Rede von David Bartolomäus

Im August letzten Jahres, habe ich abseits des letzten Jugendcamps „camp for [future]“, zusammen mit zwei Freunden die ich auf dem Camp kennengelernt habe, einen Spaziergang gemacht.

Am Rande von Kerpen-Manheim, nicht weit entfernt von einem noch existierenden Dorf, trafen wir auf einen alten Mann der mit seinem Hund einen Spaziergang machte. Er wunderte sich, junge Menschen wie uns dort vorzufinden und fragte uns, was uns dorthin trieb.

Ich erklärte ihm, dass wir dort ein Jugendcamp veranstalteten, auf dem wir Visionen für eine möglichst gute Zukunft schaffen wollen. Eine Zukunft, die dringend den Ausstieg aus der Braunkohle benötigt, weshalb wir dort, direkt vor dem von RWE betriebenen Tagebau Hambach, im Rahmen von friedlichem Protest versucht haben, Zeichen für den Ausstieg zu setzen.

Sehr unerwartet rief meine Schilderung in seinen Augen eine Mischung aus Scham, Trauer und Verzweiflung hervor, welche ich bisher in meinem Leben sehr selten persönlich gesehen hatte.

Er sagte zu mir, dass es wirklich, wirklich grauenvoll sei, was da auf die Welt nach ihm zu komme. Er sagte, dass die Taten von ihm und seiner Generation dafür verantwortlich sind. Ich sah ihm an, dass er zwar irgendwie versuchte, sich dafür zu entschuldigen, aber dabei an sich selbst scheiterte. Ich denke, ihm war wohl klar, dass eine einfache Entschuldigung nicht mal annähernd der Schwere der kommenden Umweltkatastrophen, die aus jenen Taten resultieren werden, gerecht werden kann.

Wenn ich heute an diese Begegnung zurückdenke, überkommt mich eine Mischung aus Ehrfurcht, für seine Fähigkeit sich derart mit den Folgen seines eigenen Handelns auseinanderzusetzen, und Mitleid, mit einem gefühlt Unschuldigen.

Ich hoffe, dass er lernt sich selbst zu verzeihen. Ich denke nämlich nicht, dass hier ein Opfer seinem Täter begegnet ist.

Für mich zeichnet sich ein Täter durch seine Intention aus. Wollte er dem Opfer Schaden zufügen oder nicht? Bezüglich der Umweltproblematik lässt sich wohl in den allerseltensten Fällen von einer Intention sprechen, der Umwelt zu schaden. Das macht die Sache so schwierig.

Wir haben nicht angefangen die Kohle zu verbrennen, um dem Klima zu schaden, sondern um den Lebensstil von uns und den Menschen die uns wichtig sind, zu verbessern. Mit der Zeit haben wir uns dann daran gewöhnt, dass wir mit dem Naturgeschenk der Kohle unser Leben auf Art und Weisen verbessern konnten, von denen die Menschen davor nicht einmal zu träumen vermochten. Wir haben uns daran gewöhnt, und unser Leben, unsere Gesellschaft, um die Verbrennung der Kohle gebaut.

Doch heute, nach Jahrzehnten, wissen wir es besser. Es ist wichtig, ein Danaergeschenk, also ein Geschenk, welches sich gegen den Beschenkten wendet und ihm schadet anstatt ihm zu nutzen, als solches zu entlarven und sich von ihm zu trennen.

Dies benötigt allerdings ungeheure Kraft, vor allem, wenn es auf den ersten und zweiten Blick noch ein echtes Geschenk ist. Wenn der Nutzen so leicht fassbar, und der Schaden so abstrakt ist, wie bei der Kohle.

Dies benötigt ungeheure Kraft, vor allem auch aufgrund der quasi betäubend großen Tragweite der Leiden, die dieses vermeintliche Geschenk mit sich bringt.

Nicht alle Menschen haben dieselbe Kraft wie der besagte alte Mann, sich einer solchen Einsicht zu stellen. Die meisten von uns haben aus Selbstschutz lernen müssen, nicht alles Leid da draußen an uns ran zu lassen, selbst wenn wir dazu beigetragen haben.

Dennoch, muss man sich von einem Danaergeschenk natürlich so schnell wie möglich trennen. Bevor es zu spät ist.

Wir müssen uns so schnell wie möglich von der Kohleverstromung trennen, bevor es zu spät ist.

Und so finde ich mich hier und heute in einem moralischen Dilemma.

Einerseits bin ich hier um gegen euch zu reden, den Funktionären und Aktionären von RWE, den Verantwortlichen der Kohleverstromung, und damit den Verursachern unfassbarer menschlicher Leiden heute und in der Zukunft.

Andererseits wäre es töricht zu glauben, dass ihr dies mit einer bösen Intention macht.

Aber ich sehe mich in Anbetracht der aktuellen Situation gezwungen, mich diesem Dilemma zu stellen. Auch wenn ich es vielleicht nicht lösen kann. Aber so kann es nicht weiter gehen.

Auch wenn ihr keine böse Intention hattet, als ihr den Weg beschritten habt auf dem ihr euch hier und heute befindet, würde ich mir wünschen, dass ihr die gute Intention fasst aktiv, bzw. aktiver als heute, euren Teil dazu beitragen, dass die Welt der Zukunft nicht so sehr in Trümmern liegt, wie es sich heute abzeichnet.

Danke.

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