Klimaschutz und menschenrechtliche Sorgfalt in Indonesien, Westsahara, Westjordanland: Unsere Fragen an den Vorstand

In unserem Gegenantrag zu TOP 3 kritisieren wir, dass der Vorstand nicht hinreichend seiner Verantwortung nachkommt, wirksamere Maßnahmen für den Klimaschutz umzusetzen und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten einzuhalten.

Zum Thema menschenrechtliche Sorgfaltspflicht:

Es ist nicht ersichtlich, wie HeidelbergCement die Anforderungen der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) an unternehmerisches Verhalten erfüllt. Es scheint nicht ausreichend dokumentiert zu werden, wie und ob Menschenrechtsrisiken identifiziert, bewertet und minimiert werden. Die Folge: HeidelbergCement hält an Projekten und Beteiligungen mit erheblichen Menschenrechtsrisiken fest.

  1. Wie wird der Vorstand sicherstellen, die Anforderungen der UN-Leitprinzipien vollumfänglich zu erfüllen?
  2. Haben Sie eine Ethikkomission, einen Nachhaltigkeitsrat oder ein ähnliches Gremium, die zwischen gesetzlich legitimen und moralisch vertretbaren Entscheidungen unterscheidet?
  3. Welche Mechanismen überprüfen die Einhaltung der Menschenrechte und Klimaziele?
  4. Wie wollen Sie für mehr Diversität im Unternehmen und Vorstand sorgen?

Fragen zu Geschäftstätigkeiten in Westsahara und Ciments du Maroc:

HeidelbergCement ist weiter Mehrheitseigentümer des marokkanischen Unternehmens Ciments du Maroc, das nur wenige Kilometer außerhalb der Hauptstadt Westsaharas eine Zementfabrik betreibt. Seit Mai 2020 kontrolliert Ciment du Maroc nun mit der Übernahme von Cimenteries Marocaines du Sud (CIMSUD) eine weitere Zementfabrik in der Nähe.

  1. Auf welcher Rechtsgrundlage stützt sich HeidelbergCement bzw. Ciment du Maroc in den besetzen Gebieten der Westsahara, wenn dort wirtschaftliche Tätigkeiten gegen das Völkerrecht sowie gegen die Regeln der Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union oder des Europäischen Gerichtshofs verstoßen?
  2. Welche ethischen Standards wenden Sie in Ihrer Tätigkeit an, wenn in den Berichten internationaler Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch, Front Line und dem Robert Kennedy Center schockierende Berichte über die Menschenrechtssituation in den besetzten Gebieten der Westsahara beschrieben sind, in der systematisch die ursprüngliche Bevölkerung des Landes zum Wohle der marokkanischen Siedler marginalisiert und diskriminiert wird?
  3. Ist Ihnen bewusst, dass die Ausübung wirtschaftlicher Aktivitäten in einer Region, in welcher der Kolonialismus nicht beseitigt worden ist und die ohne Zustimmung der ursprünglichen Bewohner unter der Autorität eines Besatzers steht, ein klarer Verstoß gegen die Empfehlungen der Bundesregierung in Bezug auf die Westsahara einerseits und andererseits eine Verlängerung des Leidens der Saharauis darstellt, indem die marokkanische Siedlungs- und Besatzungspolitik unterstützt wird?
  4. Denken Sie, dass die finanzielle Rendite Ihres Unternehmens den Verstoß gegen das Völkerrecht und die Bestimmungen der europäischen Justiz rechtfertigt und gegen rechtliche und moralische Verpflichtungen im Zusammenhang mit den Menschenrechten in den besetzten Gebieten der Westsahara verstößt?
  5. Ist sich der Vorstand bewusst, dass HeidelbergCement bzw. Ciment du Maroc durch die Bereitstellung von Grundmaterial für den Bau der Infrastruktur direkt die illegalen Annexions- und Siedlungspraktiken Marokkos unterstützt werden, die vom Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages als Verletzung der Vierten Genfer Konvention und deren Erstes Zusatzprotokoll eingestuft worden sind?
  6. Inwiefern hat HeidelbergCement in den bisherigen Prüfungen der Geschäftstätigkeiten in Marokko und den besetzen Gebieten der Westsahara Aspekte des Völkerrechts und des Internationalen Rechts beachtet? Wenn ja, welche genau? Wenn nicht, warum nicht?
  7. Wer hat das bisherige Audit durchgeführt?
  8. Wird das Ergebnis des bisherigen Audits dem saharauischen Volk zur Verfügung gestellt?
  9. Werden in Zukunft bei Prüfungen Aspekte des Völkerrechts und des internationalen Rechts beachtet?

