„Auch in Kolumbien unterstützen Sie die Kohleindustrie“: Rede von Alejandro Pacheco

Hinweis: Aufgrund von Krankheit konnte Alejandro Pacheco die Rede nicht auf der Hauptversammlung halten. Wir möchten die Rede unseren Leser*innen jedoch nicht vorenthalten:

Sehr geehrter Herr Kaeser, 
sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrates,
sehr geehrte Damen und Herren, 

mein Name ist Alejandro Pacheco. Ich spreche hier für den Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre und das Ökumenische Büro für Frieden und Gerechtigkeit.  Ich habe einige Fragen zu Projekten in meinem Heimatland Kolumbien und zur fortgesetzten Zusammenarbeit mit Voith Hydro bei hochumstrittenen Staudammprojekten auch in anderen Ländern.

Zunächst aber ganz kurz zwei Anmerkungen zu Ihren Hauptvorträgen heute bei der Hauptversammlung.

Herr Snabe, Herr Kaeser, Sie sprechen wortreich über Nachhaltigkeit und Umwelt, Sie vergessen aber den Faktor „Mensch“, und damit die Menschenrechte der von Projekten Betroffenen. Und Herr Kaeser, Sie sprachen in Ihrer Rede von notwendigen Unterschieden zwischen Industrie- und so genannten Entwicklungsländern. Meinen Sie damit, dass für den Globalen Süden andere Standards gelten sollten?

1.) Zum Staudamm-Projekt Hidroituango in Kolumbien:
Siemens hat Transformatoren, Schaltanlagen und Ausrüstungen für Hidroituango geliefert. Das Projekt hatte von Anfang an Probleme mit den Umweltlizenzen und mit Korruptionsvorwürfen. Die Problematik war bekannt, noch bevor Siemens Verträge unterzeichnete.  Die Folgen zeigen sich jetzt: Dem Träger des Projektes wurde von der Umweltbehörde Ende Februar 2019 umgerechnet 700.000 Euro[1] und Ende Dezember 2019 1,5 Millionen[2] Euro an Strafzahlungen auferlegt.  Seit November 2019 wird zudem gegen 34, teils hochrangige, Privatpersonen und Politiker ermittelt[3], weil sie für die irregulären Vorgehensweisen in Bezug auf Hidroituango Mitverantwortung tragen.
Leider mussten wir in Ihrem 2019 Bericht En Colombia para Colombia. Business to Society Report lesen[4], dass Sie sich auf die Kontinuität des Projekts und die Lieferungen an das Unternehmen freuen.
Frage: Ist ein kleiner Vertrag mit einem Projekt so viele schwerwiegende Probleme und dramatische Folgen wie im Fall Hidroituango wert? Sind Ihnen die ganze Umweltzerstörung und die schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen wirklich egal? 

Soweit wir wissen, haben Sie den Opfern zugesagt, Sie wollten das derzeit gestoppte Projekt einem Monitoring unterziehen. Haben Sie schon einen Bericht erstellt bzw. irgendwelche Entscheidungen dazu getroffen?

Wie positioniert sich Siemens zu den neuen Untersuchungen der Interamerikanischen Bank[5] gegen Hidroituango wegen Korruption, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung?  

Nach einem Bericht des kolumbianischen Obersten Rechnungshofes[6] hat Hidroituango gegen verschieden Umwelt-, technische und finanzielle Gesetze bzw. Verwaltungsvorgaben verstoßen. Sind dies nicht genug Gründe, den Vertrag zu kündigen? 

Haben Sie schon eine Entscheidung getroffen, wie Siemens die Opfer direkt unterstützen kann? Wenn nein, warum nicht?

2.) SIEMENS unterstützt auch in Kolumbien den Kohlebergbau und Kohlekraftwerke.
In Ihrem Kolumbien-Bericht heißt es, dass Siemens-Technologie zur Erzeugung von 40 Prozent der durch Gas und Kohle elektrischen Energie im Land beiträgt und dass 40 Prozent der Transportflotte der Cerrejón-Mine mit Siemens-Technologie ausgestattet sind. Die Kohlemine El Cerrejon gehört zu den bekanntermaßen größten Klimakillern und Menschenrechtsverletzern weltweit. Das Betreiber-Unternehmen befindet sich deswegen selbst in Schwierigkeiten.

Fragen: Welchen Sinn hat es, über Nachhaltigkeit zu reden während Sie weiter an Kohleminen liefern und stolz die Verträge weiter erfüllen?
Wie lange wird die Unterstützung von SIEMENS für die Kohle- und Erdölförderung noch andauern? Es geht nicht nur darum, die Minen effizienter zu machen, wie Sie gesagt haben, sondern um wirkliche Schritte zur Nachhaltigkeit zu unternehmen. Dazu gehören Bergbau und Erdölförderung auf keinen Fall.

3.) Seit 2018 ist der bewaffnete Konflikt in Kolumbien wieder eskaliert, verschiedene bewaffnete Gruppierungen sind aktiv. Mitarbeiter verschiedener Firmen und Organisationen wurden entführt oder ermordet[7]. Schutzgelder sind im Land sehr bekannt.
Frage: Hat SIEMENS in Kolumbien Schutzgelder bezahlt? Wenn ja, an welche Gruppen? 

4.) Zur weiteren Beteiligung von SIEMENS an umstrittenen Wasserkraftprojekten.

Über das Joint Venture mit Voith Hydro beteiligt sich die Siemens AG an Wasserkraftprojekten, die gegen Menschenrechte verstoßen und zu Umweltproblemen führen.

