Wird die Lufthansa ihre Klimaziele an die Anforderungen des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaschutzabkommens anpassen? Fragen zur Hauptversammlung der Airline

Hauptversammlung der Deutschen Lufthansa AG 2021: No better way to fly? (Fotocollage Dachverband)

Kurzarbeit und Entlassungen, Investitionen in den Klimaschutz, A380 und Zusammenarbeit mit Deutscher Bahn: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre richteten auf der Hauptversammlung der Deutschen Lufthansa AG (04.05.2021) Fragen an den Vorstand.

1. Die Bundesregierung hat der Lufthansa AG erhebliche Mittel zur Rettung des Konzerns zur Verfügung gestellt, ohne Umweltauflagen und ohne sie an Maßnahmen zum Erhalt der Arbeitsplätze zu knüpfen. Wie viele Arbeitnehmer*innen hat die Lufthansa AG bei all ihren Tochterfirmen im Geschäftsjahr 2020 in Kurzarbeit geschickt und wie hoch war die Summe der damit verbundenen Mittel aus dem Topf des Kurzarbeitergelds?
Antwort der Lufthansa: Die Lufthansa-Gruppe hat in Deutschland rund 660 Millionen Euro Leistungen für Kurzarbeitergeld von der Bundesagentur [für Arbeit] bezogen. Ende letzten Jahres waren über 45.000 Arbeitnehmer*innen in der Lufthansa-Gruppe in Kurzarbeit.

2. Wie viele Arbeitnehmer*innen wurden von der Lufthansa AG und all ihren Tochterfirmen im Geschäftsjahr entlassen oder freigestellt und welche Finanzmittel, beispielsweise für Abfindungen, waren dafür notwendig?
Antwort der Lufthansa: Die Anzahl der Mitarbeiter in der Lufthansa Group sank im Geschäftsjahr 2020 um gut 28.000 Mitarbeitende. In Vollzeitstellen entspricht dies einer Reduzierung um gut 26.000. In diesen Zahlen enthalten ist der Personalrückgang durch Veräußerung der LSG Europagesellschaften an Gate Gourmet mit insgesamt gut 7.000 Vollzeitstellen. Für Abfindungen wurden im Jahr 2020 Rückstellungen in Höhe von gut 230 Millionen Euro gebildet. Insgesamt kamen rund 200 Millionen Euro für Abfindungen zur Auszahlung.

3. Welche Investitionen in die Verbesserung der Klimabilanz der Lufthansaflotte wurden im Geschäftsjahr 2020 getätigt? Hier bitte Investitionen in sparsamere Flugzeuge und alternative Antriebe einzelnen aufschlüsseln.
Antwort der Lufthansa: Die Lufthansa hat im Jahr 2020 eine Milliarde in neue bis zu 25 Prozent effizientere Flugzeuge und Triebwerk investiert. Die gestern hinzugekommenen Investition im Langstreckensegment erhöht das sogar auf 30 Prozent pro Flugzeug – die gestern bekannt gegebenen zehn Flugzeuge, die das jeweils leisten werden. Dass wir jetzt sogar noch schneller in der Lage sind, unsere Flotte zu modernisieren, hängt auch damit zusammen, dass es antizyklische Opportunitäten am Markt gibt wie aber auch die ganze Flotte kleiner geworden ist. Allein die 10 gestern ersetzten Flugzeuge durch den Kauf reduziert die CO2-Emissionen in drei Jahren um eine Millionen Tonnen CO2. Viele Flugzeug- und Triebwerkshersteller arbeiten darüber hinaus an der Entwicklung von alternativen Antriebstechnologien. Allerdings die von einer kommerziellen Nutzung in unserem Geschäftsmodell noch ganz weit entfernt. Airbus spricht davon, bis 2035 das erste mit

