„Weichen Sie Ihre Grüne-Länder-Strategie auf?“: Rede von Tilman Massa

Rede von Tilman Massa auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Heckler & Koch AG am 19.12.2019 in Rottweil
(Es gilt das gesprochene Wort.)

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats,

mein Name ist Tilman Massa, ich spreche für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Mit den uns übertragenen Stimmrechten setzen wir uns Schutz der Menschenrechte und der Umwelt ein. Bei Ihrem Unternehmen setzen wir uns im Namen etlicher Kleinaktionär*innen neben dem Einhalt der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten für ein Ende von Waffenexporten in Konfliktregionen und menschenrechtsverletzende Staaten ein.

1. Thema: Zusammensetzung Aufsichtsrat und Verkauf
Sie werden sich sicher fragen, dass diese Themen doch gar nicht auf der heutigen Tagesordnung stehen, schließlich geht es um die personelle Erweiterung und Vergütung des Aufsichtsrats. Doch unsere Themen stehen in direktem Zusammenhang mit der strategischen Ausrichtung von Heckler & Koch und damit auch mit der aktuellen und zukünftigen personellen Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Ich habe daher Fragen zur möglichen zukünftigen Zusammenarbeit des Vorstands und Aufsichtsrats mit Herrn Heeschen. Von Ihren Antworten werden wie unser Abstimmungsverhalten zu den Tagesordnungspunkten abhängig machen.

Wie stehen Vorstand und Aufsichtsrat zu dem ergänzten Tagesordnungspunkten 2 und 3, mit dem Mehrheitsaktionär Andreas Heeschen ein zusätzliches Aufsichtsratsmitglied zu wählen? Was erwarten Sie von der zukünftigen Zusammenarbeit?

Wie stehen Vorstand und Aufsichtsrat zu dem ergänzten Tagesordnungspunkten 4 und 5 der Compagnie de Developpement de l’Eau (CDE), die Aufsichtsratsmitglieder Harald Kujat und Martin Heiner Sorg abzuberufen?
Zurzeit prüft das Bundeswirtschaftsministerium den möglichen Unternehmensverkauf bzw. den entsprechenden Erwerbsvorgang. Medien berichten national wie international über unklare Besitzverhältnisse und drohenden Verkauf.

Welche Verkaufs- bzw. Erwerbspläne der Heckler & Koch AG sind dem Vorstand und Aufsichtsrat aktuell bekannt und werden diese von Ihnen unterstützt?
Welche Verkaufs-bzw. Erwerbsabsichten waren dem Vorstand und Aufsichtsrat in der Vergangenheit bekannt?

Potentielle Käuferin ist die CDE, die hier nun auch mit Anträgen zur Tagesordnung in Erscheinung getreten ist. Wir fürchten durch den Verkauf einen Technologietransfer in Bezug auf Ihre Waffensysteme, durch den weitere Kriegs- und Menschenrechtsverletzungen ermöglicht werden. Daher sehen wir den möglichen Eigentümerwechsel sehr kritisch.
In ihrer aktuellen Pressemitteilung schreiben Sie, durch einen möglichen Wechsel „keine Änderung der strategischen Ausrichtung zu erwarten“ sei.
Könnten Sie aber einen Technologietransfer nach einem Verkauf ausschließen?
Laut Bilanzprüfung besteht bei Heckler & Koch ein „bestandsgefährdendes Risiko”. Wie schätzen Vorstand und Aufsichtsrat aktuell dieses Risiko ein?
Wie hoch ist der Schuldenberg aktuell und wie hat er sich gegenüber der letzten Hauptversammlung geändert?

Es gibt unterschiedliche Angaben über die Anzahl der Aktien: über 21. Mio. (laut Angaben Auslage letzte Hauptversammlung) oder 27.640.920 (laut onvista.de). Welches ist nun die korrekte Anzahl?

2.  Thema menschenrechtliche Sorgfaltspflichten
Sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat, internationale Vereinbarungen wie die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) fordern Sie auf, mit gebotener Sorgfalt darauf zu achten, dass Ihre Geschäftsaktivitäten nicht zu Menschenrechtsverletzungen führen. Wir sehen jedoch: von Ihnen entwickelte und in Saudi-Arabien in Lizenz gefertigte G3- und G36-Gewehre gelangten vielfach ins Kriegsgebiet im Jemen. Mit den Heckler & Koch-Sturmgewehren wird im Jemen-Krieg tagtäglich gemordet.

Sie haben nicht nur eine besondere unternehmerische Verantwortung, dass Ihr Handeln nicht zu Menschenrechtsverletzungen führt. Wenn Sie Ihre Waffen international verkaufen, müssen Sie unternehmerische Mitschuld an Menschenrechtsverletzungen bzw. Beihilfe zum Mord ausschließen können. Mit ihrem neuen „Ethik- und Verhaltenskodex im Geschäftsleben“ und der „Grünen-Länder-Strategie“ sind erste Schritte zur Wahrnehmung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten gemacht.

Erfüllt Heckler & Koch vollständig die Anforderungen der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) an unternehmerisches Verhalten?

Können Sie sicherstellen, dass ihr neuer „Ethik- und Verhaltenskodex im Geschäftsleben“ diese UN-Standards abdeckt?
Es reicht nicht aus, nur bestimmte Länder nicht mehr zu beliefern. Sie müssen nachweislich sicherstellen und kontrollieren, dass Ihre Zulieferer wie Kunden nicht in Menschenrechtsverletzungen involviert sind.

