Rede von Christian Russau

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Christian Russau. Ich bin Vorstandsmitglied des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Wir müssen leider erneut und drängender denn je reden: Reden über das, was in Ihrem Hafen so umgeschlagen wird, sei es exportiert oder importiert. Wie im letzten Jahr geht es in Ihrem Jahresbericht nur um Zahlen, Frachtquoten und -raten und Sie reden gleichsam berauscht von Umsatz, Bilanz und Gewinn. Reden wir stattdessen also über den Umschlag von Kriegsgütern, von Waffen und Munition, über den Umschlag von Recyclingschrott und dessen illegale Verbringung nach beispielsweise Afrika, reden wir also des Weiteren über den Umschlag von Uran und dessen Verarbeitungsprodukten. Reden wir schließlich über das, was es bedeutet, was dahinter steht, wenn Rohstoffe wie beispielsweise Blutkohle aus Kolumbien, Arsenkupfer aus Peru, Kinderarbeitskobalt aus dem Kongo oder Tailing-Dammbruch-Erze aus Brasilien hier im Hamburger Hafen umgeschlagen werden.

Warum ist das von Bedeutung? Weil es hierbei letztlich nicht um Gewinn, um Bilanz, um Return on Investment oder Return on Capital Employed gehen sollte, sondern es hier vielmehr um menschenrechtliche Sorgfaltspflichten gehen sollte. Es sollte um saubere Umwelt gehen und darum, dass es die Verantwortung jedes einzelnen Unternehmens gibt – ja: auch des Ihren! – die Agenda der Vereinten Nationen für die Sustainable Development Goals zu kennen, zu achten und zu erfüllen.

Die Agenda der Vereinten Nationen für die Sustainable Development Goals ist die weltweit wichtigste entwicklungspolitische Zielsetzung des nächsten Jahrzehnts. Sie betrifft, im Gegensatz zu ihrem Vorgänger, den Millenniumszielen, auch die Industrienationen und damit in besonderem Maße auch deutsche Unternehmen, somit auch: HHLA. Deutschland hat sich den 17 UN-Zielen für eine nachhaltige Produktions- und Lebensweise verpflichtet, auch die Unternehmen sind dazu verpflichtet, selbst ihren einen eigenen Beitrag dazu zu leisten. Doch nach ihren Bekenntnissen zu den Nachhaltigkeitszielen stehen viele Unternehmen vor der Herausforderung, ihre Produktionsweise und ihre Lieferketten, auch das Handeln ihre Dienstleister und derer, welche die Dienstleistungen in Anspruch nehmen, nachweisbar, überprüfbar nachhaltig zu gestalten.

Zu den SDGs zählen unter anderem: Ernährung sichern, Gesundes Leben für alle, Sauberes Wasser, Nachhaltige Städte und Siedlungen, Nachhaltige Konsum- und Produktionsweisen oder auch Landökosysteme schützen. Das hört sich alles sehr schön an, nur bleibt halt immer die Gretchenfrage: HHLA, wie hältst du es mit deiner Praxis?

Gehen wir also in medias res: Erstes Thema: Kriegsgerät und Munition im Wert von rund 400 Millionen Euro werden jährlich über den Hamburger Hafen verschifft. Wie nennt es so treffend die „Hamburger Initiative gegen Rüstungsexporte“: „Der Hamburger Hafen ist zur Drehscheibe des internationalen Waffenhandels geworden.“ Es sind drei Container pro Tag mit Rüstungsgütern, die den Hamburger Hafen verlassen.

Für Sie bei der HHLA mag das eine Frage von Umsatz und Bilanz schönenden Gewinnes sein. Für Menschen in den Zielländern bedeuten Waffen aber oft etwas anderes: Tod. Krieg.

