Kohleausstieg, Stellenabbau, Menschenrechte: Unsere Fragen an den Vorstand von Siemens Energy

In unserem Gegenantrag kritisieren wir, dass der Vorstand der Siemens Energy AG nicht hinreichend seiner Verantwortung nachkommt, einen Beitrag zu den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens und der UN-Nachhaltigkeitsagenda zu leisten.

Fragen zum Klimaschutz allgemein:

Die vom Vorstand der Siemens Energy AG angekündigten Klimaschutzmaßnahmen werden dem Pariser Klimaschutzabkommen nicht gerecht. Es braucht dringend einen konkreten Fahrplan zur Reduktion der eigenen Treibhausgasemissionen, die dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens entspricht. Entscheidend ist dafür eine zügige Minderung der CO2-Emissionen, die durch die Nutzung von Siemens-Energy-Produkten entstehen (Scope 3).

  • Während die Siemens AG Ihre aktuellen Scope-3-Emissionen transparent ausweist, werden diese im aktuellen Nachhaltigkeitsbericht der Siemens Energy AG nicht erwähnt. Was sind die Gründe hierfür?
  • Ihr Ziel der Klimaneutralität bis 2030 ist zwar lobenswert, doch bezieht sich dies nur auf Scope 1 und 2. Wieso haben Sie keine Reduktionsziele für den Scope 3?
  • Wenn Sie Ihre Verantwortung für den Klimaschutz ernst nehmen, müssen Sie aber auch die tatsächlichen und potentiellen Klimaschäden Ihrer Produkte und die Emissionen ihrer gesamten Wertschöpfungskette analysieren und Gegenmaßnahmen einleiten. Was planen Sie dazu für konkrete Maßnahmen?
  • Siemens hatte letztes Jahr angekündigt, bis 2025 eine Milliarde Euro bereitzustellen, um die Treibhausgasemissionen der Wertschöpfungskette zu reduzieren. Nun soll die Hälfte davon auf Siemens Energy entfallen. Ist dies korrekt und wenn ja, wie wollen Sie diese Mittel genau nutzen?
  • Kann Siemens Energy sicherstellen, dass die eigenen Klimaziele dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens gerecht werden? Ist dazu eine unabhängige Prüfung geplant, zum Beispiel durch die Science Based Targets Initiative?

Fragen zu Siemens Gamesa und Westsahara:

Windräder von Siemens Gamesa, nun ein Tochterunternehmen von Siemens Energy, stehen in dem von Marokko besetzen Teil der Westsahara. Internationale Gerichte haben immer wieder klargestellt, dass die Westsahara nicht zum marokkanischen Staatsgebiet gehört und es sich um eine völkerrechtswidrige Besatzung handelt. Jegliche das Territorium der Westsahara betreffenden Projekte bedürfen der vorherigen Zustimmung der anerkannten Vertretung des sahrauischen Volkes. Siemens Gamesa hat diese Erlaubnis bisher nicht eingeholt. Anfang September 2020 bestätigte Siemens Gamesa den Auftrag für den 300MW-Windpark Boujdour in der von Marokko besetzten Westsahara. Norwegens größte private Vermögensverwalterin Storebrand hat nun nicht nur Siemens Gamesa, sondern auch Siemens Energy explizit wegen völkerrechtlicher Bedenken aus dem eigenen Portfolio ausgeschlossen.

  • Teilt Siemens Energy die geographische Einschätzung von Siemens Gamesa, dass der Windpark im „südlichen Marokko“ entstehen soll und widerspricht damit der Auffassung der UN und des europäischen Gerichtshofs? Auf welcher rechtlichen Grundlage kommt Siemens Energy zu seiner Einschätzung?
  • Hat Siemens Energy Kenntnis davon, dass Siemens Gamesa die Zustimmung des sahrauischen Volkes für seine Aktivitäten in Bezug auf den Windpark eingeholt hat, wie es internationales Recht in einem Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung wie der Westsahara erfordert? Falls nicht, mit welcher rechtlichen Grundlage betreibt Siemens Energy Geschäfte in der Westsahara?
  • Der Vertag für den Boujdour-Windpark wurde mit dem Unternehmen Narvea abgeschlossen, welches sich im Besitz des marokkanischen Königs befindet. Dadurch sorgt Siemens Gamesa dafür, dass der politisch für die Besatzung der Westsahara verantwortliche König persönlich von der Besatzung profitieren kann. Ist diese Stabilisierung der völkerrechtswidrigen Besatzung aus Sicht von Siemens Energy ethisch vertretbar?
  • Im November 2020 warnte eine Gruppe von Mitgliedern des Europäischen Parlaments Siemens vor „schweren rechtlichen und moralischen Risiken“ bei Geschäften in der Westsahara. Wieso hat Siemens Energy diese Warnung ignoriert und hielt weiter an diesen Geschäften fest?
  • Erste Konsequenzen dieser Entscheidung zeigen sich bereits: Im Januar 2021 schloss die größte private Vermögensverwaltung Norwegens, Storebrand, Siemens Energy und Siemens Gamesa wegen völkerrechtlicher Bedenken bei Geschäften in der von Marokko besetzten Westsahara aus ihrem Portfolio aus. Wie hoch schätzt Siemens Energy das Risiko ein, dass weitere investierende Unternehmen dem Beispiel von Storebrand folgen?
  • Werden Sie nach dem Rückzug des norwegischen Vermögensverwalters Storebrand die Aktivitäten und Pläne von Siemens Gamesa in der Westsahara überprüfen?
  • Am 18. November 2020 erklärte die UN-anerkannte Vertretung des sahrauischen Volkes, die Frente Polisario, die gesamte Westsahara zum Kriegsgebiet und forderte alle ausländischen Firmen auf, ihre Geschäfte in den besetzten Gebieten unverzüglich zu beenden. Wird Siemens Energy dieser Aufforderung des Volkes der Westsahara folgen?
  • Nach den uns vorliegenden Angaben liegt die Beschäftigungsquote von saharauischen Arbeitnehmer*innen bei 2 Prozent, es handelt sich nur um Nebentätigkeiten. Wie viele saharauische Arbeitnehmer*innen beschäftigt Siemens Gamesa?