Fragen zu Geschäftstätigkeiten in Indonesien und Indocement:

Das indonesische Tochterunternehmen Indocement verfolgt weiter das Projekt, in Zentraljava eine Zementfabrik im Karstgebirge zu errichten und für Zement benötigte Ressourcen abzubauen.

  1. Die von der indonesischen Regierung in Auftrag gegebene strategische Umweltprüfung (special impact assessment, KLHS) kommt zu dem Ergebnis, dass am Kendeng-Gebirge kein Bergbau betrieben werden sollte, sondern weitere Schritte zum Schutz des fragilen Karst-Ökosystems unternommen werden sollten. HeidelbergCement und auch Indocement geben an auf eine nachhaltige Produktion abzuzielen. Laut Aussage von HeidelbergCement gewährleistet Indocement, dass der gesamte Betrieb keine nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt habe. Müsste demnach nicht das Projekt am Kendeng-Karst-Gebirge gestoppt werden?
  2. Dieses Projekt wird den Lebensunterhalt, die Kultur sowie die Umwelt der lokalen Bevölkerung irreversibel schädigen, einschließlich der indigenen Gemeinschaften der Samin. Es wird die Wasserquellen zerstören, auf die die Gemeinden für ihre Existenzsicherung angewiesen sind und die Landwirtschaft der lokalen Bäuerinnen und Bauern ruinieren. HeidelbergCement wird seit vielen Jahren von lokalen sowie internationalen Aktivist*innen darauf aufmerksam gemacht, dass der Bergbau am Kendeng-Gebirge das Land des saminischen Volkes, das ihnen heilig ist, vernichtet. Wir sehen die UN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte verletzt. Außerdem wurden die FPIC(free prior and informed consent)-Prinzipien nicht umgesetzt und somit die UN- Leitprinzipien zum Schutz Indigener missachtet. Teilen Sie diese Auffassung bzw. wie stellen Sie sicher, dass die UN-Leitprinzipien in diesem Fall geachtet werden?
  3. Angesichts der vorhergegangenen Informationen und Fragen: Inwiefern sehen Sie die OECD-Richtlinien für multinationale Konzerne und Ihrer Verantwortung auch für ihre Tochterunternehmen am konkreten Beispiel des Kendeng-Karst-Gebirges und den Plänen von Indocement umgesetzt?
  4. In Indonesien gab es bereits vor der Coronakrise eine Überproduktion an Zement, weshalb die Produktion in ihrem bestehenden Werk in Citeureup (Westjava) in der Vergangenheit bereits gedrosselt wurde. Nun kam es – bedingt durch COVID-19 – zu einem weiteren Nachfragerückgang. Indonesische Medien berichten, dass Indocement deshalb sieben der zehn Ofenlinien in Citeureup (Westjava) geschlossen habe. Halten Sie – auch vor diesem Hintergrund – an den Bauplänen für eine neue Fabrik in Pati fest und falls ja, warum?

Fragen zu Geschäftstätigkeiten im Westjordanland und Hanson Israel:

Entgegen bisheriger Ankündigungen ist HeidelbergCement über Hanson Israel weiter an Geschäftstätigkeiten in der Westbank beteiligt. Die Nichteinhaltung des Völkerrechts sowie die Besatzungsökonomie in dem von Israel besetzten Westjordanland werden weiterhin unterstützt, z.B. durch Materiallieferungen in die illegalen israelischen Siedlungen. Der völkerrechtswidrige Abbau von Ressourcen auf Kosten der palästinensischen Bevölkerung wird fortgesetzt.

