Gegenanträge

Zu Tagesordnungspunkt 3: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands

Den Mitgliedern des Vorstandes wird die Entlastung verweigert.

Begründung:

Der Vorstand der Siemens AG wird seinen menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nicht gerecht.

Erst in den letzten zwei Jahren hat sich der Vorstand ernsthaft bemüht, mögliche Menschenrechtsverletzungen bei eigenen Projekten und in der Lieferkette überhaupt identifizieren zu können. Im Nachhaltigkeitsbericht 2018 stellt Siemens aufgrund der gesammelten Erkenntnisse fest:

„Im Kontext großer Infrastrukturprojekte wird offensichtlich, dass Menschenrechte indigener und besonders schutzbedürftiger Gemeinschaften […] potenziell dem Risiko nachteiliger Einwirkungen ausgesetzt sind.“

Siemens Nachhaltigkeitsinformationen 2018, S. 45

Das neue Programm zur Achtung der Menschenrechte soll aber erst „im Laufe der nächsten Jahre“ umgesetzt werden. Dass Siemens dringend effektive Indikatoren für menschenrechtliche Problematiken benötigt, zeigt sich in einer Reihe von umstrittenen Infrastrukturprojekten:

Windkraftprojekte von Siemens erschweren Lösung des Westsahara-Konflikts

Inmitten des Konflikts um die von Marokko besetzen Gebiete der Westsahara kooperiert Siemens mit einer Energiefirma, die sich im Besitz des marokkanischen Königs befindet und am Aufbau und an der Wartung mehrerer Windparks in den besetzten Gebieten beteiligt ist.

Der Internationale Gerichtshof hat deutlich gemacht: Marokko hat kein Recht auf die besetzten Gebiete. Der Gerichtshof der Europäischen Union urteilt: Marokko hat kein Recht, im Hinblick auf die Westsahara Verträge abzuschließen, ohne zuvor die Zustimmung der anerkannten Vertretung der saharauischen Bevölkerung einzuholen. Dies ist bei den genannten Windparks nicht geschehen. 2018 hat Siemens einen neuen Wartungsvertrag über 15 Jahre mit der marokkanischen Regierung geschlossen. Die Windparks liefern Energie für die Minen, welche die marokkanische Regierung – ebenfalls illegal – in den genannten Gebieten betreibt. Damit werden die Bemühungen des zuständigen UN-Sonderbeauftragten und Altbundespräsidenten Horst Köhler erschwert, den Konflikt durch Verhandlungen zu lösen.

Menschenrechtsverletzungen durch Staudammprojekte in Kolumbien

Siemens lieferte Transformatoren, eine Schaltanlage sowie weitere elektrische Ausrüstung für die umstrittenen Wasserkraftwerke Hidrosogamoso und Hidroituango in Kolumbien.

Beide Projekte wurden in Regionen geplant und umgesetzt, die sehr stark vom bewaffneten Konflikt betroffen sind. Trotz der Proteste von Angehörigen und Menschenrechtsorganisationen wurden in beiden Fällen Massengräber überschwemmt. In Fällen von Morden und gewaltsamen Verschwindenlassen können die sterblichen Überreste, nach denen Familien bis heute suchen, nicht mehr gefunden werden. Morde an und Drohungen gegen Staudammkritiker*innen sind seit Jahren bekannt. So wurden allein 2018 drei Mitglieder der Organisation Ríos Vivos, die sich kritisch mit Hidroituango auseinandersetzt, und drei ihrer Familienangehörigen ermordet.

Im Fall von Hidroituango war von Beginn an offensichtlich, dass die Lizenzen ohne Rücksicht auf Naturschutzgebiete und ohne Beachtung des Rechtes indigener Gemeinden auf vorherige, freie und informierte Konsultation und teils erst nachträglich erteilt wurden. Im vergangenen Jahr kam es durch verstopfte Tunnel zu Erdrutschen und Überflutungen. Hunderte Familien verloren ihr gesamtes Hab und Gut. Bis heute ist unklar, wie die Opfer der Katastrophe entschädigt werden. Viele Familien sind noch immer in einer provisorischen Notunterkunft oder privat untergebracht.

