Rede von Christian Russau

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Christian Russau, ich bin vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Gehen wir gleich in medias res! Die Münchener Rück und Klimaversicherungen: Wie Sie alle wissen, der Klimawandel ist Realität, nimmt an Fahrt und Schärfe zu und trifft vor allem die Menschen im Global Süden, also die Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika am härtesten. Das wissen wir alle. Nun kam die Versicherungswirtschaft auf die kluge Idee, na, wenn wir den Klimawandel schon nicht aufhalten können, dann lasst uns doch wenigstens den von Klimawandelfolgeschäden Betroffenen einen Versicherungsschutz dagegen anbieten. Mag man zunächst denken, ja, ok, hört sich gar nicht so übel an.

Nun sind die von den Klimawandelfolgeschäden wie Starkregen, Überschwemmungen, Überflutungen, Dürre, Brände etc am härtesten Betroffenen die Ärmsten der Armen, diejenigen, die ihr Überleben sichern müssen und seltenst sich den Luxus leisten könnten, einen Teil ihrer kärglichen finanziellen Mittel für eine Versicherung auszugeben. Da kam die G7 auf die Idee, staatliche und suprastaatliche Zuschüsse zuzusagen und weitere einzuwerben, damit dieses Modell Klimaversicherung, also sog. Risikotransferkonzepte, umgesetzt werden könne, um künftig Millionen Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern Versicherungsschutz gegen Wetterkatastrophen zu ermöglichen. Denkt man: tja, auch erstmal soweit ganz ok, oder?

Nun, die G7 haben für die verschiedenen Klimaversicherungen zwar Mittel zugesagt, aber die Personen (Mikroversicherungen) und Staaten (Makroversicherungen), die versichert werden wollen, müssen trotzdem noch eine jährliche Beitragsprämien zahlen. So wurde bekannt, dass im Jahr 2014-2015 bei der African Risk Capacity (ARC), an der die Munich Re durch ihre Tochtergesellschaft NewRe einen Teil der Rückversicherungskapazität abdeckt, nur 20% der Prämien durch solche Zuschüsse gedeckt wurden, die verbleibenden 80 % der Versicherungsprämien mussten von denjenigen afrikanischen Staaten aufgebracht werden, die selbst am allerwenigsten für den Klimawandel verantwortlich zeichnen.

So stehen wir also vor der absurden Situation, dass die nicht finanzkräftigen Staaten Afrikas nun die Versicherungsprämien zahlen für den Versicherungsschutz für die Folgen dessen, was wir alle hier in den Industriestaaten des Nordens historisch verursacht haben: den Klimawandel.

Also statt eines klimagerechten und rechtebasierten Ansatzes, der die Betroffenen und ihre Lebens- und Wirtschaftssituation selbst in den Mittelpunkt stellt, setzt diese „InsuResilience“ u.a. darauf, dass auch die von den Klimawandelfolgen im Globalen Süden Betroffenen selbst einen Beitrag für den Versicherungsschutz zahlen sollen, obwohl sie ihn gar nicht verursacht haben. Hinzu kommt der Widerspruch, dass die Munich RE selbst noch nicht fossil-frei bei ihren Anlagen und Anleihen ist, so dass hier nun wieder ein neues Geschäftsfeld für die Mitverursacher des Problems geschaffen wurde. Dies ist Klima-Ungerechtigkeit in Reinform.

Dazu noch die folgenden Fragen: bitte listen Sie mir die Namen der verschiedenen Projekte und Programme im Bereich Klimaversicherungen auf, an denen Sie beteiligt sind.

Dann möchte ich wissen: wie viel Umsatz haben Sie im Jahr 2016 in diesem Bereich gemacht?, wie viel Gewinn? Und wie viel Umsatz und Gewinn erwarten Sie in dem Bereich der Klimaversicherungen in den Jahren 2017-2020? Und bitte listen Sie mir auf die Gegenüberstellung Ihrer Klimaversicherungen des Verhältnisses von erhaltenen Prämien und ausgezahlten Beträgen?

