Hauptversammlungen und Aktionärsrechte in der Corona-Krise

Wir versuchen Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ) zu geben.

Sind nun virtuelle (digitale) Hauptversammlungen ohne Präsenz möglich?
Ja. Das gerade in Kraft getretene Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht erlaubt es Aktiengesellschaften, ihre Hauptversammlungen auch ohne die physische Präsenz von Aktionär*innen durchzuführen. Dies gilt allerdings nur für Hauptversammlungen, die in diesem Jahr stattfinden.

Gibt es noch ein Fragerecht?
Ja, aber es ist deutlich eingeschränkt worden. Das neue Gesetz räumt dem Vorstand die Möglichkeit ein, Fragen elektronisch bis spätestens zwei Tage vor der Hauptversammlung entgegenzunehmen.

Gibt es noch ein Rederecht?
Nein, das klassische Rederecht, bei dem man sich über eine Wortmeldung zur Rede anmeldet, gibt es bei der virtuellen Hauptversammlung nicht. Es liegt im Ermessen der Gesellschaften, ob sie zusätzlich zu den vorab eingereichten Fragen zusätzliche Nachfragen während der Hauptversammlungen zulassen.

Gibt es noch ein Auskunftsrecht im bisher üblichen Rahmen?
Nein. Der Vorstand bzw. die Verwaltung müssen nicht mehr alle Fragen beantworten. Dies soll nur noch „nach pflichtgemäßem Ermessen“ geschehen. Dabei können Fragen ausgewählt und solche von Aktionärsvereinigungen und institutionellen Investoren „mit bedeutenden Stimmanteilen“ bevorzugt werden.
Noch ist nicht abzusehen, wie die Konzerne diese neuen Freiheiten umsetzen werden.

Wie kann ich eine virtuelle Hauptversammlung verfolgen?
Die gesamte Hauptversammlung muss in Bild und Ton (als Livestream im Internet) übertragen werden. Die bislang bei vielen Gesellschaften praktizierte Beschränkung der Live-Übertragung auf die Berichte von Vorstand und Aufsichtsrat genügt nicht. Auch Generaldebatte und Abstimmung müssen danach übertragen werden. In der Regel wird Aktionär*innen von der Gesellschaft der Online-Zugang mitgeteilt.

Finden 2020 keine Hauptversammlungen als Präsenzveranstaltungen statt?
Noch prüfen viele Konzerne ihre Optionen. Immer mehr Konzerne wie Bayer, BASF, Allianz, Münchener Rück, Deutsche Bank, Rheinmetall und die Commerzbank werden eine reine Online-Hauptversammlung durchführen. Etliche andere größere Konzerne wie Daimler, RWE oder Volkswagen haben ihre Hauptversammlungen verschoben und geben in den nächsten Wochen neue Termine bekannt. Ob diese als reine Online-Hauptversammlungen oder auch als Präsenz-Veranstaltungen durchgeführt werden, hängt auch vom Verlauf der Corona-Pandemie und behördlichen Auflagen ab. Bitte schauen Sie auch direkt auf den Internetseiten der Unternehmen oder in unserer Übersicht nach.

Kann ich dem Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre oder einer anderen Aktionärsvereinigung noch meine Stimmrechte übertragen?
Ja. In der Einladung bzw. den Informationen zur Hauptversammlung, welche Sie entweder direkt vom Konzern oder von Ihrer Depotbank erhalten, können Sie uns Ihre Stimmrechte übertragen – mit oder ohne Weisung. Dazu gibt es in etlichen Fällen auch ein entsprechendes Online-Portal, ansonsten schicken Sie das Formular gerne auch postalisch an:
Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre
Postfach 30 03 07, 50773 Köln

Wo finde ich eine Übersicht mit neuen Terminen der Hauptversammlungen?
Hier finden Sie unsere Übersicht. Wir versuchen, diese möglichst aktuell zu halten.

Wird es anlässlich von Hauptversammlungen noch Protest geben?
Ja. In welcher Form, dazu stimmt sich der Dachverband mit seinen Mitgliedsorganisationen und Kooperationspartnern ab und informiert dazu auf seiner Website, in seinem Newsletter und in den sozialen Medien.

Können Gegenanträge wie üblich eingereicht werden?
Ja. Hier bleibt die Regelung bestehen, dass Gegenanträge zu Tagesordnungspunkten 15 Tage vor dem Termin der Hauptversammlung zu den üblichen Bedingungen eingereicht werden.  Der Dachverband wird wie gewohnt Gegenanträge einreichen und diese auf seiner Website veröffentlichen.

Was macht der Dachverband in Corona-Zeiten?
Der Dachverband muss derzeit wie andere Organisationen auch alle Veranstaltungen absagen bzw. verschieben. Wir nutzen jedoch alle anderen Möglichkeiten wie Video- und Telefonkonferenzen, um uns mit unseren Mitgliedsorganisationen und Projektpartnern auszutauschen. Unsere haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen machen ihre Arbeit zum Teil in der Geschäftsstelle des Dachverbands oder von ihrem Home Office.
Wir kümmern uns wie gewohnt um Klima- und Umweltschutz, Menschenrechte und soziale Rechte. Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, dass auch in Zeiten von Corona unsere Aktionärsrechte so weit wie möglich erhalten bleiben.

Wird der Dachverband Corona-spezifische Themen ansprechen/thematisieren?
Ja. Wir müssen davon ausgehen, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie Gesellschaften härter treffen, deren Gesundheitssystem weniger gut ausgebaut ist als das in Deutschland. Konzerne, die Rohstoffe aus den Ländern des Globalen Südens beziehen oder dort ihre Produktions- und Absatzmärkte haben, müssen in Zukunft stärkere Anstrengungen unternehmen, die Arbeits- und Lebensbedingungen dort zu verbessern.

Was sollten Konzerne in der Corona-Krise tun?
Börsennotierte Unternehmen, die für sich und ihre Belegschaft staatliche Hilfe in Anspruch nehmen, müssen die Vergütungen ihrer Vorstände halbieren und Boni streichen. Sie sollten außerdem überprüfen, ob sie in diesem Jahr die Dividende ganz ausfallen lassen oder zumindest kürzen.  

Haben Sie weitere Fragen?
Bitte senden Sie diese an dachverband[at]kritischeaktionaere.de

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  1. […] Auch im Gesellschaftsrecht zeigt sich, dass Online-Lösungen „analogen“ Austausch nicht immer gleichwertig ersetzen können. Gerade bei Aktiengesellschaften kann die Zivilgesellschaft durch den Erwerb von Aktien und Teilnahme an Hauptversammlungen intern Kritik an den Geschäften großer Konzerne üben. Diese Proteste werden derzeit faktisch beschnitten. Der Gesetzgeber hat virtuelle Hauptversammlungen gesetzlich ermöglicht, in denen Fragen vorab elektronisch vorzulegen sind. Dies schränkt das umfassende Frage- und Auskunftsrecht nach § 131 des Aktiengesetzes erheblich ein und erschwert eine wirkungsvolle Kritik von Anteilseignern auf Hauptversammlungen. Dies beklagen etwa kritische Aktionäre des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall. […]

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