Ihre Geschäftstätigkeit haben Sie bisher freiwillig reguliert, dies können Sie aber jederzeit wieder ändern – vor allem jetzt, wenn so viel Unklarheit über die Zukunft des Unternehmens besteht. Bisher hat auch die Bundesregierung darauf gesetzt, dass Unternehmen ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten freiwillig nachkommen. Da dies erwiesenermaßen nicht der Fall ist, erarbeiten die Minister Hubertus Heil und Gerd Müller zurzeit Grundsätze, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten gesetzlich zu regeln, einschließlich klarer Haftungsregeln.

Sprechen Sie sich für eine gesetzliche Regulierung unternehmerischer Sorgfaltspflichten aus, auch im Ausland Menschenrechte und Umweltstandards zu achten?

Aus unserer Sicht würde ein solches Gesetz Ihnen ausreichend Anreiz geben, Ihre „Grünen-Länder-Strategie“ konsequent umzusetzen. Mehr noch: Sie könnten schon jetzt einen wichtigen Wettbewerbsvorteil  und erheblich geringer Rechtsrisiken gegenüber anderen Waffenherstellern haben – nicht nur in Deutschland, denn sowohl auf europäischer als auch internationaler Ebene werden ähnliche Regulierungen diskutiert.

Doch wir haben Grund zur Sorge, dass Sie alles andere tun, als Ihre „Grüne-Länder-Strategie“ umzusetzen, und das führt mich zu meinem letzten Punkt und dem Gegenantrag, den ich nun stellen und begründen werde.

3.  Thema: Gegenantrag, „Grüne-Länder-Strategie“ und Vergütung
Ihr Aktionär und unser Mitglied Jürgen Grässlin hat einen Gegenantrag zum Tagesordnungspunkt 1 eingereicht. Da Herr Grässlin heute nicht an der Hauptversammlung teilnehmen kann, hat er mich beauftragt, seinen Gegenantrag hier zu stellen, dies tue ich hiermit. Der Gegenantrag sieht vor, die Vergütung des Aufsichtsrates einzustellen.

Die Gründe, weshalb wir Kritischen Aktionär*innen bisher neben dem Vorstand auch den Aufsichtsrat nicht entlastet haben, begründen auch den Gegenantrag, die Arbeit des Aufsichtsrats nicht mehr zu vergüten.

So sehr wir Ihre „Grünen-Länder-Strategie“ als weitgehenden Wandel beim Thema Waffenexporte begrüßen, so verbittert sind wir darüber, dass der Aufsichtsrat hier nichts gegen entscheidende Aufweichungen unternimmt. Dabei war doch Ihre Botschaft zu Beginn eindeutig: Nur noch Waffenexporte an EU- und Nato-Staaten (minus Türkei).

Nun ist es aber offenbar wieder offen, welche Länder von Ihnen als „grün“, also „unbedenklich“ eingestuft werden, wenn beispielweise Indonesien oder Malaysia beliefert werden können.

Können Sie uns einen transparenten Kriterienkatalog nennen, nach dem Sie nun Ihre Entscheidungen treffen, welche Länder Sie als „bedenklich“ und welche Sie als „unbedenklich“ einstufen?

Wir fordern: Wenn die Menschenrechte in einem Land verletzt werden, sei es durch staatliche oder nicht-staatliche Akteur*innen, so darf dieses Land keine Waffen von Ihnen erhalten.

Auch wenn Ihre „Grüne-Länder-Strategie“ an sich kein Garant für Verstöße gegen Endverbleibserklärungen ist, erhöht jede Aufweichung de facto die Wahrscheinlichkeit, dass Ihre Produkte besonders gravierende Menschenrechtsverletzungen überhaupt erst ermöglichen.

Nur ein Beispiel aus Brasilien, das sie ja momentan nicht beliefern. Wir können aber nicht ausschließen, dass Sie nicht über Nacht Brasilien doch wieder zu einem „grünen“ Land erklären, um an die lukrativen Aufträge der Regierung Bolsonaro zu gelangen.

Letztes Jahr, am 14. März, wurde die Abgeordnete des Stadtparlaments von Rio de Janeiro, Marielle Franco, von Kriminellen ermordet, weil sie effektiv gegen Korruption und Gewalt vorgegangen war und die kriminellen Geschäfte bedrohte. Die Staatsanwaltschaft in Rio ermittelt momentan gegen den Sohn von Präsident Bolsonaro wegen des Verdachts, dass dieser zu dem Kreis der Auftragsgeber des Mordes zählt. Die Tatwaffe, mit der Marielle Franco durch vier Kopfschüsse starb: eine MP5 von Ihnen.

Nach welchen Kriterien wurde Brasilien von Ihnen als „bedenklich“ eingestuft, sodass momentan keine Lieferungen stattfinden?
Gab es hier bestimmte Aussagen, politische Entscheidungen etc., die diese Entscheidung maßgeblich beeinflusst haben, oder wäre die „Grüne-Länder-Strategie“ hier auch unabhängig von der aktuellen Regierung angewandt worden?
Könnte Brasilien wieder als „grünes Land“ gelten und falls ja, unter welchen Bedingungen?

Jürgen Grässlin begründet seinen Gegenantrag explizit damit, dass der Aufsichtsrat diese Aufweichung der „Grünen-Länder-Strategie“ mitträgt.

Aber wir sind nicht die einzigen, die momentan Kritik beim Thema Vergütung üben. Die IG Metall lässt derzeit untersuchen, ob Geschäftsführung, leitende Angestellte, Aufsichtsrat, Gesellschafter und Geldgeber tatsächlich auch einen vergleichbaren Beitrag zur Kostenreduzierung zu jenem der Beschäftigten leisten – wie zuvor zugesichert worden war. Beschäftigte arbeiten länger ohne entsprechenden Lohnausgleich.

Welche Maßnahmen eines „vergleichbaren Beitrages“ sind bisher umgesetzt, welche sind geplant?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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