„Wieso bitten Sie nicht um Erlaubnis?“: Rede von Khadja Bedati

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,

mein Name ist Khadja Bedati, ich spreche für die Saharauische Jugend und den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Im vergangenen Jahr an der Hauptversammlung habe ich bereits das Thema der Zementfabrik in den von Marokko besetzten Gebieten der Westsahara angesprochen.

Es ist lobenswert, Herr Dr. Scheifele, dass Sie sich für eine friedliche und einvernehmliche Lösung des Westsahara-Konflikts aussprechen. Sie haben anerkannt, dass Ciments du Maroc zwei Mahlwerke in dem Gebiet errichtet hat, deren völkerrechtlicher Status nicht geklärt ist, und, dass ein Referendum zur Klärung eben dieser Frage aussteht.

Sie wollten im September 2018 Ihre Mahlwerke in der Hauptstadt der besetzten Westsahara, El Aaiun, besuchen. Haben Sie dies getan? Wenn ja, zu welchen Entschluss kamen Sie?

Ich bin heute wieder hier, um Ihnen diese einfache Frage erneut zu stellen, und ich bitte um eine klare Antwort:

Warum haben Sie nicht um unsere Erlaubnis gebeten, die Erlaubnis des sahrauischen Volkes, auf unserem Land arbeiten zu dürfen? Warum kümmern Sie sich nicht darum, dass Ciments du Maroc diese Erlaubnis einholt?

Sie haben diese grundlegende Frage bisher nicht beantwortet. Wir verdienen eine Antwort. Mir ist bewusst, dass Ciments du Maroc ein eigenständiges börsennotiertes Unternehmen in Marokko ist. Sie als Vorstand haben jedoch eine klare Verantwortung gegenüber den Tätigkeiten von Ciments du Maroc, schließlich sind Sie Mehrheitseigentümer.

Mehr noch: Ende Februar haben Sie bekanntgegeben, nachdem Sie 7,8 Prozent der Aktien von Ciments du Maroc an marokkanische Investoren verkauft haben – außerbörslich. Sie halten aber weiterhin 54,6 Prozent.

Herr Dr. Scheifele, Sie haben dazu selbst gesagt, ich zitiere Sie:

„Ciments du Maroc ist ein strategisch wichtiger Bestandteil des Portfolios von HeidelbergCement und wir beabsichtigen, langfristig Mehrheitsaktionär zu bleiben.“

In Ihrem Streben nach dem Zugang zu Afrika haben Sie sich dabei wohl entschieden, die Situation der von Marokko besetzten Gebiete der Westsahara und damit das Völkerrecht zu ignorieren.

Daher frage ich Sie:

  • Haben Sie die Situation der besetzten Gebiete der Westsahara, insbesondere das Völkerrecht und die rechtlichen Risiken bei diesem Aktiengeschäft einbezogen? Wenn ja, zu welchem Schluss sind Sie gekommen?
  • Haben die beratenden Banken, BNP Paribas und BMCI, auf die problematischen Tätigkeiten von Ciments du Maroc, rechtliche Risiken und Reputationskosten hingewiesen?
  • Da Sie nun auch langfristig an Ciments du Maroc festhalten wollen: Wie werden Sie Ihrer maschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in Bezug auf die Tätigkeiten von Ciments du Maroc nachkommen? Werden Sie, wie es andere Unternehmen tun, ein Audit zur Prüfung durchführen?

Sollten zur Wahrung des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit nicht all solche Projekte in Gebieten gestoppt werden, bis die Frage über das rechtmäßige Eigentum an Land und Ressourcen friedlich und demokratisch geklärt ist?

Die Bundesregierung hat aus diesen Gründen deutlich gemacht, dass sie keine wirtschaftlichen Aktivitäten deutscher Unternehmen in der Westsahara unterstützt und auch keine Geschäfte über Exportkredit- und Investitionsgarantien absichert.

Wieso kann HeidelbergCement nicht aus den gleichen Gründen Ciments du Maroc anweisen, die Aktivitäten in den besetzten Gebieten ruhen zu lassen, bis die Landfrage geklärt ist?

Der zuständige UN-Sonderbeauftragte und Altbundespräsident Horst Köhler bemüht sich aufrichtig, den Konflikt durch Dialog zu lösen. Deutschland disqualifiziert sich aber als neutraler Vermittler, wenn Firmen im mehrheitlich deutschen Besitz den Status Quo des Konflikts festigen.