Für Sie bei der HHLA mag das heißen, wir sind doch nur logistische Durchlaufstation, wie bei einem Postdienstleister leiten wir ja nur weiter, im Übrigen gelte ja auch beim Transport so eine Art erweitertes Briefgeheimnis, und es sei Sache des Zolls, sich um die Inhalte und deren Ursprung und deren Verwendungszweck zu kümmern. In Bezug auf Militärgüter berufen Sie bei der HHLA sich dabei auf das kleine Zauberwort „Ausfuhrgenehmigung“. Wenn man nicht selbst ethisch denken und handeln möchte, ist es sehr, sehr billig, sich darauf zurückzuziehen. Zur Erinnerung: Wie kann es dann aber sein, dass „Reedereien wie Hapag-Lloyd lehnen nach eigenen Angaben Anfragen für Waffenexporte in Krisenstaaten wie Saudi-Arabien ab – ganz gleich, ob von den Behörden genehmigt oder nicht“, wusste das Hamburger Abendblatt im Februar 2015 zu berichten. Wieso kann Hapag-Lloyd etwas, was die HHLA nicht kann?

Für die Menschen, die Krieg und Tod durch über Hamburgs Hafen ausgeführte Militärgüter erleiden, ist der Trost zu hören, die Ausfuhr war doch „legal“, wahrlich eher Hohn.

Gleiches gilt für die Menschen, denen die Blutkohle beim Abbau in Kolumbiens Minen das Grundwasser verschmutzt hat und an dessen Ausbeute paramilitärische Milizen mitverdienen und so ihren Krieg gegen die Zivilbevölkerung fortgesetzt finanzieren können, für die Menschen, denen das Arsenkupfer aus Perus Minen zuerst die Umwelt zerstört und dann die Gesundheit der Anwohner/innen bedroht, für diese ist der Trost zu hören, die Einfuhr durch Hamburgs Hafen in die Bundesrepublik war doch „legal“, wahrlich eher Hohn.

Und Sie bei der HHLA berufen sich dabei auf das kleine Zauberwort „Einfuhrgenehmigung“. Wenn man nicht selbst ethisch denken und handeln möchte, ist es sehr, sehr billig, sich darauf zurückzuziehen.

Nächstes Thema, ähnliche Problemlage: Recyclingschrott und dessen illegale Verbringung nach beispielsweise Afrika. Nach Schätzung der Vereinten Nationen produzieren die Deutschen jedes Jahr zwei Millionen Tonnen Elektroschrott. Nur 700.000 Tonnen Elektroschrott gelangen jedes Jahr in das bundesrepublikanische Recyclingsystem, so laut Auskunft der Wochenzeitung DIE ZEIT. Was mit den restlichen 1,3 Millionen Tonnen passiert, weiß niemand. Sie verschwinden einfach. Ein Großteil davon offenbar nach Afrika. Ich frage Sie: wie hoch schätzen Sie Ihren Stichproben und Erfahrungswerten zufolge die über den Hamburger Hafen reale Menge an illegal nach Afrika exportierten Recyclingschrott? Welche Maßnahmen ergreifen Sie als HHLA diesbezüglich, um dies einzudämmen?

Schauen wir uns das allgemeine Panorama etwas genauer an:

Jedes Jahr werden an deutschen Seehäfen 300 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen. Davon entfallen 26 Millionen Tonnen auf Getreide, Ölsaaten und Futtermittel, 37 Millionen Tonnen auf Kohle, Erdöl und Erdgas. Auf den Hamburger Hafen entfielen dabei im Jahr 2015 137,8 Millionen Tonnen Güter insgesamt, davon 92,3 Millionen Tonnen im Stückgutumschlag, 45,5 Millionen Tonnen im Massengüterumschlag. Rund 10 Millionen Tonnen davon entfallen auf Schüttgut wie Kohle und Erze.

Nun, was hat es damit so auf sich?