Am 10. Januar vergangenen Jahres unterzeichnete Voith Hydro Shanghai, ein Tochterunternehmen von Voith Hydro, das zu 35 Prozent Siemens gehört, ein Abkommen mit dem Äthiopischen Staat über die Lieferung von sechs Turbinen an das im Bau befindlichen 6.450 Megawatt Wasserkraftwerk Grand-Ethiopian-Renaissance-Dam (GERD) am Blauen Nil. Das Projekt ist hoch umstritten, weil es zu schweren diplomatischen Spannungen zwischen Ägypten und Sudan einerseits und Äthiopien anderseits geführt hat. Die flussabwärts gelegenen Länder Sudan und Ägypten befürchten, dass durch die Befüllung des Reservoirs des geplanten Stausees ihre Wasserversorgung durch den Nil gefährdet wird. Bisherige Verhandlungen haben keine Ergebnisse erbracht und Experten warnen vor einer wachsenden Kriegsgefahr in der Region. 

Zusätzlich steht das gesamte Projekt mit massiver Korruption im Zusammenhang. Am 27. Dezember vergangenen Jahres hat die äthiopische Staatsanwaltschaft Anklage wegen Korruption gegen 50 zum Teil hochrangige Beamte und Führungskräfte des halbstaatlichen METEC Konsortiums, das für das Projekt verantwortlich ist, erhoben.

In Kanada, in British Columbia, beteiligt sich Voith Hydro am Bau des umstrittenen Staudamms Site C am Peace River. Das Projekt wird von den indigenen Gruppen in der Region West Moberly und Prophet River abgelehnt, weil es deren heilige Stätten zerstören würde. Zudem würde der Staudamm die Migration von Lachsen unterbrechen und so einen wichtigen Aspekt der indigenen Kultur – den Lachsfang – zunichtemachen. Die West Moberly Indigenen wollen deshalb gegen das Projekt vor Gericht ziehen, da es den “Treaty eight”, also den achten Vertrag mit Indigenen missachtet, in dem der kanadische Staat im Jahr 1899 deren territorialen Rechte anerkannt hat. Aus diesem Grund hat auch der Committee on the Elimination of Racial Discrimination der Vereinten Nationen (CERD) das Projekt verurteilt und Kanada aufgefordert, die Bauarbeiten zu beenden. Der Strom aus dem Staudamm soll nicht zuletzt genutzt werden, um die dortige Förderung von Erdgas zu versorgen. Dabei kommt in der Region immer häufiger das umstrittene Fracking zum Einsatz. Fracking kann Erdbeben verursachen, die wiederum die Sicherheit des Staudamms Site C gefährden. Dennoch wird weitergebaut und Voith Hydro will daran mitverdienen, indem das Unternehmen sechs Francis-Turbinen und sechs Generatoren liefert.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Beteiligung von Siemens über Voith Hydro an diesen Projekten verstößt gegen Menschenrechte und es ist nicht hinnehmbar, dass Sie dies einfach tolerieren! Was haben Sie aus den Debakeln mit Belo Monte und Agua Zarca gelernt? Wann beendet Siemens sein Engagement bei Voith Hydro?
Wenn ich mich gut erinnere, haben Sie letztes Jahr gesagt, sie hätten kein Interesse mehr an Großstaudämmen. Der Bericht der World Commission on Dams (WCD)[8] ist Ihnen ja ganz gut bekannt, sie haben ihn unterstützt.  

Deshalb die letzte Frage: Wird Siemens Energy weiter Geschäfte mit Großstaudämmen abschließen?

Für Ihre Aufmerksamkeit vielen Dank!


[1] anla.gov.co/index.php/es/ciudadania/sistemas-de-informacion/ruia-registro-unico-de-infractores-ambientales

[2] noticias.caracoltv.com/hidroituango-en-emergencia/anla-impone-nueva-sancion-hidroituango-por-mas-de-cinco-mil-millones-de-pesos-ie35288

[3] semana.com/nacion/articulo/fiscalia-cuestiona-adjudicacion-a-dedo-de-obras-para-la-construccion-de-hidroituango/603124

[4] assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:457a67ff-c8c9-407e-81b6-e30fefd120b5/version:1571754156/b2s-en-colombia-para-colombia-2019.pdf

[5] portafolio.co/negocios/empresas/el-bid-investigara-hidroituango-por-crisis-que-genero-535492

[6] contraloria.gov.co/documents/20181/782041/2019-+HIDROITUANGO+Informe+de+actuaci%C3%B3n+especial+-++Control+excepcional+a+los+recursos+del+proyecto+de+generaci%C3%B3n+el%C3%A9ctrica+Agosto+-+2019.pdf/c02b4a8c-daae-4f2e-bc64-0d6ddc8cf1d3?version=1.0

[7] Siehe z.B.
eltiempo.com/colombia/cali/quienes-eran-los-ingenieros-asesinados-en-el-cauca-429578

wradio.com.co/noticias/regionales/tres-ingenieros-de-la-continental-gold-fueron-asesinados-en-antioquia/20180920/nota/3801616.aspx

elcolombiano.com/colombia/paz-y-derechos-humanos/secuestro-empleados-maquinaria-en-ituango-por-las-disidencias-de-las-farc-JD11746384

eltiempo.com/colombia/medellin/dos-ingenieros-fueron-asesinados-en-urrao-suroeste-de-antioquia-366878

[8] internationalrivers.org/sites/default/files/attached-files/world_commission_on_dams_final_report.pdf

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