Rede von Khadja Bedati

ES GILT DAS GESPROCHENE WORT.

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,

mein Name ist Khadja Bedati, ich spreche für die Saharauische Jugend und den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Am 31. Januar 2018 nahm ich an der Hauptversammlung als Abiturientin teil, nun bin ich hier vor Ihnen als Studentin der BWL und des Internationalen Rechts. Im vergangenen Jahr habe ich bereits das Thema der Windparks von Siemens Gamesa in den von Marokko besetzten Gebieten der Westsahara angesprochen.

Es ist lobenswert, Herr Kaeser, dass Sie sich für eine friedliche und einvernehmliche Lösung des Westsahara-Konflikts aussprechen. Sie haben anerkannt, dass Siemens Gamesa Windparks in Gebieten errichten wird, deren völkerrechtlicher Status nicht geklärt ist, und dass ein Referendum zur Klärung eben dieser Frage aussteht.

Ich bin heute wieder hier, um Ihnen eine einfache Frage zu stellen:

Warum hat Siemens Gamesa nicht um unsere Erlaubnis gebeten, auf unserem Land zu arbeiten?

Sie haben diese grundlegende Frage nicht beantwortet. Genug ist genug: Wir verdienen eine Antwort. Mir ist bewusst, dass Siemens Gamesa ein eigenständiges börsennotiertes Unternehmen in Spanien ist. Sie als Vorstand haben jedoch eine klare Verantwortung gegenüber den Tätigkeiten von Siemens Gamesa, schließlich sind Sie Mehrheitseigentümer.

Sollten zur Wahrung des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit nicht all solche Projekte in Gebieten gestoppt werden, bis die Frage über das rechtmäßige Eigentum an Land und Ressourcen friedlich und demokratisch geklärt ist?

Die Bundesregierung hat aus diesen Gründen deutlich gemacht, dass sie keine wirtschaftlichen Aktivitäten deutscher Unternehmen in der Westsahara unterstützt und auch keine Geschäfte über Exportkredit- und Investitionsgarantien absichert.

Wieso kann Siemens nicht aus den gleichen Gründen Siemens Gamesa anweisen, die Aktivitäten in den besetzten Gebieten ruhen zu lassen, bis die Landfrage geklärt ist?

Der zuständige UN-Sonderbeauftragte und Altbundespräsident Horst Köhler bemüht sich aufrichtig, den Konflikt durch Dialog zu lösen. Deutschland disqualifiziert sich aber als neutraler Vermittler, wenn Firmen im mehrheitlich deutschen Besitz den Status Quo des Konflikts festigen.

Meine Damen und Herren,

mein Land liegt in Nordwestafrika zwischen Marokko, Mauretanien und Algerien. „Sahara“ bedeutet im Arabischen „Wüste“, doch bietet unser Land mehr als Dürre und Sand: fischreiche Gewässer vor der Küste, Erdöl, Eisen, Gold und das zweitgrößte Phosphatvorkommen der Erde.

Siemens hat wesentlich dazu beigetragen, dass Marokko Windparks in einem Land aufbaut, auf das es kein Recht hat: mein Heimatland, Westsahara – ein Land, das ich noch nie gesehen habe. Wie so viele meiner Leute, die vor der gewaltsamen Invasion Marokkos und der anschließenden brutalen Besetzung fliehen mussten, bin ich in einem Flüchtlingslager in Algerien aufgewachsen. Die gesamte internationale Gemeinschaft erkennt unser Recht auf Selbstbestimmung an – unser Recht, den zukünftigen Zustand unseres Landes und seiner Ressourcen zu bestimmen. Aber Sie haben uns völlig ignoriert.

Sie führen auf Ihrer Webseite als Argument für die Windparks an, dass sie den „Menschen in ihren Siedlungen und Gemeinden einen echten und nachhaltigen Nutzen bringen“ würden.

Erzählen Sie dies den Saharauis, die lebenslang im Gefängnis sitzen, weil sie für unser Recht auf Selbstbestimmung eintreten oder weil sie gegen die Ausbeutung unserer Ressourcen durch Marokko protestieren – eine Ausbeutung, die durch die Windmühlen von Siemens noch profitabler wird.

Gehen Sie und erzählen Sie meiner Familie, dass sie von Ihren Aktivitäten profitiert. Sie lebt in einem Flüchtlingslager und wartet auf einen friedlichen Ausgang des von den Vereinten Nationen geführten Prozesses, der immer wieder von Unternehmen wie Siemens behindert wird, die sich entschieden haben, Marokko zu unterstützen und dabei unsere Existenz nicht einmal anerkennen.

Und gehen Sie und erzählen es ihnen ins Gesicht, den Gefangenen und Flüchtlingen, wie Ihre Operationen zu ihrem Vorteil sind.

