Rede von Markus Dufner

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
sehr geehrter Vorstand und des Aufsichtsrats der RWE AG,

ich heiße Markus Dufner und bin Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Mit unseren 28 Mitgliedsorganisationen und zahlreichen Kooperationspartnern setzen wir uns für Frieden, Umwelt-schutz und Menschenrechte ein – seit nunmehr 32 Jahren.

Jahr für Jahr wächst die Unzufriedenheit mit der RWE AG, der Protest nimmt stetig zu. Heute sind 18 Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen auf der Hauptversammlung und zeigen RWE die Rote Karte! [Rote Karten zeigen]

Hunderte Menschen haben heute Vormittag vor der Grugahalle eine Menschenkette gebildet und mit kreativen Aktionen gegen die fragwürdigen und riskanten Geschäfte dieses Konzerns protestiert. Eine große Drachenfigur symbolisiert den alles verschlingenden Kohlekonzern und Klimakiller RWE. Eine Atemgift-Ambulanz macht darauf aufmerksam, dass die Emissionen der RWE-Kraftwerke und Braunkohletagebaue die menschliche Gesundheit schwer gefährden. Während RWE die Bäume im Hambacher Wald rodet und gewaltsam gegen Waldschützer vorgeht, pflanzen wir Bäume vor der Aktionärsversammlung.

Ich persönlich hoffe, dass der RWE-Vorstand doch noch aufwacht und einsieht, dass sein Geschäftsmodell uns und kommenden Generationen nicht wieder gut zu machende Schäden zufügt. Es sind Geschäfte, die Ihren Profit aus dem Raubbau an Natur und Mensch ziehen. Für das zurückliegende Geschäftsjahr können wir dem Vorstand daher keine Entlastung erteilen.

Auch dem Aufsichtsrat von RWE müssen wir die Entlastung verweigern. Meine Damen und Herren, Sie haben Ihre Kontrollpflichten gegenüber dem Vorstand nicht hinreichend wahrgenommen. Dadurch kam es in der Vergangenheit immer wieder zu strategischen Fehlentscheidungen. Auch der geplante Innogy-Deal ist äußerst fragwürdig und darf nicht vollzogen werden.

So, wie der Deal zwischen RWE und E.on geplant ist, entstünde ein Mega-Energieerzeuger RWE und ein Vertriebsriese E.on. Fachleute wie die Energieexpertin Claudia Kemfert sind davon überzeugt, dass diese Aufteilung einen Rückschlag für die Energiewende bedeuten würde. Michael Frondel vom hier in Essen ansässigen Wirtschaftsforschungsinstitut RWI fragt, ob bei RWE der Kapitalbedarf derart hoch sei, „dass der werthaltigste Teil verkauft werden muss“. Außerdem sprechen kartellrechtliche Bedenken gegen diesen Deal. Das Bundeskartellamt hat angekündigt, besonders auf die Marktmacht von RWE in der Stromerzeugung einzugehen, und auch die Bundesnetzagentur und die EU-Kommission müssen dem Handel zustimmen.

Sehr geehrter Herr Dr. Brandt: Wie sicher sind Sie und die Damen und Herren Aufsichtsräte sich, dass der geplante Deal vor dem Bundeskartellamt und auch vor der EU-Kommission Bestand hat? Was werden Sie tun, wenn es keine Genehmigung für den Deal gibt?

In unserem Gegenantrag zu TOP 2 schlagen wir eine andere Verwendung des Bilanzgewinns vor. Statt 1,50 Euro sollen nur 50 Cent je Aktie als Dividende ausgeschüttet werden. Die dadurch frei werdende Summe von rund 615 Millionen Euro soll für die Beseitigung der Schäden durch die Braunkohletagebaue Garzweiler, Hambach und Inden und für die Einrichtung eines Fonds zur Begleichung von entstehenden Gesundheitskosten zurückgestellt werden.

RWE muss die Rückstellungen für die Beseitigung der Schäden der Braunkohle-tagebaue und für die anteilige Übernahme von Gesundheitskosten, die durch die Kohlewirtschaft entstehen, erhöhen.