Im Fall Hidrosogamoso haben auch zahlreiche regulär umgesiedelte Menschen keine angemessene Entschädigung erhalten, ihnen wurden keinerlei Alternativen für ihre verlorenen Lebensgrundlagen angeboten. Durch die ökologischen Folgen beider Projekte sind Fischfang, Landwirtschaft und Tourismus stark beeinträchtigt.

Indigene Rechte in Kanada missachtet

Über das Siemens Joint-Venture mit Voith, Voith-Hydro, beteiligt sich Siemens auch am Bau des umstrittenen Staudamms Site C am Peace River in British Columbia, Kanada. Voith Hydro soll die Turbinen und die elektromechanische Ausstattung des Kraftwerks liefern. Durch den Bau werden die seit 1899 im Treaty 8 garantierten Landrechte der indigenen Bevölkerung missachtet, weshalb eine indigene Vereinigung mit juristischen Mitteln gegen das Projekt vorgeht. Roland Willson, Chief der West Moberley First Nations erklärte, dass Site C einem „kulturellen Genozid“ gleichkomme. Dieser Sichtweise haben im Dezember vergangenen Jahres auch die Vereinten Nationen Recht gegeben: der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung verlangte von Kanada, das Projekt zu unterbrechen, um gemeinsam mit den Betroffenen Alternativen für das 10,7 Milliarden teure Projekt zu erarbeiten.

Neben den Landrechten von Indigenen würden durch den Staudamm über 2.000 Hektar landwirtschaftliche Fläche verloren gehen. Durch die nötig werdenden Lebensmittelimporte würde British Colombia mit Site C laut dem kanadische Wissenschaftler David Suzuki sogar mehr Kohlendioxid ausstoßen, als ohne.

Zu Tagesordnungspunkt 4, Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats

Den Mitgliedern des Aufsichtsrats wird die Entlastung verweigert.

Begründung:

Der Aufsichtsrat der Siemens AG kommt nicht hinreichend seiner Verantwortung nach, den Vorstand anzuweisen, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten einzuhalten und wirksamere Maßnahmen für den Klimaschutz zu entwickeln. Die bisherigen Maßnahmen reichen nicht aus, einen wirksamen Beitrag zum Erreichen der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens und der UN-Nachhaltigkeitsagenda 2030 zu leisten, zu denen sich die Siemens AG bekannt hat.

Klimaschädliches Geschäftsmodell der Division „Power and Gas“

Das zentrale Geschäftsmodell von Siemens-Division „Power and Gas“, die Ermöglichung der Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern sowie Förderung und Transport von Öl und Gas, trägt entscheidend zum Klimawandel bei. Zudem liefert Siemens elektronisches Equipment an Kohlekraftwerke. Siemens trägt damit dazu bei, dass die gesamte Energiebranche weiter auf klimaschädliche Technologien setzt, anstatt stärker in erneuerbare Energien zu investieren.

Zwar möchte Siemens bis 2030 in Bezug auf die eigenen Betriebe klimaneutral sein, doch fallen 90 Prozent der Treibhausgasemissionen von Siemens in der Lieferkette an. Im Geschäftsjahr 2018 waren dies 15,5 Mio. Tonnen, die eigenen Betriebe verursachten „nur“ 1,5 Mio. Tonnen Treibhausgase. Für die Lieferkette fehlen klare Ziele für eine weitere Senkung der Treibhausgasemissionen. Siemens wird hier der eigenen Verantwortung nicht gerecht, einen wirksamen Beitrag zum Erreichen der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens und der UN-Nachhaltigkeitsagenda 2030 zu leisten.