Der Wert des Phosphats von drei Schiffsladungen entspricht etwa der Höhe der humanitären Hilfe, die die saharauischen Flüchtlinge in einem Jahr erhalten. Dabei sind sie die rechtmäßigen Eigentümer der Rohstoffe. Die Gemeinden in den von Marokko besetzen Gebieten könnten sich selbst entwickeln, wenn sie auch über ihre Rohstoffe verfügen könnten. Siemens Gamesa könnte sich die Unterstützung lokaler Entwicklungsprojekte sparen, wenn es sich nicht weiter an dieser Plünderung der Ressourcen der Westsahara beteiligen würde.

Hier geht es nicht um unsere vermeintlichen Vorteile – es geht um Ihre.

Siemens will den Zugang zum afrikanischen Markt. Und Marokko ist Ihr Tor dazu. Aber Westsahara ist nicht Marokko.

In Ihrem Streben nach dem Zugang zu Afrika haben Sie sich entschieden, das Völkerrecht und die Menschenrechte zu ignorieren. Sie haben mit Marokko einen Vertrag über ein Land geschlossen, auf das es kein Recht hat: mein Land.

Der Internationale Gerichtshof und der Gerichtshof der Europäischen Union sind sich einig: Die Westsahara ist nicht Marokko. Und als solches, so betonte der Europäische Gerichtshof, sollte das Volk der Westsahara um seine Zustimmung gebeten werden. Ihr Argument, dass diese Regelung nicht für Verträge zwischen privaten Unternehmen gilt, ist unsinnig – oder würden Sie behaupten, dass private Unternehmen über das internationale oder europäische Recht gestellt werden? Außerdem ist Ihr marokkanischer Partner kaum privat: Er gehört der marokkanischen Monarchie –  derselben Monarchie, die in mein Heimatland eingedrungen ist und uns seither immenses Leid gebracht hat.

Können Sie nun zu 100 Prozent ausschließen, dass weder Siemens noch Siemens Gamesa Verträge mit dem Staat Marokko geschlossen hat?

Wir sind uns im Grundsatz einig: Klimafreundliche, grüne Energie darf Menschenrechte nicht außer Kraft setzen. Saubere Energie muss auch mit sauberen Methoden produziert werden.

Sie richten nun ein neues System zur Achtung der Menschenrechte entlang der gesamten Wertschöpfungskette ein. In ihrer neuen Analyse sind Sie völlig richtig zu dem Schluss gekommen, dass „Menschenrechte indigener und besonders schutzbedürftiger Gemeinschaften wie das Recht auf Selbstbestimmung und das Recht auf Meinungsäußerung potenziell dem Risiko nachteiliger Einwirkungen ausgesetzt sind“.

Genau das tun die Windparks von Siemens Gamesa in der Westsahara.

Haben Sie vor, den Fall der Windparks in der Westsahara mit Ihrem neuen menschenrechtsbezogenen System einer erneuten Prüfung zu unterziehen?

Wären Sie bereit, von Siemens Gamesa die Einholung dieser Erlaubnis einzufordern?

Wir haben bereits Siemens Gamesa direkt gefragt, jedoch keine Antwort erhalten außer jene, dass man sich nicht zu Fragen internationalen Rechts äußern möchte.

Für uns ist die Klärung dieser Fragen sehr wichtig. Wir werden nicht aufgeben, bis wir eine Antwort haben. 2018 hat Siemens Gamesa einen neuen Wartungsvertrag über 15 Jahre für die umstrittenen Windparks geschlossen.

Nun möchte ich Ihnen etwas mitteilen, und hoffe dabei, dass Sie intensiv darüber nachdenken, zum Beispiel auf dem Rückweg nach Hause. Ich möchte noch kurz über die Sicht der Jugendlichen sprechen. Wir waren 43 Jahre geduldig und mussten mit gebunden Händen ansehen, wie das Leben an uns vorbei geht und ohne unsere Mitbestimmung aufgrund von rein wirtschaftlichen Profitgedanken ausgebeutet wird.

Unsere Geduldsgrenze wurde überschritten. Wir werden nicht noch weitere 43 Jahre so leben wie bisher – seien Sie sich dessen sicher. Sie sitzen weit weg in gut ausgestatteten Büros in München, Sie können sich nicht vorstellen, was es heißt, direkt betroffen zu sein.

Wir verlangen nicht viel von der Europäischen Union oder von Siemens. Was wir wollen ist, dass Europa oder Siemens Gamesa keine Verträge mit Marokko auf unsere Kosten abschließt. Und dies gilt ganz genauso für Sie.

Ich möchte Sie nochmal ganz herzlich in die Flüchtlingslager sowie in die befreiten Gebiete der Westsahara einladen und Sie ermuntern, sich selbst ein Bild von den Lebensbedingungen der Menschen vor Ort zu machen.  

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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