Rede von Christian Russau

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie bereits im vergangenen Jahr würden mich in diesem Jahr Ihre Kontroll- und Sorgfaltspflichten in Bezug auf die menschenrechtlichen, sozialen sowie umweltbezogenen Dimensionen bei Ihren Zulieferern interessieren. Denn Ihre metallischen Rohstoffe beziehen Sie ja aus konkreten Minen. Und heute, Herr Fuhrmann, sprachen Sie von Ihrem mehrjährigen Programm „Salzgitter 2015“, das u.a. beeinhaltet, im Einkauf 40 Mio. Euro zu sparen.

Nun haben, wie die meisten Dinge im Leben, so auch dieses im seine Kehrseiten. Bitte erläutern Sie mir, welche konkreten Maßnahmen Sie getroffen haben, um die Kehrseiten dieser 40-Mio- Einsparungen im Einkauf, die Sie ja wohl größtenteils im Rohstofferwerb – also Kohle und Erzprodukte – erzielen werden, wie Sie sicherstellen wollen, dass dies nicht auf Seiten Ihrer Zulieferer (und deren Zulieferen) zu weiterem Preisdruck führt, der dann letztlich so angenehm praktisch auf die Schwächsten in der Kette outgesourct wird, sprich: auf Arbeiterrechte, Arbeitssicherheit, auf Umwelt und auf lokale Anwohnerinnen und Anwohner, die unter dem Rohstoffabbau in den Kohle- und Erzminen leiden. Sie haben mir ja im vergangenen Jahr selbst bestätigt, dass Sie zu Ihren Rohstoff-Zulieferen keine Auditoren in deren Minen senden, da dies ja Geld kosten würde, das Geld der Aktionre. Tja, wie so oft findet dort ein falschverstandenes verständnis statt, dass Menschenrechte gegen Geld aufgerechnet werden. Das ist aber grundfalsch, denn Menschenrechte, Herr Fuhrmann, sind nicht verhandelbar!

Also, wenn es nun zu Verletzungen und Verstößen kommt, nehmen wir beispielsweise eine Kohlemine in Kolumbien und eine Erzmine in Brasilien: Wie reagieren Sie dann? Dazu habe ich einige konkrete Fragen:

Ihre Kohle und Kokskohle: Können Sie ausschließen, diese aus Kolumbien zu beziehen? Falls nein, beziehen Sie diese von der Glencore-Mine Cerrejón oder doch eher aus den Drummond-Minen? Das wäre ja kein so unwichtiger Unterschied, beispielsweise was die Situation gewerkschaftlicher Organisierung bis hin zu Fragen im Umfeld der Minen, wo es zum Töten von Gewerkschafter durch paramilitärische Gruppierungen kommt. Oder beziehen Sie Ihre Kohle beispielsweise aus Südafrika? Oder Kanada? USA (haben Sie schon mal was vom Mountain-Top-Removal gehört? Können Sie ausschließen, von einer solchen Firma Kohe zu beziehen?)

Zu Ihrer Erzbeschaffung. Mit Stolz – und, Herr Fuhrmann – mit einem gewissen unverhohlenem Triumphalismus in der Stimme erläuterten Sie mir im vergangenen Jahr, bei der Erzbeschaffung sei die Salzgitter AG in 2014 „Null Gramm Carajás“ gewesen. Das ist ja erst einmal löblich, löblich ist auch, dass Sie das mit solchem überzeugendem Triumphalismus und aus ganzer Inbrunst von sich gaben, denn das ermöglichte es uns, den brasilianischen Menschenrechtsgruppen genau davon zu berichten, die natürlich nichts lieber taten, als genau diesen Ihren Stolz darüber, „Null Gramm Carajás“ zu beziehen, der Firma Vale mitzuteilen, die sich schon ein wenig darüber gewundert haben dürften. Soviel zu transnationalen Netzwerken von Umwelt- und MenschenrechtsaktivistInnen, das dürften Sie nicht so sträflich unterschätzen, das kann manchmal ganz schön nach hinten losgehen. Und, im Übrigen, meine diesjährige Frage diesbezüglich lautet: Waren Sie in 2015 immer noch „Null Gramm Carajás“? Im übrigen werde ich diese Frage von nun an jedes Jahr stellen.