Stellenabbau: Belegschaft muss Folgen der Ausrichtung auf fossile Energien ausbaden

Der Fokus auf fossile Energien erweist sich schon jetzt als kurzsichtig. Dass sich der Markt für Gas- und Dampfturbinen entsprechend schlecht entwickelt hat, war durch Vorschriften zum Kohlendioxidausstoß absehbar. Hier hätte Siemens schon früher auf erneuerbare Energien setzen müssen. Die betroffene Belegschaft muss dies nun ausbaden und konnte nur durch kreativen Protest, eigene Ideen und harte Verhandlungen betriebsbedingte Kündigungen verhindern. Der Vorstand hat in diesem Zusammenhang alles andere als arbeitnehmerfreundlich agiert, als er zunächst einen massiven Stellenabbau ankündigte. Dies ist kein Einzelfall: Der Betriebsrat musste in den vergangenen fünf Jahren über die Ausgliederung von rund 30.000 Beschäftigten und den Abbau von 15.000 Stellen verhandeln.

Umweltverträglichkeitsprüfung in Mexiko mit Fehlern

In Mexiko werden Konsultationen der indigenen Gemeinden, welche von Projekten von Siemens Gamesa betroffenen sind, mit unvollständigen Informationen, unter Einsatz von Gewalt und mit bereits bewilligten Genehmigungen durchgeführt.

Die Firma Gesa Oax I, eine Tochtergesellschaft von Siemens Gamesa, hat dem mexikanischen Umweltministerium (Semarnat) zwei Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) für die Projekte La Palmita 1 und 2 vorgelegt, um die Betriebsgenehmigung der neuen Windparks in Unión Hidalgo für 40 Jahre zu erhalten. Geplant sind diese Projekte auf Gemeindeflächen, auf denen Palmenfasern für wirtschaftliche und handwerkliche Aktivitäten produziert werden. Dort gibt es bereits Windkraftanlagen, die den freien Transit der Bewohner auf dem von der Polizei bewachten Gelände einschränken. Die neuen Windparks von Siemens Gamesa verfügen über jeweils 15 und 18 Windturbinen, was die Zerstörung von insgesamt 1589 Hektar des Gebietes bedeutet.

Indigene Gemeinschaftsverteidiger*innen aus Unión Hidalgo haben grobe Fehler und Auslassungen in den UVPs entdeckt. Am 08.11.2018 haben sie bei Semarnat, der deutschen Botschaft in Mexiko und dem Vertreter von Siemens Gamesa Beschwerde über die Unstimmigkeiten eingereicht.

Geschäfte in Saudi-Arabien stützen Monarchie

Siemens hofft in Saudi-Arabien auf neue Aufträge im Wert von 30 Mrd. Dollar. Auch sonst ist Siemens ein wichtiger Auftragnehmer der absoluten Monarchie und ist beispielsweise am Bau der U-Bahn in Riad beteiligt. Unter der Herrschaft des Kronprinzen Mohammed bin Salman ist es zu zahlreichen Verhaftungen von Dissident*innen und Vollstreckung von Todesurteilen gekommen. Die Regierung Saudi-Arabiens ist in die Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi verwickelt, als Konsequenz hat auch die Bundesregierung das Land mit Sanktionen belegt. Besonders schwer wiegt die von Saudi-Arabien angeführte Militärintervention im Jemen, welche die weltweit größte Versorgungskrise und massive Menschenrechtsverletzungen zur Folge hat. Siemens sollte keine Geschäfte mit einer autokratischen Regierung machen, die derart für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist.

Siemens‘ Beteiligung am Southern Gas Corridor/Transadriatische Pipeline

Siemens ist am Bau der Transadriatischen Pipeline (TAP) beteiligt. Diese soll mit Gas aus Aserbaidschan gespeist werden, ebenso ist der staatliche aserbaidschanische Öl- und Gaskonzern SOCAR am TAP-Konsortium beteiligt. Die Einnahmen aus dem Gasgeschäft festigen das autokratische Aliyev-Regime, das Kritiker*innen verfolgt und verhaftet.

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