Rede von Cristina Valdivia

Sehr geehrte Herren Käser und Cromme,
sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Cristina Valdivia, ich bin Mexikanerin und arbeite im Ökumenischen Büro für Frieden und Gerechtigkeit in München.

Wie schon in den letzten Hauptversammlungen haben wir einige Fragen und Hinweise zu der schwierigen Situation in der Region Isthmus von Tehuantepec im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca. Wie Sie wissen, führt der Bau von Windenergieanlagen in dieser Region seit Jahren zu zahlreichen Konflikten. Turbinen von Siemens Gamesa sind essentieller Bestandteil dieser Anlagen. Darüber hinaus hat Siemens auch für andere Hersteller Verkabelung verlegt.

Die Bedingungen für Arbeiter, Arbeiterinnen und Angestellte sind in Mexiko weitaus schlechter als in Deutschland. Es gibt so gut wie keine unabhängigen Gewerkschaften, was gegen das Menschenrecht auf Vereinigungsfreiheit verstößt. Die großen Gewerkschaften sind im Dachverband CTM organisiert. Mitgliedern der CTM wird von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen in ganz Mexiko vorgeworfen, dass sie Kritiker und Kritikerinnen von großen Wirtschaftsprojekten gezielt einschüchtern und bedrohen.

Wir fragen Sie:

  • Welche Arbeitsbedingungen ermöglicht Siemens Gamesa ihren Angestellten in Mexiko? Gerade auch im Hinblick auf gewerkschaftliche Organisation?
  • Wie kann Siemens sicherstellen, dass auch bei der Auslagerung von Arbeiten an Subunternehmen Arbeitsrechte respektiert werden und die Angestellten angemessene Löhne erhalten?
  • In welchem Ausmaß werden die Angestellten in Mexiko von dem angekündigten Stellenabbau betroffen sein? In Ihren Nachhaltigkeitsinformationen 2017 versprechen Sie ja noch die Schaffung von Arbeitsplätzen als Beitrag zur Entwicklung in Ländern wie Mexiko.

In Mexiko ist das organisierte Verbrechen in den letzten Jahren immer stärker geworden. Im so genannten Drogenkrieg kämpfen kriminelle Organisationen um Einflusszonen und viele Beispiele zeigen, dass Regierungsvertreter oftmals direkt mit der Mafia verbunden sind. Die traurigste Berühmtheit erlangte in dieser Hinsicht der Fall der 43 verschwundenen Lehramtsstudenten aus Ayotzinapa. Die mexikanische Regierung verweigert bis jetzt eine ernst zu nehmende Aufarbeitung. Sie scheint auch nicht in der Lage oder nicht willens, den regelmäßigen Morden an kritischen Journalist und Journalistinnen Einhalt zu gebieten. Diese Problematik betrifft Siemens Gamesa direkt, denn der Isthmus von Tehuantepec ist seit langem eine Durchgangsregion für den Drogenhandel. Mittlerweile gibt es dort auch Labore zum Beispiel für die Herstellung von Kokain und Chrystal Meth. Vertreter und Vertreterinnen öffentlicher Institutionen in der Region sind nachweislich direkt mit dem organisierten Verbrechen verbunden. Uns ist bekannt, dass viele Unternehmen in dieser Region Schutzgeld bezahlen müssen.

  • Sind Sie sich dieser katastrophalen Situation bewusst?
  • Waren Sie schon unter Druck, um Schutzgelder zu bezahlen?
  • Wie rechtfertigen Sie gegenüber den Aktionärinnen und Aktionären, wenn Teile ihres Geldes für diese Art der „Sicherheit“ ausgegeben werden und damit kriminellen Organisationen zu Gute kommen?

Ein weiterer Punkt: Sie finden den „Dialog mit den Anspruchsgruppen“ wichtig. Seit Jahren kritisieren Menschenrechtsorganisationen – und auch wir haben mehrmals darauf  hin-
gewiesen –, dass es keine Konsultation der indigenen Bevölkerung gab, die Standards der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation entsprach. Mittlerweile haben sogar Unternehmensvertreter und Vertreterinnen und Regierungsangestellte zugegeben, dass für die Windenergieanlagen im Isthmus von Tehuantepec, die in Betrieb sind, keine vorherige, freie und informierte Befragung der Bewohner und Bewohnerinnen durchgeführt wurde. Das heißt, alle bestehenden Anlagen verletzten international anerkannte indigene Rechte.

  • Wie stellen Sie sicher, dass die Anwohner und Anwohnerinnen von neuen Projekten, an denen Siemens beteiligt sind, rechtzeitig informiert und konsultiert werden? Wir weisen hier vorsorglich darauf hin, dass eine solche Befragung weder durch Unternehmensvertreter, noch durch Regierungsstellen – wie etwa das Energieministerium – erfolgen darf, denn damit ist die notwendige Unparteilichkeit nicht gegeben.
  • Wären Sie bereit, Herr Käser, Herr Snabe, Damen und Herren des Vorstandes und des Aufsichtsrates, sich in ihrer nächsten Reise nach Mexiko mit den von Ihren Projekten Betroffenen zu treffen? Wir könnten dafür sorgen, dass die Vertretung des Hochkommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen in Mexiko ein öffentliches Treffen ermöglicht.

Das Ende der fossilen Brennstoffe ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Windenergie ist ein zentraler Bestandteil der Energiewende weltweit. Wenn man sich mit dem Konflikt um die Windenergieanlagen im Isthmus von Tehuantepec beschäftigt, muss man allerdings sagen: Energiewende – so nicht!

Deshalb fordere ich Sie auf, setzen Sie sich mit der Situation in Mexiko, mit dem Konflikt im Isthmus von Tehuantepec auseinander. Sprechen Sie nicht nur mit Regierungsangestellten und Unternehmensvertretungen in Mexiko-Stadt, gehen Sie in die Region und hören Sie auch den Kritiker und Kritikerinnen der Anlagen zu. Sonst ist die Rede von „sauberer Energie“ eine Farce.

In Mexiko gibt es seit 2006 32.000 gewaltsam verschwundene Personen und 200.000 Tote. Deshalb sind wir der Meinung, dass hier jeder, der in Mexiko ökonomisch aktiv ist, eine Verantwortung hat. Um ihr gesellschaftliches Engagement zu zeigen und das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung in Mexiko zu erreichen, müssen Sie mehr unternehmen. Lassen Sie ihr Motto „ingenuity for life“ also „Genialität für´s Leben“ nicht zu „ingenuousness for life“ „Naivität für´s Leben“ verkommen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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