„Steinkohleimporte – Schäden für Menschenrechte und Klima“: Rede von Kathrin Schröder

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
sehr geehrte Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstands,

mein Name ist Kathrin Schroeder von Misereor, der Organisation für Entwicklungszusammenarbeit der katholischen Kirche in Deutschland.

Nachdem meine Vorredner*innen schon ausführlich auf den Unternehmensbereich der Stromerzeugung mit Braunkohle eingegangen sind, möchte ich den Teil ansprechen, für den RWE Steinkohle nutzt.

MISEREOR begrüßt es sehr, dass der Steinkohleabbau in Deutschland im vergangenen Jahr beendet wurde. Hochproblematisch ist dagegen, dass RWE und andere deutsche Energiekonzerne immer noch an der Steinkohleverbrennung festhalten. Denn es kann nicht angehen, dass wir durch den Import der Steinkohle die Folgen für Menschen und Umwelt jetzt vollständig in Länder wie Russland, Kolumbien oder Südafrika auslagern. Die Auswirkungen sind in diesen Ländern weitaus verheerender als hierzulande.

Für Kolumbien und Südafrika haben Partnerorganisationen von MISEREOR die Probleme vielfach dokumentiert. Der Kohlebergbau verseucht vielerorts Flüsse und Grundwasser mit Schwermetallen – zulasten der Trinkwasserversorgung und der Landwirtschaft. Durch Schadstoffe in der Luft leiden Menschen unter Atemwegserkrankungen. Zudem geht wertvolles Agrarland für den Bergbau verloren, das eigentlich zur Ernährungssicherung gebraucht würde. Wegen der Kohleminen wurden viele Gemeinden zwangsumgesiedelt – und dies ohne ausreichende Konsultation und Entschädigung.. Proteste werden häufig mit Repression beantwortet. In Kolumbien sind sogar diverse Morde an Gemeindevertreter*innen im Umfeld des Kohlebergbaus bekannt.

In Kolumbien ist MISEREOR seit über 50 Jahren mit mehr als 100 Projektpartnern tätig und hat die Entwicklungen im Land – insbesondere den internen bewaffneten Konflikt, die dramatische Menschenrechtssituation und das enorme Ausmaß an Straflosigkeit stets eng mitverfolgt. Ziel unserer Unterstützung ist es vor allem, die Rechte der Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen auch im Umfeld von Kohlebergbauprojekten zu stärken. Einer der wichtigsten Projektpartner ist das Anwaltskollektiv CAJAR.

Liest man die Berichte der Bettercoal-Initiative, auf die RWE sich immer beruft, könnte man den Eindruck gewinnen, alles sei in bester Ordnung oder zumindest auf dem richtigen Weg. In dieser Woche hat MISEREOR am Beispiel des größten Steinkohletagebaus Lateinamerikas, El Cerrejón in Kolumbien, einen Bericht von CAJAR veröffentlicht, der das Gegenteil belegt. Darin wird eine Vielzahl von kolumbianischen Gerichtsurteilen zusammengefasst, in denen die Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen gegenüber den indigenen und afrokolumbianischen Gemeinden in der Umgebung von Cerrejón eindeutig festgestellt wurden.

  • Durch die Verschmutzung von Luft und Wasser wurden die Menschenrechte auf Gesundheit insbesondere von Kindern und älteren Menschen beeinträchtigt. Ein Gericht verfügte daher zum Beispiel besondere Schutzmaßnahmen für den kleinen Moíses im Dorf Provincial, das zu der indigenen Gemeinschaft der Wayuú gehört-der seit seinem sechste Lebensmonat an einer schweren Atemwegserkrankung leidet.
  • Durch Zwangsumsiedlung und Beschneidung indigener Territorien wurden die Rechte auf Information und Selbstbestimmung missachtet und die Rechte auf Nahrung und einen angemessenen Lebensstandard verletzt. Bereits im Jahr 2000 wurden 300 Familien der afrokolumbianischen Gemeinde Tabaco gewaltsam aus ihrem Dorf vertrieben und haben bis heute kein angemessenes Ersatzland erhalten.

