Rede von Tilman Massa

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,

mein Name ist Tilman Massa, ich bin vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Wir alle wissen, dass das Wort „Nachhaltigkeit“ für so ziemlich alles gebraucht werden kann. Im noch besten Fall weiß einfach niemand, was genau gemeint ist, im schlimmsten Fall werden Fakten verschleiert, es wird Greenwashing betrieben.

Das haben Sie auch erkannt, auf Ihrer Webseite Ihrer Nachhaltigkeitsstrategie „Business 2 Society“ kann man lesen: Ich zitiere:

„Firmen versuchen oft Negatives zu beschönigen. Bei Siemens setzen wir uns für das Verständnis und den Umgang damit ein.“ Zitat Ende.

Zeigen Sie doch bitte kein Verständnis für Beschönigungen und Greenwashing! Es ist aber schon klar, dass Sie mit guten Beispiel vorangehen möchten. Ich zitiere weiter:

„Die B2S-Analyse ermöglicht es uns, Bereiche zu identifizieren, in denen wir uns verbessern müssen und gibt Einblicke darüber, wie wir besser werden können.“

Die UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, die Sustainable Development Goals, ist dabei Ihr Maßstab, an dem Sie Ihre Leistungen messen. So schreiben Sie es in Ihrem Nachhaltigkeitsbericht 2017. Ein wichtiger, neuer Punkt der UN-Ziele ist die Bekämpfung des Klimawandels und die nachhaltige Energiegewinnung.

Es steht außer Frage, dass Siemens hierbei eine wichtige Rolle spielt, und das sollten Sie auch stärker betonen. Immer mehr Menschen, Institutionen und Firmen wollen und dürfen gar nur noch in nachhaltige Projekte investieren. Ein No-Go sind hierbei Investments in klimaschädliche Projekte, wie etwa der Kohleabbau.

In Ihrem Nachhaltigkeitsbericht bekennen Sie daher auch stolz zu sämtlichen internationalen Klimaschutzzielen, zur Dekarbonisierung und zur massiven Reduzierung von Treibhausgasemissionen.

Sehr gut! Umso erschreckender ist, wenn die Realität dann doch etwas anders aussieht. Ich habe Fragen zu drei Projekten, an denen Siemens beteiligt ist und die so gar nicht im Einklang mit der UN-Agenda 2030 und Ihren eigenen Nachhaltigkeitszielen stehen.

  1. Projekt: Das Kohlekraftwerk Kusile in Südafrika

Siemens liefert Transformatoren und Kabel an das 4,8 GW-Kohlekraftwerk Kusile in Südafrika. Mit einem Großauftrag in Höhe von 100 Millionen Euro ist Siemens an dieser Lieferung beteiligt. Zum Kraftwerk Kusile äußerte sich Siemens zu der Frage menschenrechtlicher Risiken der Kraftwerke: „Die Auswirkungen, die Kohlekraftwerke und Kohleminen auf die Menschenrechte (einschließlich Rechte auf Nahrung, Wasser, Gesundheit und Arbeitsrechte) haben, sind uns bekannt.“ Zugleich attestiert das Unternehmen der südafrikanischen Regierung, die Wasserprobleme proaktiv zu adressieren. Eine eigene Verantwortung für die möglichen menschenrechtlichen Auswirkungen des Kraftwerks Kusile erkennt Siemens jedoch nicht an: „Als Komponentenlieferant sehen wir die Verantwortung zur Einhaltung der Menschenrechte maßgeblich beim Betreiber Eskom.“

So einfach können Sie sich aber nicht aus der Mitverantwortung ziehen. Als gäbe es keine UN-Leitprinzipien zu menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten, keinen Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung.

Denn schauen wir uns die Folgen von Kusile einmal genauer an: Bereits 2008 definierte die südafrikanische Regierung die Region um Kusile als Region mit offiziell hoher Schadstoffbelastung für die Bevölkerung. Studien haben den Zusammenhang zwischen der Luftverschmutzung in der Region und dem vermehrten Auftreten der „Staublunge“ sowie anderen Atemwegserkrankungen aufgezeigt. Kohlepartikel in der Luft beeinträchtigen die Atmung, das Nervensystem und das Herz-Kreislaufsystem großer Teile der lokalen Bevölkerung. Das Kusile-Kraftwerk zusammen mit den neu geplanten Minen in der Region stellen eine große Gefährdung für das Recht auf Gesundheit, Wasser, Nahrung und Wohnung dar.