4. Wird die Lufthansa ihre Klimaziele an die Anforderungen des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaschutzabkommens anpassen? Wenn ja, mit welchen Maßnahmen? Falls nicht, warum nicht?
Antwort der Lufthansa: In unserer Zielsetzung haben wir uns in der Tat am Pariser Klimaschutzabkommen orientiert, das ja eine Begrenzung der Klimaerwärmung auf „well below“ 2 Grad vorsieht, und wir werden unsere Ziele durch eine Kombination von Flottenerneuerung, betrieblichen Optimierungsmaßnahmen, Infrastrukturverbesserungen, Einsatz von nachhaltigen Kraftstoffen und CO2-Kompensation erreichen. Derzeit werden sektorbezogene Ziele für den Flugverkehr ausgearbeitet, z.B. durch den Science-based-Target-Initiative-Ansatz. Und im Zusammenwirken aller Sektoren werden die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens sektorenübergreifend auch erreicht.  Dabei zählt der Luftverkehr zu den Industrien, denen ein vergleichsweise großes verbleibendes Emissionsbudget zugebilligt werden könnte. Diese Entwicklung beobachten wir genau. Wie ich glaube, dass wir auch eine der Industrien sind, die bei diesem Thema ganz weit vorne sind, obwohl es dann doch nur die 2,5 Prozent weltweiter Anteil sind, ist das Verantwortungsgefühl unserer Branche enorm groß.

5. Welche zusätzlichen Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Klimabilanz zieht die Lufthansa AG in Betracht, welche keine bloßen Effizienzverbesserungen bei den Flugzeugen darstellen?
Antwort der Lufthansa: Die Lufthansa Group will zukünftig deutlich mehr synthetisches – also aus erneuerbaren Energien hergestelltes Kerosin einsetzen (power to fuel). Wir streben einen Anstieg des Anteils an sustainable aviation fuel zwischen 5 und 10 Prozent an, um auch der deutlich steigenden Nachfrage unserer Kunden, mit nachhaltigen Flugkraftstoffen zu reisen, gerecht zu werden, aber auch, um unsere eigenen selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Darüber hinaus streben wir auch technische Innovationen an – auch gestern gerade bekannt gegeben unsere Zusammenarbeit mit BASF beim Thema Haifischhaut, die wir einsetzen werden, um damit den Verbrauch um ungefähr ein Prozent zu senken. Aber auch der European single sky spielt eine riesige Rolle. Hier könnten durch die Vermeidung von Umwegen, Warteschleifen und das Vermeiden von Fliegen in falschen Flughöhen bis zu 10 Prozent erreicht werden und direkt dem Umweltschutz zu Gute kommen. Hier hoffen wir, dass auch Brüssel gemeinsam mit den Regierungen in Europa endlich liefert.

6. Wie viele der Airbus A380 hat die Lufthansa AG aktuell in der aktiven Flotte? Ist vorgesehen, diese Maschinen dauerhaft zu halten oder was soll mit den Maschinen passieren?
Antwort der Lufthansa: Wir hatten insgesamt 14 A380, sechs hatten wir schon vor Covid an Airbus verkauft, letztendlich deren Verkauf in den Jahren 2022 und 2023 dann vollzogen werden sollte. Acht bleiben bei uns, und die haben wir für mehrere Jahre vollständig stillgelegt. Derzeit gibt es keine konkreten Planungen, das Flugzeug zurück zu holen, auch wenn es nicht nur bei Fluggästen sondern auch bei unseren Crews sehr beliebt war. Aber es gibt ein enorm hohes Auslastungsrisiko. Wir haben starke Kostennachteile bei dem viermotorigen Flugzeug und auch eine eher beschränkte Einsatzflexibilität. Deswegen ist aus heutiger Sicht ein profitabler Weiterbetrieb der Airbus-380-Flotte nicht zu erwarten.

