Rede von Anika Limbach

  1. Vor ein paar Tagen erschien in der FAZ ein Artikel mit der Überschrift: „Der Planet steht, das System wankt“.

Mit „System“ sind die Lebensgrundlagen der Menschheit gemeint. In der Klimaforschung zeigen immer genauere empirische Daten, dass die Realität viele wissenschaftliche Modelle überholt. Der Klimawandel schreitet deutlich schneller voran als von den meisten Klimaforschern angenommen.

Wie reagieren Sie auf dese neuen Erkenntnisse? Allgemein gefragt: Was ist Ihre Antwort auf die Klimakatastophe? Wann vollziehen Sie endlich den Kohleaussstieg – den notwendig schnellen Kohleausstieg?

Um das zu konkretisieren: In einer Studie des Ökoinstituts werden verschiedene Modelle eines machbaren Kohleausstieg dargestellt. Der Ausstiegspfad bis 2035 gilt darin als Königsweg, mit dem das Pariser Klimaabkommen noch gerade so erfüllt werden könnte. Doch zwischenzeitlich ist das weltweite C02-Budget weiter geschrumpft. Bezogen auf den deutschen Stromsektor bleibt nur noch EIN Ausstiegs-Modell im Rahmen des Zwei-Grad-Ziels, nämlich der Kohleausstieg bis 2025 mit einer Reduzierung aller Kohlekraftwerke um 74 % bis 2020. Wenn man dann einbezieht, dass eher die pessemistischen Annahmen der Realität entsprechen, dann reduziert sich das CO2-Budget nochmal um die Hälfte. Wenn wir als Weltgemeinschaft so weiter machen wie bisher, ist das Budget in etwa 8 Jahren aufgebraucht. Können Sie sich vorstellen, was das bedeutet? Kein Kohleausstieg kann da schnell genug sein!

  1. Zu den Atomkraftwerken:

Warum halten Sie daran fest, Gundremmingen C und das AKW Emsland bis zum bittere Ende betreiben zu wollen, also bis zum Jahr ’21 und ’22?

Ab 25 Jahren Betriebszeit nimmt die Störanfälligkeit bei Atommeilern zu, und zwar expontiell. Besonders gefährlich ist der Block in Gundremmingen – aus verschiedenen Gründen. Der Reaktordruckbehälter kann z.B. ganz plötzlich bersten, ohne vorherige Anzeichen. Die Schweiznaht befindet sich nämlich genau dort, wo die Druckwelle am stärksten ist. Die zunehmende Versprödung des Materials kann sich da besonders verheerend auswirken. Wollen Sie das riskieren?

Inzwischen ist das Ding 34 Jahre alt.

In Lingen kommt hinzu, dass der Atommeiler wegen des Windstroms im Nord häufiger als üblich hoch- und runtergefahren werden muss. Das beschleunigt natürlich den Verschleiß. Komplett drosseln kann man den Meiler nicht, weshalb er oft die Netze verstopft, Sie wisssen das. Die Situation wird sich zuspitzen, wenn ab 2019 noch viel mehr Off-Shore-Windstrom, übrigens Ihr Windstrom, auf die Kuppelleitung bei Lingen treffen wird. Das ist absurd, zwei Ihrer Kraftwerksarten blockieren sich dort gegenseitig.

Warum schalten Sie die Reaktoren nicht jetzt schon ab?

  1. Zur Versorgungssicherheit:

Herr Schmitz, Sie behaupten, für die Versorungssicherheit werde die Braunkohle noch lange gebraucht. Wie kommen Sie zu dieser Aussage?

Nach der aktuellen Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur gibt es in Deutschland grundlastfähige Kraftwerke mit einer Kapazität von insgesamt knapp 120 Gigawatt. Ich betone: grundlastfähig, die Solar- und Windkraftanlagen nicht mitgezählt. Wenn man die Reserveleistung abzieht und die Jahreshöchstlast gegenrechnet, dann bleiben –  je nachdem, wie konservativ man rechnet – zwischen 26 und 32 GW Kraftwerke übrig, die sozusagen überflüssig sind. Nehmen wir mal den Mittelwert, also 29 GW. Nehmen wir außerdem an, alle Atomkraftwerke gingen ebenfalls vom Netz, dann gäbe es trotzdem noch eine Überkapazität von knapp 20 GW. Das entspricht in Etwa der Menge an Braunkohlemeilern, die in Deutschland in Betrieb sind, rund die Hälfte davon im Rheinland.

Wie passt das zusammen mit Ihrer Aussage? Ich würde sagen, gar nicht.

Ich weiß, Ihre Datenquelle ist die Leistungsbilanz der Übertragungsnetzbetreiber. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass diese Art von Berechnungen unter Experten als nicht mehr zeitgemäß gilt. Die entsprechende Abteilung im Wirtschaftsministeriums sieht das genauso. Es werden dort eigene Berechnungen erstellt, in denen z.B. die Potentiale von Lastmanagement und Ausgleichseffekte viel mehr einbezogen sind.

Die Vielseitigkeit Erneuerbarer Energie – einschließlich Biomasse und Wasserkraft –  trägt heute zur Versorgungssicherheit bei, Atomkraftwerke dagegen nicht mehr. Sie werden immer störanfälliger und sind damit unzuverlässig. Im Winter können sie durch eine Notabschaltung plötzlich ausfallen. Mehr als ein Gigawall Strom sind dann auf einem Schlag nicht mehr verfügbar, weshalb unverhältnismäßig viele Reservekraftwerke vorgehalten werden. Ist Ihnen das bewusst?

Sie deuten im Geschäftsbericht an, dass konventionelle Kraftwerke im Moment keine hohen Margen abwerfen und deshalb in dem Bereich gespart werden müsse.

Warum schalten statt dessen nicht unverzüglich ab, wenigsten die unflexiblen Meiler – die Atomkraftwerke und ihre uralten Braunkohlemeiler aus den 60er und 70er Jahren? Das würde den Börsenstrompreis deutlich ansteigen lassen und damit die Margen der übrigen Kraftwerke erhöhen. Sie würden kaum etwas verlieren, sondern eher gewinnen, vor allem auch ein Stück mehr Glaubwürdigkeit.

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