kohlegiganten, allen voran dem größten CO2-Emittenten des Kontinents: RWE. Aber auch in den polnischen Kohleriesen PGE und die tschechischen CEZ (Tschez).

Im letzten Bericht des Weltklimarates wurde klar darauf hingewiesen, wie dringend eine schnelle Reduktion von Treibhausgasen ist. Längst ist klar, dass keine neuen Kohlekraftwerke oder -minen mehr entstehen dürfen, und Kohlekraft in Europa bis 2030 stillgelegt werden muss. Die Fridays for Future-Bewegung zeigt, dass die junge Generation weiß, was sie will: eine 1,5 Grad Welt, in der der Klimawandel noch beherrschbar und ein Leben möglich ist.

Die DWS setzt auf ESG-Mainstreaming. Viel Zeit bleibt angesichts des Klimawandels jedoch nicht, um die gesamte Produktpalette klimafreundlich zu gestalten. Darum appellieren wir an Sie, jetzt in der Branche der Asset Manager voranzugehen, und für die selbst aufgelegten Fonds ein klares Enddatum für Kohleinvestitionen zu setzen, welches in Europa nicht später als 2030 und global nicht später als 2040 sein darf. Wenn die DWS weiter ungesteuert in Kohlefirmen investiert, macht sich mit schuldig am Verfehlen der Klimaziele.

Unsere Frage dazu: Planen Sie, ein klares Enddatum für Kohleinvestitionen für aktiv von Ihnen gemanagte Fonds festzulegen? Wenn ja, wie sieht der Ausstiegsplan aus? Wenn nein, warum machen Sie das nicht?

Beispiel Rüstung

Wir leben nicht nur in einer Zeit des Klimawandels, sondern auch in einer Zeit zunehmender militärischer Auseinandersetzungen weltweit. Vor diesem Hintergrund ist es dringend notwendig, auch als Vermögensverwalter Farbe zu bekennen und einer hemmungslosen Aufrüstung den Riegel vorzuschieben.

In den Nachhaltigkeitsfonds der DWS gilt vielfach „Null Toleranz“ für die Rüstungsindustrie. In den gängigen, herkömmlichen Publikumsfonds Ihres Hauses wie DWS Top Dividende oder DWS Deutschland oder DWS Vermögensbildungsfonds – um nur einige zu nennen – finden sich jedoch noch immer rücksichtslose Rüstungsgrößen wie BAE Systems, wie Airbus, wie Raytheon.

Unternehmen, die Atomwaffen herstellen, an kriegführende Länder liefern und die Despoten dieser Welt aufrüsten. Unternehmen, deren Produkte mit dafür sorgen, dass Länder in nicht endenden Kriegen zu Grunde gehen, ganze Landstriche in Schutt und Asche gebombt werden und unschuldige Zivilist*innen sterben.

Wie aktuell im Jemen: Die u.a. von Airbus und BAE Systems hergestellten Eurofighter sorgen aktuell für so manche Kontroverse, da sie von Saudi-Arabien und seinen Verbündeten seit vier Jahren im Krieg im Jemen eingesetzt werden. Die UN bezeichnet diesen Krieg als „die aktuell größte menschengemachte Katastrophe weltweit“. Die knapp 20.000 Luftangriffe sind für Tausende tote Zivilst*innen und eine in Trümmer liegende Infrastruktur verantwortlich.

Kurze Frage: Wir rechtfertigen Sie, dass Unternehmen, die ohne jeden Skrupel in Kriege und Kriegsregionen exportieren, immer noch in den „Verkaufsschlagern“ Ihres Hauses landen? Es ist zwar nicht illegal, in diese Unternehmen zu investieren, d. h, aber noch lange nicht, dass es ethisch korrekt oder legitim ist.

Sie schreiben im Nachhaltigkeitsbericht, Sie wollen sich von Ihren Wettbewerbern positiv abheben. Dann tun Sie das bitte. Es gibt bereits international zahlreiche Institutionen, die bei den Themen Rüstung und Kohle für alle ihre Produkte – und nicht nur für die Nachhaltigkeitsprodukte – Ausschlusskriterien anwenden.

Und auch in Deutschland bewegt sich was: So hat Union Investment unlängst getitelt: „Ausschluss ist die beste Verteidigung“ – und erklärt, Atomwaffenhersteller bis Ende diesen Jahres aus all ihren Publikumsfonds auszusortieren. In deutschen Publikumsfonds der Allianz sind ebenfalls keine Atomwaffenhersteller mehr zu finden. Auch die Deutsche Bank hat unlängst ihre Richtlinie zu kontroversen Waffen geschärft und erklärt, kein direktes Geschäft mehr mit Unternehmenseinheiten tätigen zu wollen, die einen Bezug zu kontroversen Waffen wie Atomwaffen haben.

Fragen:

Wie hält es nun die DWS? Inwiefern plant sie, Atomwaffenhersteller im Zuge des ESG-Mainstreamings aus allen Publikumsfonds auszusortieren?

Inwiefern gedenkt die DWS, darüber hinaus Rüstungsfirmen auszuschließen, die ihre Güter in Kriegsgebiete liefern, die dann für den Tod von unschuldigen Zivilisten verantwortlich sind? Inwiefern haben die Exportrestriktionen der Bundesregierung Richtung Saudi-Arabien auch Auswirkungen auf Investmententscheidungen Ihres Hauses?

Anfang 2019 hat die DWS einen offenen Brief mit gezeichnet, in dem namhafte Fondsanbieter, Banken und Vermögensverwalter die Indexanbieter auffordern, kontroverse Waffenproduzenten aus den großen Börsenindizes zu entfernen. Wie waren die Reaktionen auf diesen Brief? Welche nächsten Schritte sind da zu erwarten? Sind Indexanbieter hier handlungsbereit, zumal sich die Zahl der Studien häuft, die besagen, dass eine Nichtberücksichtigung derartiger ESG-Kriterien einer Verletzung der Treuhänderpflicht gleichkommt?

Werte DWS-Vorstandsmitglieder, liebe Aktionär*innen, seien Sie konsequent und streiten Sie für eine „bessere“ und wirklich nachhaltigere DWS: ohne Klimakiller und Kriegstreiber im Portfolio. Das wäre eine wirklich gute Investition in unsere gemeinsame Zukunft!

Und so möchte ich auch mit Hermann Hesse schließen: „Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen“ und ist bereit, den (Über-) „Lebensruf“ zu hören.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://www.kritischeaktionaere.de/dws/ueber-90-prozent-des-geldes-ist-nicht-oekologisch-oder-sozial-nachhaltig-angelegt-rede-von-barbara-happe/