7. Die Lufthansa AG verstärkt ihre Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn AG. Was unternimmt die Lufthansa AG, um innerdeutsche Flüge incl. Zubringerflüge mittel- und langfristig komplett einzustellen? Was passiert mit den dadurch freiwerdenden Start- und Landeslots?
Antwort der Lufthansa: Wir haben immer dann diese Flüge eingestellt, wenn es ein wettbewerbfähiges Angebot auf der Schiene gibt. Beispiele sind hier Berlin-Hamburg, Köln-Frankfurt oder jüngst Nürnberg-Berlin und da hat in der Tat eine schnelle Bahnverbindung das innerdeutsche Flugangebot ersetzt. Aber wir können das auch nur dann machen, wenn es ein wettbewerbsfähiges alternatives Angebot auf der Bahn gibt, weil unsere Fluggäste sonst über andere Drehkreuze fliegen gerade bei den Flugstrecken, die Hamburg und München anbinden. Wir wollen mit der Deutschen Bahn und auch mit der Schweizerischen und der Österreichischen Bahn kontinuierlich unsere Zusammenarbeit ausbauen, und die dadurch frei werdenden Slots nutzen wir dann für andere Destinationen, so dass es  eine Verbesserung des Netzangebots gibt.

8. Durch die verstärkte Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn AG wird das Drehkreuz Frankfurt Airport gestärkt. Haben sie sich damit von der Idee eines zweiten Drehkreuzes am Münchener Airport verabschiedet? Wie stehen sie in diesem Zusammenhang aktuell zum Bau einer dritten Start- und Landebahn am Flughafen „Franz Josef Strauß“?
Antwort der Lufthansa: Wir sehen München als ein Kerndrehkreuz im Multi-Hub-System der Lufthansa-Gruppe. Das Drehkreuz in München ist nicht nur für uns sondern für ganz Europa eines der wichtigsten Drehkreuze und ist auch von der Qualität unerreicht und wird auch wieder diese Rolle einnehmen nach der Krise. Wir sehen auch nach Rückgang zum Verkehrsvolumen und Wachstumspfad auf Vorkrisenniveau – wann immer das sein wird – langfristig den Bedarf zur Realisierung einer dritten Bahn; aber wir haben ja schon vor Corona gesagt, dass wir dieses Thema nicht kurzfristig sehen. Es ist jetzt durch Covid noch weiter nach hinten verschoben, logischerweise.

Zusatzfrage (eingereicht durch den Kritischen Aktionär Dr. Ulrich Scharfenort): Vor dem Hintergrund des jüngsten Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz droht der Luftfahrtbranche ein gewaltiger Umbruch. Da klimaneutrales Fliegen nicht möglich ist und man allenfalls CO2-neutral fliegen kann (vgl. Umweltbundesamt), stellt sich die Frage, wie Fliegen in Zukunft in Einklang mit dem Klimaschutz gebracht werden soll. Technisch ist dies in absehbarer Zeit nicht möglich, somit wird sich der Markt drastisch verkleinern. Die Auflagen und Klimakosten werden in die Flugpreise einfließen und die Nachfrage vermindern. Außer einer Verhinderungshaltung, die auch bereits in anderen Sektoren zu massiven Verlusten führte ist hier keine Anpassung erkennbar. Wie will die Lufthansa vor diesem Hintergrund bis 2050 klimaneutral werden? Insolvenz würde zwar zu Klimaneutralität führen, wäre aber nicht im Sinne von uns Aktionären.
Antwort der Lufthansa: Für uns ist Klimaschutz die ganz zentrale Herausforderung als Unternehmen, auch als Branche – natürlich nicht erst seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Deshalb investieren wir in neue Flugzeuge, in synthetische Kraftstoffe, in Optimierung von Flugverfahren … und gehen davon aus, dass wir diese Effekte in Summe zur signifikanten Reduktion des CO2-Austosses führen könnten. Wichtig ist aber auch: Wir haben schon heute die Möglichkeit, unseren Kunden CO2-neutrales Fliegen anzubieten über unsere Plattform „Compensate“,wo dort bei der Buchung angeben kann, in welcher Form man CO2-neutral fliegen will – über Kompensation oder über die Nutzung von synthetischen Kraftstoffen; und seit wenigen Tagen bieten wir das auch unseren Geschäftskunden an, also großen Unternehmen, die das dann wiederum für die Dienstreisen ihrer Mitarbeiter nutzen können. Und ich glaube, die Akzeptanz bei unseren Mitarbeiter im Hause für dieses Thema nimmt zu. Wir kompensieren inzwischen alle unsere Dienstreisen inzwischen darüber, auch ich persönlich natürlich, und das erwarten wir von vielen Mitarbeitern großer Kunden, die wir haben.

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