Dann möchte ich noch wissen, ob und welche Direktversicherungen im Bereich Klimaversicherungen Sie im Programm haben bzw. daran beteiligt sind? Ich möchte von Ihnen wissen: Können Sie kategorisch ausschließen, dass keines Ihrer Klimaversicherungen oder Klimaversicherungsprogramme, an denen Sie beteiligt sind, Versicherungsschutz an bspw. Kleinbauern verkauft, unter der Bedingung, dass diese Kleinfarmer dann an die vertragliche Übernahme von hybridem Saatgut oder Mineraldünger von Konzernen gekoppelt sind, die Partner dieses Klimaversicherungspakets sind.

Um das verständlich zu machen, worum es dabei geht und was daran so gefährlich ist: Das Beispiel der Agriculture and Climate Risk Enterprise (ACRE) in Ostafrika. Dieses größte landwirtschaftliche Versicherungssystem in Sub-Sahara-Afrika wurde von Syngenta initiiert, und die Versicherung wurde den Kleinbauern dem Kauf der Hybridsamen der Firma Syngenta inkluiert und Kredittranchen für die Kleinbauern wurden gekoppelt an die Verpflichtung, dieses proprietäre Saatgut der Firma sowie deren Mineraldünger zu kaufen.

Durch solche Praktiken werden Kleinbauern in die Konzernabhängigkeiten gedrängt und die kleinbäuerlich-ökologische Welternährung wird weiter marginalisiert.

Können Sie dergleichen kategorisch ausschließen für Ihre Klimaversicherungen oder die Klimaversicherungen, deren Partner Sie sind? Falls nein, in welchem Ihrer Programme ist dies der Fall, mit welchen Partnern?

Nächstes Thema: Münchener Rück und Landgrabbing: Im Jahr 2015 erfolgte die Übernahme von 2.300 Hektar Felder von 14 Tochtergesellschaften der KTG Agrar, damals Deutschlands größter Ackerbaukonzern. Laut Presseberichten umging die Münchener Rück geschickt die Grunderwerbsteuer, da sie 94,9 Prozent der Firma übernahm, der zuvor das Land übertragen wurde. Bei einer Übernahme von weniger als 95 Prozent werden keine Steuern fällig. Bei einem geschätzten Kaufpreis von 28 Millionen Euro sind dem Staat etwa 1,8 Millionen Euro entgangen.

Die taz und die Süddeutsche Zeitung haben darüber berichtet und, ich zitiere, festgestellt: „Kommentieren will der Versicherer den Vorgang nicht.“

Nun, dann nutze ich jetzt und hier meine Eigenschaft als eingetragener Klein-Aktionär und fordere Sie hiermit zu einer diesbezüglichen Stellungnahme auf. Wär ja noch schöner, wenn Sie da einfach so kommentarlos Ihre Skandale aussitzen dürften und niemand insistiert.

Bei der Übernahme der Landflächen der KTG Agrar kam noch ein nicht unwesentliches Detail hinzu: laut Gesetz hätten die Landflächen eigentlich zuerst ortsansässigen Bauern angeboten werden müssen. Aber durch die 95-Prozent-Anteilsübernahme der KTG Agrar-Tochtergesellschaft ATU Landbau wurden die lokalen Bauern geschickt ausgebootet. Wissen Sie, wie die Süddeutsche Zeitung (1.12.2016) den Vorgang nannte? Landgrabbing.

Lassen Sie es mich klar sagen: Das Aus-dem-Markt-Drängen von lokalen Kleinbauern durch die Münchener Rück ist nicht akzeptabel. Dabei ist die Münchener Rück weltweit am Landgrabbing beteiligt. Der Vorstand bestätigte uns auf der HV am 23. April 2015 in München, weltweit (Besitz-)Anteile an Landflächen in Höhe von 100.000 Hektar zu haben: 32% in Nordamerika, 44% Asien, Ozeanien und Australien, 16% in Südamerika, Afrika 5% und 3% in Europa.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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