  1. Im Februar dieses Jahres veröffentlichte das UNO-Büro des Hochkommissariats für Menschenrechte eine Datenbank mit Unternehmen, die an israelischen Siedlungen und damit zusammenhängenden Aktivitäten beteiligt sind, einschließlich der „Nutzung natürlicher Ressourcen“ aus dem besetzten palästinensischen Gebiet „zu Geschäftszwecken“. HeidelbergCement betreibt den Steinbruch Nahal Raba, der natürliche Ressourcen für Geschäftszwecke aus dem besetzten palästinensischen Gebiet bezieht. Wie hat die UNO die Entscheidung, HeidelbergCement nicht in die Datenbank aufzunehmen, umfassend und vollständig erläutert?
  2. Seit mehreren Jahren versprechen Manager von HeidelbergCement auf den Hauptversammlungen, das Problem des Nahal Raba-Steinbruchs auf besetztem Gebiet zu lösen und kündigten vor kurzem Pläne zum Verkauf des Steinbruchs an. Der Steinbruch ist jedoch nach wie vor in Betrieb, und der Verkauf ist noch nicht abgeschlossen, da es Einwände gegen eine vorgeschlagene Erweiterung gibt, die den Wert des Steinbruchs durch die Nutzung von mehr Land und den Abbau von natürlichen Ressourcen der palästinensischen Bevölkerung vor Ort erhöhen würde. Werden Sie sich verpflichten, den Steinbruch bis Ende des Jahres zu schließen, wie Sie es auch bei den anderen Betonwerken in israelischen Siedlungen getan haben?
  3. Mehrere Jahre lang erklärte HeidelbergCement auf den Hauptversammlungen, dass Sie Ihre israelische Tochtergesellschaft Hanson klar angewiesen hätten, dass es ihr untersagt sei, Baumaterial in israelische Siedlungen in den besetzten Gebieten zu liefern. Können Sie bestätigen, wann diese Anweisung erstmals erteilt wurde und dass sie weiterhin in Kraft bleibt?
  4. Ist Ihnen bekannt, dass Ihre israelische Tochtergesellschaft Hanson sogar noch dieses Jahr mehrfach Baumaterialien an israelische Siedlungen geliefert hat?
  5. Welche Maßnahmen hat HeidelbergCement ergriffen, um künftige Lieferungen von Hanson an israelische Siedlungen zu stoppen und die Verantwortlichen für frühere Lieferungen zu disziplinieren bzw. zur Verantwortung zu ziehen?

Fragen zu Klimaschutz und Klimazielen:

Nach RWE ist HeidelbergCement derzeit das klimaschädlichste Unternehmen im DAX. Wenn alle Unternehmen bis 2050 eine Klimabilanz wie die von HeidelbergCement hätten, würde sich das Klima laut der #WhatIf-Studie des Beratungsunternehmens Right um ganze 10,7 Grad Celsius erwärmen. Während andere energieintensive Unternehmen ambitionierte Klimaziele verfolgen, würde es bei der Umsetzung der bisherigen Klimaziele von HeidelbergCement immer noch auf eine Erderwärmung um 10,3 Grad Celsius hinauslaufen. Damit würde HeidelbergCement das klimaschädlichste Unternehmen im Dax werden.

Auch das aktuelle Ziel, bis spätestens 2050 CO2-neutralen Beton liefern zu können, reicht nicht für das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu limitieren. Die Prüfung der Klimaziele durch die Science Based Targets Initiative (SBTI) hat nur die Kompatibilität mit dem Minimalziel von 2 Grad für Scope 1 und 2 bestätigt.

  1. Wird der Vorstand Klimaziele und Maßnahmen verfolgen, die dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens gerecht werden?
  2. Wie stellen Sie in Zukunft sicher, dass Ihre Unternehmensentscheidungen mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar sind?
  3. Welches sind die konkret geplanten Treibhausgas-Reduktionen in den nächsten fünf, zehn, 15 und 20 Jahren?
  4. Werden auch Ziele für den Scope 3 der indirekten Treibhausgasemissionen festgelegt? Wenn ja, welche genau? Falls nicht, wieso nicht?
  5. Wie wird HeidelbergCement die sektorspezifischen Klimaziele erfüllen?
  6. Unterziehen Sie Projekte, die Sie mit unterstützen, einer Neuüberprüfung bezüglich ihrer Klimarisiken oder planen Sie dies zu tun?
  7. Ist Ihre Strategie zum Klimaschutz mit Ihrem geplanten CO2-neutralen Beton dazu geeignet, weiterhin bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und wie stellen Sie das sicher?
  8. Was sind die konkreten Maßnahmen, die nun eingeleitet werden, um CO2-neutralen Beton in Zukunft herstellen zu können?
  9. Wie sehen sie die Entwicklung des Unternehmens in Anbetracht der Tatsache, dass in Zukunft anstatt Zement vermehrt recycelte Baustoffe eingesetzt werden?
  10. Was bedeutet Klimagerechtigkeit für Sie?

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