Statt über die Bettercoal-Initiative oberflächliche und intransparente Audits in Auftrag zu geben und die Realität schönzufärben, sollte RWE die einschlägigen kolumbianischen Gerichtsurteile lesen und daraus die notwendigen Konsequenzen ziehen. Dies hat zum Beispiel der schwedische Energiekonzern Vattenfall getan und eine umfassende menschenrechtliche Risikoanalyse veröffentlicht, in der die Missstände gut dokumentiert sind.Was Unternehmensverantwortung angeht, hinkt RWE auch anderen Energieunternehmen in Europa und Deutschland insgesamt weit hinterher. Während andere Unternehmen zunehmend feste Lieferbeziehungen mit Bergbauunternehmen anstreben, deren Namen zum Teil veröffentlichen, sich vor Ort ein eigenes Bild von den Abbaubedingungen machen, in besonders problematischen Fällen auch Lieferbeziehungen beenden, kauft RWE die Steinkohle immer noch über den Großhandel und Termingeschäfte ein. Hauptsache billig ist offenbar die Devise. Der Schutz von Umwelt und Menschenrechten ist zweitrangig.Die Verantwortung, die auch Anteilseignerinnen und Anteilseigner für diese Geschäftspraxis haben, möchte ich vor allem den Kommunen unter Ihnen ins Gedächtnis rufen. Sie halten die Anteile von RWE mit öffentlichen Mitteln. In der Bevölkerung, auch in Dortmund, Essen, oder im Hochsauerlandkreis, steigt das Bewusstsein für Klimaschutz und Unternehmensverantwortung. Wie erklären Sie ihren Bürgerinnen und Bürgern, vor allem der jungen Generation in Ihren Städten und Landkreisen, dass Sie weiter zu einem Unternehmen halten, dass seiner Verantwortung so mangelhaft nachkommt?

MISEREOR unterstützt vor diesem Hintergrund die Forderung zahlreicher Organisationen, dass RWE seine Steinkohlekraftwerke so schnell wie möglich stilllegt und damit auch den Import von Steinkohle beendet. Solange RWE noch Steinkohle verbrennt, muss die Einhaltung von Umwelt- und Menschenrechtsstandards höchste Priorität haben. Dazu ist eine grundlegende Veränderung der Einkaufspolitik notwendig. Konkret fragen wir den Vorstand:

  1. AuswelchenLändernhatRWEimvergangenenJahr2018dieSteinkohle importiert und mit in welchen Anteilen? Können Sie ausschließen, dass RWE in den letzten zwei Jahren direkt oder indirekt Steinkohle von dem kolumbianischen Bergbauunternehmen Carbones el Cerrejon eingekauft hat? Wird RWE dem Beispiel anderer Unternehmen folgen und direkte Lieferbeziehungen mit Bergbauunternehmen anstreben?
    Falls dies nicht geplant ist: Was sind die Gründe und wie wollen Sie stattdessen sicherstellen, dass Sie keine Steinkohle aus Minen beziehen, wo Umweltstandards und Menschenrechte massiv verletzt werden?
  2. Wird RWE dem Beispiel anderer Unternehmen folgend, eine eigene menschenrechtliche Risikoanalyse ihrer Lieferketten zu veranlassen und zu veröffentlichen? Falls dies nicht geplant ist: Was sind die Gründe?
  3. WelchekonkretenMaßnahmenergreifenSiebeiFeststellenvon Menschenrechtsverletzungen im Umfeld des Kohleabbaus durch Zuliefererer?
  4. Über welche Beschwerdemechanismen verfügt RWE und wie gewährleisten Sie den Zugang der Betroffenen zu denselben?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://www.kritischeaktionaere.de/rwe/steinkohleimporte-schaeden-fuer-menschenrechte-und-klima-rede-von-kathrin-schroeder/