Sehr geehrter Herr Dr. Schmitz, der RWE-Vorstand hat in seinem Internetauftritt zwar zu unseren Gegenanträgen Stellung bezogen. So schreiben Sie:

„Unsere Rückstellungen decken alle bestehenden Verpflichtungen und Risiken im Zusammenhang mit unseren Braunkohleaktivitäten umfassend ab.“

Die Klima-Allianz Deutschland hatte bereits 2016 zusammen mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in einer Studie darauf hingewiesen, dass die finanziellen Mittel zur Beseitigung der Schäden der Braunkohletagebaue bei RWE nicht ausreichend gesichert sind.

Zweifel sind auch an Ihrer Aussage zur Versorgungssicherheit angebracht. So schreiben Sie: „Für die Versorgungssicherheit ist die Verstromung heimischer Braun-kohle von großer Bedeutung.“

Eine Analyse der Denkfabrik Agora Energiewende ergibt hingegen, dass das Ab-schalten der 20 ältesten Braunkohlekraftwerke die Stromversorgung in Deutschland nicht gefährden. „Mit dem Abschalten der Kohlekraftwerke würde sich Deutschland nicht von Stromimporten abhängig machen. Es müsste lediglich seine Stromexporte reduzieren“, so Agora-Direktor Patrick Graichen.

Und noch eine Kostprobe aus Ihrer Stellungnahme, Zitat: „Die tagebaubedingten Maßnahmen und Umsiedlungsverfahren erfolgen unter Berücksichtigung aller, auch kulturhistorischer, Aspekte und der Belange der betroffenen Menschen. Die dabei gewährtenindividuellen Entschädigungen wie auch der Ablauf der Umsiedlungen erfolgen sozialverträglich.

Richtig ist: Seit dem Zweiten Weltkrieg sind im Rheinischen Braunkohlerevier 40.000 Menschen umgesiedelt worden – viele von ihnen gegen ihren Willen, einige Familien trifft es bereits zum zweiten Mal. Die Entschädigungsangebote von RWE sind häufig unzureichend. Herr Dr. Schmitz: RWE raubt Menschen die Heimat und damit einen Teil Ihrer Identität. Wie würden Sie reagieren, wenn man Sie gegen Ihren Willen aus Ihrer Villa verjagt, und Ihnen statt eines Grundstücks von 4000 Quadratmetern mit Waldblick eines von 400 Quadratmetern mit Sicht auf die Garage des Nachbarn anbietet?

Beim Abriss des Immerather Doms hat RWE kulturhistorisch wertvolle Glas-fenster nicht gesichert. Erst einer privaten Initiative gelang es Tage vor dem Abriss, noch einige der Fenster der unter Denkmalschutz stehenden Basilika St. Lambertus zu retten. Bereits verschwunden sind wegen des Tagebaus in der Region das mittelalterliche Wasserschloss Harff, das Rittergut Haus Paland, Gutshöfe und Friedhöfe. In den nächsten Jahren sollen die Erkelenzer Stadtteile Berverath, Keyenburg, Kuckum und Westrich umgesiedelt werden, auch dort gibt es Baudenkmäler.

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, wie Sie gehört haben, besteht für RWE sehr wohl Bedarf, höhere Rückstellungen zu bilden. Wir hoffen daher auf Ihre Zustimmung, die vom Konzern vorgeschlagene Ausschüttung einer Dividende von 1,50 Euro pro Aktie abzulehnen und für 50 Cent pro Aktie zu stimmen.

Insbesondere in der Pflicht stehen bei dieser Entscheidung die kommunalen Anteilseigner, die rund 100 Städte, Gemeinden und Zweckverbände, die fast ein Viertel der RWE-Aktien halten.