Ob beim Abbau von Kupfer, Kohle, Erz, Zinn, Zink, Wolfram, Gold, Platin, Blei, Uran (erinnern wir uns bitte immer daran: jeden zweiten Tag geht durch den Hamburger Hafen ein Atomtransport!) oder ob bei der Förderung von Erdöl, Gas oder Schiefergas – fast ein Drittel der Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen im globalen Wirtschaftsgeschehen betreffen den extraktiven Sektor, so viel wie in keinem anderen Bereich der Wirtschaft – dies belegen Zahlen des UN-Menschenrechtsrat.[1] Die betroffenen Menschen (Arbeiter/innen, Anwohner/innen) leiden sehr oft unter Umweltverschmutzung, Wasserverknappung oder -verseuchung, Landraub und nicht selten stehen Projekte der Rohstoffgewinnung in Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten. Die Lebenserwartung und -qualität der betroffenen Menschen wird durch den Rohstoffabbau in den seltensten Fällen qua Beschäftigung und Einkommensgewinnen gesteigert. Im Gegenteil, die von Rohstoffgewinnung unmittelbar betroffenen Regionen zeichnen sich meist durch extrem ungleiche Werte beim GINI-Index aus, dem Indikator für Armut. Hinzu kommt der Tatbestand, der seit den 1960er Jahren als Umweltrassismus bezeichnet wird: Betroffene von Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen durch Großprojekte beim Rohstoffabbau sind meist marginalisierte Gruppen wie Traditionelle Bevölkerung, Schwarze, Indigene, Kleinbauern und -bäuerinnen sowie Frauen und Kinder.

Sie werden fragen, was hat das mit HHLA zu tun? Es sei ja nicht HHLA, das gegen die Menschenrechte beispielsweise in Afrika, Asien oder Lateinamerika verstößt, es sei ja auch nicht die HHLA, die die Güter oder Rohstoffe als Importeur nach Deutschland holt, Produkte, die in ihrer langen Herstellungskette vom Rohstoffabbaugut bis zum fertigen High-Tech-End-Produkt auch unter menschenrechtsverletzenden Bedingungen hergestellt wurden. Nein. Sie als HHLA sind das nicht, aber hören wir uns doch einmal an, was die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte dazu sagen. Dort heißt es unter Punkt 13:

„13. Die Verantwortung, die Menschenrechte zu achten, erfordert, dass Wirtschaftsunternehmen

(a) es vermeiden, durch ihre eigene Tätigkeit nachteilige Auswirkungen auf die Menschenrechte zu verursachen oder dazu beizutragen und diesen Auswirkungen begegnen, wenn sie auftreten;

(b) bemüht sind, negative Auswirkungen auf die Menschenrechte zu verhüten oder zu mindern, die auf Grund einer Geschäftsbeziehung mit ihrer Geschäftstätigkeit, ihren Produkten oder Dienstleistungen unmittelbar verbunden sind, selbst wenn sie nicht zu diesen Auswirkungen beitragen.“

Ich hebe noch einmal hervor: mittels „Dienstleistungen unmittelbar verbunden sind, selbst wenn sie nicht zu diesen Auswirkungen beitragen“.

Nun, Sie sehen, nur das Argument, „wir von der HHLA sind doch nur durchlaufender Dienstleister“, – dieses Argument ist gegenüber den UN-Leitprinzipien schlicht nicht haltbar, auch Dienstleister wie Sie stehen hier in der Verantwortung. Und ich möchte von Ihnen dort eine klare Ansage anhören, wie Sie dieser Verpflichtung im Einzelnen nachkommen.

Hinzu kommt: Die Deutsche Bundesregierung hat ja Ende 2016 die Vorgaben im Rahmen des Nationalen Aktionsplans (NAP) verabschiedet. Ich möchte gerne von Ihnen hören, wie beabsichtigt HHLA, die im NAP neu formulierten Verpflichtungen bezüglich menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette umzusetzen? Was plant HHLA über die bereits bestehenden Maßnahmen hinaus weiter an Maßnahmen, um diese Verpflichtungen umzusetzen?

Sie werden verstehen, dass wir es nicht akzeptieren können, dass durch den Hamburger Hafen Kriegsgerät und Waffen, Computer- und anderer potentiell giftiger Schrott, Blut-Kohle aus Kolumbien oder Kinderarbeits-Kobalt aus DR Kongo befördert wird, auch nicht die Anwohner/innen mit radioaktiven Staub verseuchendes Uran aus Tschad oder Namibia und auch nicht Uranpellets und -brennstäbe aus Gronau oder Lingen. Setzen Sie sich dafür ein, dass dies abgestellt wird. Sofort und unmittelbar und ohne wenn & aber.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

[1]     UNHRC 2008: Corporations and human rights: a survey of the scope and patterns of alleged corporate-related human rights abuse

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