Rede Andrea Lammers, Öku-Büro

Sehr geehrter Herr Kaeser, sehr geehrter Herr Cromme,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich spreche hier für das Ökumenische Büro für Frieden und Gerechtigkeit in München, Mitglied im Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Im  dritten Jahr in Folge weisen wir Sie nun auf die schweren menschenrechtlichen und Umwelt-Folgen einer Vielzahl von Staudammprojekten hin, an denen Voith Hydro und damit Siemens beteiligt ist.

Eines davon ist Agua Zarca in Honduras:

Im März 2015 haben Vertreter der Betroffenen aus Honduras, hier in München, lange mit den Herren von Siemens Investor Relations gesprochen. Die Herren von Investor Relations haben zugehört und ihre Reaktion war klar: Inakzeptabel sei das Projekt und mit Siemens-Standards nicht vereinbar.

So weit so gut. Nur dass diese Erkenntnis keinerlei spürbare Konsequenzen nach sich gezogen hat. Im Gegenteil: Vor Ort wird wieder gebaut und die Situation hat sich deutlich verschlechtert.

Siemens weiß, dass seit Mai 2015 ein Gerichtsverfahren gegen honduranische Funktionäre wegen der Manipulation des Umweltgutachtens zu Agua Zarca läuft. Dass die lokale indigene Bevölkerung nicht konsultiert wurde, sondern dass nachweislich Unterschriften und Akten gefälscht wurden. Es ist auch kein Geheimnis, dass  honduranische Institutionen vielfach hochkorrupt und vom organisierten Verbrechen durchsetzt sind.

Siemens weiß auch, dass die Verlegung der Baustelle auf die andere Seite des gleichen Flusses – und damit in einen anderen Gemeindebezirk – nichts, aber auch gar nichts, an der Problematik von Agua Zarca ändert.

Siemens weiß, dass seit Oktober 2015 eine Todesliste lokaler Auftragskiller gegen über 20 Staudammgegner und -gegnerinnen im Umlauf ist. Dass es erneut Drohungen und tätliche Angriffe auf  Gegner und Gegnerinnen des Projektes gab.

Im Dezember 2015 wurde ein spanischer Menschenrechtsbeobachter vom Sicherheitschef der lokalen Betreiberfirma DESA fotografiert.  Als er wenig später alleine war, prüften zwei Bewaffnete das Bild auf ihrem Handy und bedrohten dann den Menschenrechts­beobachter mit dem Tod.

Siemens hatte ausreichend Zeit und Grund genug, sich ein eigenes Bild über die Praktiken der  DESA zu machen. Schließlich geht es darum, dass ein Partnerunternehmen von Voith Hydro versucht, mit Tricks und Gewalt ein Projekt durchzusetzen,  das nach internen Siemens-Standards, inakzeptabel ist.

Herr Kaeser, niemand verlangt von Ihnen, die ganze Welt zu retten, wie Sie vor zwei Jahren an dieser Stelle gesagt haben: ein gewisses Maß an Verantwortung gegenüber dem Leben und den zumindest derzeit noch  international garantierten Rechten betroffener Menschen täte es auch schon. Erst recht dann, wenn Siemens ja erkannt hat, dass etwas schief läuft.

Auch ein Minderheitsaktionär kann sein Gewicht geltend machen, wenn es hart auf hart kommt. Das tut es im Fall der Staudämme. Die Kollegen, die sich mit den katastrophalen Folgen der viel größeren Projekte in Brasilien, China, Angola und neuerdings Äthiopien beschäftigen, haben die Gründe wieder und wieder vorgetragen.

Es kann nicht sein, dass ein Weltkonzern wie Siemens nicht in der Lage ist, auf inakzeptable, menschenrechtsverletzende Praktiken zu reagieren.  Auch solche Praktiken sind es, nebenbei bemerkt, die Menschen weltweit zu Flüchtenden machen.

Wir fragen Sie: Was hat Siemens unternommen, um in Sachen „Agua Zarca“ auf Voith Hydro einzuwirken?

Warum haben die Interventionen von Siemens –  wenn es sie denn gab – keinerlei erkennbare Wirkung gezeigt?

Was beabsichtigen Sie in Zukunft in Sachen „Agua Zarca“ zu tun?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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