Also, zu Ihrer Erzbeschaffung: Sie sagten, Herr Fuhrmann, im vergangenen Jahr, Salzgitter bezöge neben Schweden sein Erz auch aus Brasilien. Sie nannten CSN und Vale, aus Minas Gerais. Nun, dann muss ich doch konkret nachfragen: Von Vale direkt oder von der Vale- Tochter Samarco? Die Bilder des Dammbruchs der Bergwerksdeponie bei Mariana im Bundesstaat Minas Gerais haben Sie sicherlich alle gesehen, Sie haben wohl auch den Tagesthemen-Bericht anläßlich 6 Monate Dammbruch gesehen, auf 680 Kilomter ist der Fluss Rio Doce tot, 19 Menschen sind gestorben in der Klärschlammwelle, tausende Fischer entlang des Flusses stehen vor dem Nichts, über eine Million Menschen entlang des Flusses sind von der gesicherten Wasserversorgung abgeschnitten. Haben Sie in der Vergangenheit von Samarco Pellets gekauft? Wenn ja, wann und wie viel?

Im Übrigen muss ich Sie darauf hinweisen, dass es in Minas Gerais 700 weitere solche Bergwerksdeponien, Tailings, gibt, von den rund 20 % laut Schätzungen der zuständigen Behörden akut bruchgefährdet sind. Die dortige Behörde hat zwei Mitarbeiter zur Überwachung von über 700 Dämmen. Eine konkrete Frage hierzu habe ich auch noch: Uns wird ja immer gerne vorgeworfen, wir könnten nur kritisieren und nichts Konstruktives beitragen. Nun denn, dann will ich das hier mal versuchen: Die meisten Dämme (tailings) von Bergwerksdeponien werden nach dem Upstream-Verfahren gebaut, dann gibt es noch das Center-Verfahren und das Downstream- Verfahren. Dazu gab es im Wall Street Journal einen informativen Hintergrundbericht vor drei Monaten, wenn ich mich recht entsinne.

Das letzte, das Downstream-Verfahren, ist das teuerste, aber es ist das sicherste aller Verfahren. Zur Erinnerung: die Statistik zu Dammbrüchen sagt, dass Tailingbrüche, also Brüche von Dämmen von Bergwerksdeponien, statistisch um den Faktor 10 häufiger brechen als Wasserkraftstaudämme (weswegen interssanterweise die International Commission on Large Dams (ICOLD) in ihrem 58.000 Staudämme umfassenden Register laut dem WSJ keine Dämme von Bergwerksdeponien aufnehmen mag, weil die ja dann die Statistik der Dammbrüche so verheerend aussehen lassen…).

Es wäre doch mal ein erster Schritt, wenn die Salzgitter AG für die Zukunft festlegen würde, dass Upstream-Verfahren bei Tailings (also Bergwerksdeponien) in Zukunft als klares Ausschlusskriterium bei der Rohstoffbeschaffungihrer Zulieferer durchzusetzen. Ein erster Schritt…

Allgemein würde mich interessieren: Wie also kontrollieren Sie die Herkunft der Rohstoffe, wie lückenlos ist die Kontrolle Ihrer Sorgfaltspflicht, wie dokumentieren und kontrollieren Sie das? Und wie kontrollieren Sie die Zulieferer Ihrer Zulieferer? Interessante Frage, die Sie sicherlich mit einer interessanten Antwort befriedigen können. Und vergessen Sie nicht: all das wird in den nächsten Jahren auf Sie zukommen, wenn die EU endlich die Auflagen zur Sorgfaltspflicht in der Zuliefererkette als Gesetz verabschiedet haben wird. Also, fangen Sie besser heute schon mal an, kräftig zu üben, sich in Transparenzpflicherfüllung hervorzutun. Ich denke, Sie haben das nötig. Aufschlussreich scheint mir auch ein Blick in Ihren Jahresbericht. Dort tauchen „Rohstoffe“ als Begriffe nur auf, wenn es um die Preisentwicklung und das Risiko der Rohstoffsicherung geht. Der Begriff „Menschenrechte“ taucht da interessanterweise gar nicht auf. „Umwelt“ taucht in Ihrem Jahresbericht immer dann auf, wenn es um Umwelt-Auflagen, Umwelt-Risiken und umweltrechtliche Bestimmungen geht.