Fragen zum geplanten Kohleausstieg:

  • An wie vielen Bieterverfahren bzw. Ausschreibungen für Beteiligungen und Lieferungen an neue Kohlekraftwerke nimmt Siemens Energy aktuell noch teil, die nicht von den angekündigten Plänen zum Kohleausstieg betroffen sind?
  • Um welche Projekte handelt es sich und welchen preislichen Umfang hätten die Aufträge, solle Siemens Energy die Zusage erhalten?

Fragen zu Beteiligung an fossilen Gasprojekten:

  • Hat es zwischen Oktober 2020 und Januar 2021 Treffen zwischen Mitarbeiter:innen von Siemens Energy oder im Auftrag von Siemens Energy und Vertreter:innen der israelischen Regierung, dem Infrastruktur-Komitee, das für das Reindeer-Gaskraftwerk zuständig ist, oder weiteren für das Gaskraftwerk relevanten Planungsbehörden gegeben? Wenn ja, welche Themen wurden bei diesen Treffen besprochen?
  • Plant Siemens Energy sich am Bau der EastMed-Pipeline zu beteiligen oder sich an Ausschreibungen für Zulieferungen für die Pipeline zu beteiligen?
  • Wurden im Zusammenhang mit den Zulieferungen zu dem LNG-Projekt in Mosambik die Konflikte geprüft, die mit dem Projekt in Zusammenhang stehen und hat diese Situation eine Rolle in der Entscheidung für eine Teilnahme gespielt?
  • Zu wie vielen LNG-Projekten hat Siemens bzw. Siemens Energy im vergangenen Jahr Zulieferungen geleistet und für welche?

Fragen zum geplanten Stellenabbau:

  • In der Vergangenheit hat Siemens bei der Ankündigung von geplanten Stellenkürzungen immer auch die Zahl der neu geplanten bzw. zusätzlichen Stellen kommuniziert. Die Branche der Erneuerbaren Energien hat weiterhin ein großes Potential, zukunftssichere Arbeitsplätze zu schaffen. Erneut berichtet die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) über deutliche Jobzuwächse in allen globalen Energiemärkten. Wie viele neue Stellen plant die Siemens Energy AG bis zu Jahr 2025, insbesondere im Bereich der Erneuerbaren Energien?
  • Auch in der Verwaltung hat Siemens Energy exzellentes Know-how im Bereich der Energietechnik, die sich nicht nur auf Kohle, Öl und Gas beschränkt. Inwieweit wurden und werden Umschulungen und die Erschließung neue Geschäftsfelder im Bereich der erneuerbaren Energien in Betracht gezogen, um den Stellenabbau zu reduzieren? Wenn nicht, aus welchen Gründen?

Fragen zur Beteiligung am Wasserkraftwerk „Hidroituango“ in Kolumbien:

Siemens lieferte Transformatoren, Schaltanlagen sowie weitere elektrische Ausrüstung für das Wasserkraftwerk „Hidroituango“ in Kolumbien. Hunderte Flussanwohner*innen, die ihre Lebensgrundlage und ihre Bleibe verloren haben, wurden nie entschädigt. 2018 kam es nach erheblichen Problemen beim Bau zu Überschwemmungen und Flutwellen, zeitweise mussten 25.000 Menschen evakuiert werden. Siemens hatte kommuniziert, das Gespräch mit weiteren beteiligten Akteuren zu suchen, um gegebenenfalls gemeinsame Maßnahmen für die vom Projekt betroffenen Menschen zu veranlassen, sollten die Arbeiten fortgesetzt werden. Die Arbeiten wurden fortgesetzt, nun stellte sich auch noch heraus: einer der für die Katastrophe von 2018 verantwortlichen, da nicht funktionierenden Abflusstunnel wurde ohne Umweltlizenz erbaut, der Betreiber ist daher zu einer weiteren Strafzahlung in Millionenhöhe verurteilt worden.

  • Bestehen weiterhin Geschäftsbeziehungen und Verträge von Siemens Energy mit am Wasserkraftwerk „Hidroituango“ in Kolumbien beteiligten Unternehmen? Wenn ja, in welcher Form?
  • Hat es auf Initiative von Siemens bzw. Siemens Energy Gespräche mit weiteren beteiligten Akteuren gegeben? Falls ja, wurden auch Maßnahmen für die vom Projekt betroffenen Menschen thematisiert?

Fragen in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Voith Hydro:

  • Wird Siemens Energy auf eine stärkere Prüfung der umwelt- und menschenrechtlichen Risiken sowie Reputationsrisiken bei den Geschäften von Voith Hydro hinwirken? Falls ja, in welcher Form?
  • Wird sich Siemens Energy weiterhin direkt oder indirekt an Wasserkraftwerksprojekten beteiligen, die hauptsächlich Strom für die Gewinnung von fossilen Energieträgern generieren?

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