Meine Damen und Herren,

mein Land liegt in Nordwestafrika zwischen Marokko, Mauretanien und Algerien. „Sahara“ bedeutet im Arabischen „Wüste“, doch bietet unser Land mehr als Dürre und Sand: fischreiche Gewässer vor der Küste, Erdöl, Eisen, Gold und das zweitgrößte Phosphatvorkommen der Erde.

HeidelbergCement baut Mahlwerke in der besetzten Westsahara meinem Heimatland – einem Land, das ich noch nie gesehen habe. Wie so viele meiner Leute, die vor der gewaltsamen Invasion Marokkos und der anschließenden brutalen Besetzung fliehen mussten, bin ich in einem Flüchtlingslager in Algerien aufgewachsen. Die gesamte internationale Gemeinschaft erkennt unser Recht auf Selbstbestimmung an – unser Recht, den zukünftigen Zustand unseres Landes und seiner Ressourcen zu bestimmen. Aber Sie haben uns völlig ignoriert.

Sie argumentierten im vergangenen Jahr in Ihrer Antwort auf meine Rede, dass Sie Saharauis eingestellt haben und diese von der Arbeit in Ihren Mahlwerken profitieren.

Erzählen Sie dies den Saharauis, die lebenslang im Gefängnis sitzen, weil sie für unser Recht auf Selbstbestimmung eintreten oder weil sie gegen die Ausbeutung unserer Ressourcen durch Marokko protestieren – eine Ausbeutung, die durch die Mahlwerke von HeidelbergCement noch profitabler wird.

Gehen Sie hin und erzählen Sie meiner Familie, dass sie von Ihren Aktivitäten profitiert. Sie leben in einem Flüchtlingslager und warten auf einen friedlichen Ausgang des von den Vereinten Nationen geführten Prozesses, der immer wieder von Unternehmen wie HeidelbergCement, Siemens und Continental behindert wird, die sich entschieden haben, Marokko zu unterstützen und dabei unsere Existenz nicht einmal anerkennen.

Und gehen Sie hin und sagen es ihnen ins Gesicht, den Gefangenen und Flüchtlingen, wie Ihre Operationen zu deren Vorteil sind.

Der Wert des Phosphats von drei Schiffsladungen entspricht etwa der Höhe der humanitären Hilfe, die die saharauischen Flüchtlinge in einem Jahr erhalten. Dabei sind sie die rechtmäßigen Eigentümer der Rohstoffe. Die Gemeinden in den von Marokko besetzen Gebieten könnten sich selbst entwickeln, wenn sie über ihre Rohstoffe verfügen könnten.

Hier geht es nicht um unsere vermeintlichen Vorteile – es geht um Ihre.

Der Internationale Gerichtshof und der Gerichtshof der Europäischen Union sind sich einig: Die Westsahara ist nicht Teil von Marokko. Und als solches, so betonte der Europäische Gerichtshof, muss das Volk der Westsahara um seine Zustimmung gebeten werden, wenn es um die Ressourcen der Westsahara geht.

Mit dieser Art Engagement wird gegen internationales Recht verstoßen. Meine Damen und Herren, HeidelbergCement missachtet damit auch all die schönen, auf den Webseiten gemachten Versprechen in der Darstellung der eigenen Unternehmensstrategie.

Nun möchte ich Ihnen etwas mitteilen, und hoffe dabei, dass Sie intensiv darüber nachdenken, zum Beispiel auf dem Rückweg nach Hause. Ich möchte noch kurz über die Sicht der Jugendlichen sprechen. Wir waren 43 Jahre geduldig und mussten mit gebunden Händen ansehen, wie das Leben an uns vorbei geht und unser Land ohne unsere Mitbestimmung aufgrund von Profitstreben ausgebeutet wird.

Unsere Geduldsgrenze wurde überschritten. Wir werden nicht noch weitere 43 Jahre so leben wie bisher – seien Sie sich dessen sicher. Sie sitzen weit weg in gut ausgestatteten Büros in Heidelberg, Sie können sich nicht vorstellen, was es heißt, direkt betroffen zu sein.

Wir verlangen nicht viel von der Europäischen Union oder von HeidelbergCement. Was wir wollen ist, dass Europa oder HeidelbergCement keine Verträge mit Marokko auf unsere Kosten abschließen.
Mehr nicht, aber auch nicht weniger.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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