Tja, vor allem im Hinblick auf Rohstoffbeschafung reden sich die Konzerne ja immer gerne raus. Daimler sagte mir sinngemäß auf der HV letztes Jahr den bemerkenswerten Satz „Aufgrund der Komplexität im Bereich Rohstoffe steht eine detaillierte Rückverfolgung der Rohstoffe auf deren sozial- und umweltbezogene Produktionszusammenhänge derzeit in keinem Kosten-Nutzen-Verhältnis“. Tja, ignoranter und zynischer kann angesichts eines Milliardengewinns eines DAX-Konzerns ja kaum über Menschenrechte und Umwelt lapidar als Kollateralschaden hinweggesehen werden. Ich will von Ihnen gerne hören, wie Sie es anders zu machen gedenken!

Nächstes Thema: Salzgitter AG ist mit 25% der größte Hauptaktionär bei Aurubis und stellt deswegen auch den Aufsichtsratsvorsitzenden. Aurubis bezieht einen Großteils seines Kupfers aus der peruanischen Mine Tintaya Antapaccay. Schauen wir uns die doch mal gemeinsam etwas genauer an: Was macht diese Kupfermine so mit Mensch und Natur? In den letzten Jahren stellten die lokalen Bauern und Bäuerinnen immer wieder Missbildungen bei Schafen, Lamas und Alpakas fest. Dies hat Zweifel an der Verlässlichkeit von Glencores Umweltmonitorings genährt. Zivilgesellschaftliche Organisationen haben daher unabhängige Wasser- und Bodenanalysen durchführen lassen: Bei 29 von 50 Wasserproben wurden die peruanischen Höchstwerte für Schwermetalle überschritten, sie waren daher für den menschlichen Konsum ungeeignet; 15 der Wasserproben waren auch für Tiere schädlich. Auch die im Rahmen einer staatlichen Untersuchung entnommenen Blut- und Urinproben der Anwohner/innen der Minen enthielten erhöhte Schwermetallkonzentrationen von Blei und Quecksilber. Tja, kennen Sie diese Untersuchungen?

Nächstes Thema: Wie immer tätigen Sie in Ihrem Jahresbericht keinerlei Aussagen zu Ihren CO2-Emissionen, dort taucht lediglich immer wieder recht gebetsmühlenartig die Forderung nach kostenlosen Zuteilung der CO2-Zertifikate durch den Staat. Ich würde gerne von Ihnen wissen, wie viele CO2-Emissionen die Salzgitter AG konzernweit im Jahr 2015 in die Atmosphäre gestoßen hat? Es wäre an der Zeit, dass Sie, Herr Fuhrmann, die Zeichen der Zeit erkennen. Sie sprachen vorhin in Bezug auf die kommenden neuen Zuteilungen der Emissionszertifikate den denkenswerten Satz, die Sicht auf den Klimawandel sei ja weltanschaulich geprägt. Klimawandel ist eine Realität und hängt leider nicht von des Menschen Willen und Vorstellung ab, wir machten uns die Welt, wie sie uns gefällt. Ich hätte gerne von Ihnen eine konkrete Roadmap zur Reduzierung Ihres CO2-Austoßes vernommen. Entweder reduzieren Sie Ihren CO2-Fussabdruck oder die Salzgitter AG wird zu einem fossilen Dinosaurier, der als stranded asset auf dem Müllhaufen der Geschichte landet.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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