Daher appelliere ich auch an die hier anwesenden Aufsichtsräte: – Frau Mühlenfeld, Oberbürgermeisterin von Mühlheim, – Herrn Ulrich Sierau, Oberbürgermeister von Dortmund – Herrn Günther Schartz, Landrat des Landkreises Trier-Saarburg, – Herrn Peter Ottmann, Geschäftsführer des Verbands der kommunalen RWE-Aktionäre: Sie können mit Ihrer Stimmenmacht den RWE-Drachen bändigen. Verzichten Sie heute auf einen Teil der Dividende und denken Sie langfristig. Denken Sie an die Gesundheitsschäden und -kosten durch die Kohleverstromung. Denken Sie an den Klimaschutz und bleiben Sie nicht der Bremser der Energiewende. Sie haben einen Amtseid geschworen und sind dem Wohl der Bürgerinnen und Bürger verpflichtet, die Sie repräsentieren.

Sehr geehrte Damen und Herren, seit Januar 2004 gehört der RWE-Konzern dem vom früheren Generalsekretär der Vereinten Nationen Kofi Annan ins Le-ben gerufenen „Global Compact“ an. Mit der Unterzeichnung des Global Compact hat sich RWE verpflichtet, bei seiner Geschäftstätigkeit die Menschenrechte und den Umweltschutz zu fördern.

Die 2015 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossenen Nachhaltigkeitsziele – kurz SDGs – richten sich in besonderem Maße auch an Unternehmen. Es ist erschreckend, wie schlecht RWE bei vielen der 17 Ziele abschneidet:

Beispiel SDG-Ziel 3: Gesundes Leben für alle

Fehlanzeige. RWE belastet die Bevölkerung in den Kohleabbaugebieten und darüber hinaus mit einer Vielzahl von Schadstoffen.

SDG-Ziel 5: Gleichstellung der Geschlechter

Bei RWE gibt es im Vorstand keine Frau, unter den 20 Aufsichtsratsmit-gliedern sind nur 5 Frauen.

SDG-Ziel 6: Wasser und Sanitärversorgung für alle

RWE scheint es egal zu sein, dass aus den USA importierte Kohle durch Mountaintop Removal gefördert wird und dabei das Trinkwasser vergiftet wird.

SDG-Ziel 7: Nachhaltige und moderne Energie für alle

Trotz des enormen CO2-Ausstoßes hält RWE nach wie vor an Kohleverstromung fest, Braunkohle schneidet besonders schlecht ab.

SDG-Ziel 8: Nachhaltiges Wirtschaftswachstum und menschenwürdige Arbeit für alle

Die RWE AG versagt bei der Lieferkettenverantwortung, weil sie sich nicht um Menschenrechtsverletzungen und schwerste Umweltschäden in den Ländern kümmert, aus denen der Konzern die Kohle für seine Kraft-werke bezieht. Für die über 30 Millionen Tonnen importierte Steinkohle, die in unseren Kraftwerken jährlich verbrannt werden, verlieren Indigene in Kolumbien ihr Land, werden in den USA Bergspitzen weggesprengt und in Russland sowie Südafrika Flüsse und Grundwasservergiftet. Die Initiative „Better Coal“ ist allenfalls ein Feigenblatt.

SDG-Ziel 11: Nachhaltige Städte und Siedlungen

RWE nimmt darauf keine Rücksicht, lässt zwangsumsiedeln und zerstört kulturell wichtiger Orte wie Kirchen etc. für die Ausweitung des Rheini-schen Braunkohlereviers.

Ziel 12: Nachhaltige Konsum- und Produktionsweisen

Die Produktionsweise von RWE ist nicht nachhaltig. RWE ist der europa-weit größte Treibhausgasproduzent ist.

Ziel 13: Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen

RWE treibt den Klimawandel voran, anstatt sich klar zu erneuerbaren Energien zu bekennen. So wird Deutschland seine Klimaziele nie errei-chen.

Ziel 15: Landökosysteme schützen

Die Pseudo-Aufforstungsprogramme, die RWE in Braunkohleabbaurevieren durchführt, tragen nicht zu einem Schutz der Landökosysteme bei. Umsiedlungsversuche bedrohter Tierarten, wie z.B. der Bechsteinfledermaus im Hambacher Wald, sind wenig erfolgsversprechend.

Herr Dr. Schmitz, bitte erklären Sie, wie und bis wann die RWE AG bei den genannten Beispielen die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen erreichen will.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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