„Ich werde mich der Zwangsumsiedlung nicht beugen“: Rede von Marita Dresen

Marita Dresen von Alle Dörfer bleiben appelliert an den Vorstand von RWE: „Hören Sie endlich mit diesem Wahnsinn auf und lassen sie uns einfach unser Leben in unserer Heimat weiterführen.“

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,

mein Name ist Marita Dresen. Ich komme aus einem kleinen Dorf namens Kuckum am Garzweiler 2-Tagebau. Ich lebe dort mit meinen Eltern, meinem Mann und meinen Kindern auf einem wunderschönen, alten Bauernhof, der seit 1862 im Besitz unserer Familie ist. Wir halten seit Ewigkeiten Pferde und Hühner, haben einen Garten in dem wir unser Gemüse selber anbauen, teilen uns mit unseren Nachbarn einen Reitplatz und genießen die Zeit bei einem Spaziergang im Kuckumer Wald an der Niers.

Doch dieses Paradies soll schon bald für immer zerstört werden. 2027 sollen sich laut Plänen von RWE die Schaufelradbagger durch mein Dorf fressen, um nach klimaschädlicher Braunkohle zu graben. Gegen meinen Willen werde ich von RWE aus meiner Heimat vertrieben. Mir zerreißt es das Herz, mein Zuhause für immer zu verlieren.

Ich werde mich der Zwangsumsiedlung nicht beugen, denn ich will nichts Weiteres als einfach das zu behalten, was ich jetzt habe. Ich will und ich werde mein persönliches Himmelreich nicht verlassen. Hier habe ich alles, was ich brauche. Meine Pferde, denen ich von meinem Wintergarten aus beim Grasen zusehen kann, meine Tochter, die auf dem Reitplatz meiner Nachbarn reiten kann, wann sie möchte, den Ausblick auf die angrenzenden Wiesen und den Wald. Das alles soll ich verlieren, weil ihr Konzern ohne Rücksicht auf die betroffenen Menschen weiter an der Braunkohleverstromung festhält. Es geht immer nur ums Geld. Um Gewinne. Nie um die Menschen, die führ diese Gewinne leiden müssen! Letztendlich sind es auch ihre Dividenden, für die mein gesamtes bisheriges Leben vernichtet werden soll. Sie tragen die Verantwortung für den Schmerz und das Leid all derjenigen, die ihre Heimat nicht aufgeben wollen!

Sie haben uns Menschen in den Dörfern bereits die letzten zehn Lebensjahre zerstört und zur Hölle gemacht. Der Psychoterror von RWE ist in unseren Dörfern allgegenwärtig. Tag und Nacht werden unter Lärm Grundwasserpumpen in unseren Gärten gebaut. Der riesige Bagger steht mit seinen Scheinwerfern so nah, dass die Straßen im Dorf nachts erleuchtet sind. Das gigantische Loch rückt immer näher!

Es reicht! Hören Sie endlich mit diesem Wahnsinn auf und lassen sie uns einfach unser Leben in unserer Heimat weiterführen. Sie alle wissen, dass die Zeit der Braunkohleverstromung abgelaufen ist. Die Mehrheit der Deutschen stimmt für eine schnelle Energiewende. Die Kohlekommission hat ein sieben Jahre früheres Ausstiegsdatum beschlossen und eine Studie des DIW belegt, dass der Abriss meiner Heimat energiepolitische einfach nicht mehr notwendig ist.

Warum also machen Sie mir das Leben weiterhin zur Hölle? Warum zeigen Sie nicht endlich einmal einen Funken Menschlichkeit und stoppen diesen Wahnsinn? Sie alle, die hier versammelt sind, verdienen in letzter Konsequenz Geld damit, mich aus meiner Heimat zu vertreiben und meine gesamte Vergangenheit zu vernichten!

Für meinen Vater und meine Mutter – beide sind mittlerweile über 80 – ist die Situation noch schlimmer. Sie leben seit ihrer Geburt in Kuckum und haben den Hof ihrer Eltern vor vielen Jahren übernommen und gepflegt. Beide leiden extrem unter der aktuellen Situation. Meine Mutter sagt immer wieder unter Tränen zu mir: „Ich möchte lieber sterben, als mit anzusehen wie unser Haus abgerissen wird.“ Solche Aussagen machen mir Angst, denn ich weiß, wie wahr sie sind. Aus den Nachbardörfern gibt es bereits einige ältere Menschen, die kurz nach oder während der Umsiedlung verstorben sind. Sie sind gestorben, weil sie die Entwurzelung nicht verkraftet haben! Einen alten Baum verpflanzt man nicht! Doch in der aktuellen Unternehmensstrategie ihres Konzerns gibt es keine Menschlichkeit, kein Mitgefühl, keine Rücksichtnahme! Es geht nur um die Steigerung von Gewinnen und Dividenden! Blanke Zahlen ohne Herz.

Mir aber geht es nicht um Geld oder Gewinne. Das was ich zuhause besitze, die letzten zehn  Jahre die sie mir und meiner Familie kaputt gemacht haben, können sie mir nicht ersetzen! Das einzige was sie überhaupt noch machen können ist endlich mit diesem Wahnsinn aufzuhören. Manchmal denke ich es wäre alles nur ein Alptraum. Doch in Wirklichkeit bin es nicht ich, die träumt, sondern Sie, die hier sitzen und verdrängen, dass ihr gesamtes Vermögen darauf basiert, Menschen und Natur auszubeuten!

Sie alle hier müssen Verantwortung übernehmen. Sie können ab dem heutigen Tag nicht mehr sagen, sie hätten nicht gewusst, dass für Braunkohlebergbau Menschen aus ihrer Heimat vertrieben, ganze Dörfer, Wälder und Flüsse vernichtet werden und wohlwissend in Kauf genommen wird, dass ältere Menschen die Umsiedlung nicht überleben werden.

Es kann nicht sein, dass in der heutigen Zeit im Angesicht des Klimawandels noch Dörfer vernichtet werden, um nach Braunkohle zu graben. Es geht ja gar nicht mehr um die Energieversorgung des Landes. Das ist doch längst allen klar. Hier geht es ausschließlich darum, dass RWE weiter Gewinne machen möchte und unser Leben dem im Weg steht.

Hier und heute können sie alle, die hier sitzen, den Unterschied machen! Sie sind es, die sich in ein paar Jahren fragen werden, wie Sie es verantworten konnten, Ihr Geld auf eine derart schmutzige und unmenschliche Art zu verdienen. Senden sie ein klares Signal an die Konzernführung von RWE: Retten sie meine Heimat und helfen sie mir, diesen Wahnsinn auf der Stelle zu beenden.

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