Ist Ihnen das bekannt?

Wie rechtfertigen Sie Ihre Unterstützung eines klimaschädlichen Kohlekraftwerks, wenn ihre eigenen Ziele doch die der UN-Agenda, in diesem Fall die CO2-Reduzierung und Bekämpfung des Klimawandels sind?

  1. Fall: Gaskraftwerke in Argentinien

Sie setzen mit Dresser-Rand auf das Öl- und Gasgeschäft.

Wie rechtfertigen Sie Ihr Engagement im Ölgeschäft, wenn dieses doch das Gegenmodell zu einer nachhaltigen Energiegewinnung gemäß Ihrer eigenen Ziele darstellt?

„Oil and gas is to stay“ – aber doch „in the ground“!

Siemens baut schlüsselfertige Gaskraftwerke in Argentinien, die in Zukunft mit dem per Fracking gewonnenen Shale-Gas des Großvorkommens Vaca Muerta betrieben werden sollen.

Zur Erinnerung: Beim Fracking werden große Mengen Wasser und Sand, aber eben auch toxische Chemikalien in Bohrlöcher gepresst, um Risse in öl- oder gashaltige Gesteinsschichten zu treiben.

Sicher können hocheffiziente Gaskraftwerke eine kurzfristige Übergangslösung bei einem schnellen Kohleausstieg sein. Doch wie rechtfertigen Sie die umweltschädliche Förderung von Gas durch Fracking, welche auch mit Landraub in Argentinien einhergeht?

In Argentinien ist die Situation krass: Hier werden Gebiete unter „Naturschutz“ gestellt, nur um die lokale Bevölkerung zu vertreiben und das Fracking zu ermöglichen.

  1. Fall: Umweltschädliche Bergbau-, Infrastruktur und Energieprojekte

Siemens ist Zulieferer für zwielichtige Bergbau-, Infrastruktur und Energieprojekte:

Die Siemens AG liefert Anlagen und Dienstleistungen an umstrittene Großprojekte wie dem Bahn- und Hafenkomplex Nacala in Mosambik, über den die Kohle aus Vales Mine Moatize abtransportiert werden soll. Eine Mine, die die Vertreibung Tausender Kleinbauern zur Folge hat. Wie beurteilen Sie dies? Gab es vor, bei und nach Vertragsabschluss soziale Folgeabschätzungen? Haben Sie je mit den Betroffenen gesprochen?

Siemens liefert zudem E-House-Transformatorstationen an (offenkundig wohlweislich nicht namentlich spezifizierte) Uranminen in Namibia. Wie bewerten Sie die Entsorgungs- und Vorbeugemaßnahmen bei namibischem Uranbergbau? Welche Risiken konnten Sie identifizieren? Wie bewerten Sie bei der Mine die Situation von Landrechtsfragen der lokalen Bevölkerungen sowie die Fragen von Zugang zu sauberem Wasser?

Siemens liefert zudem Förderbänder an einen der weltgrößten Betreiber offener Tagebaue PT Kaltim Prima Coal in East Kalimantan, Indonesien, wo durch Kohleabraum Flüsse verschmutzt werden und die lokalen Gemeinschaften Umweltschäden und Landraub ausgesetzt sind. Auch hier die Frage: Wie beurteilen Sie dies? Gab es vor, bei und nach Vertragsabschluss soziale Folgeabschätzungen? Haben Sie je mit den Betroffenen gesprochen?

Siemens belieferte zusammen mit Thyssenkrupp neben der Titancaya-Mine in Peru auch die peruanische Kupfermine Cuajone, die der Southern Copper Corporation SCC gehört. Kennen Sie die Situation in der peruanischen Küstenstadt Ilo, wo die Schmelzerei der SCC Mineralien aus Toquepala und Cuajone veredelt? Ist Ihnen bekannt, wie die Anwohnerinnen und Anwohner der Schmelzerei unter enormen Verschmutzungsproblemen zu leiden haben?

Haben Sie vor, auch bei diesen Fällen Ihre „Business 2 Society“-Analyse anzuwenden?

Bei all diesen Fällen wird deutlich, dass es noch erhebliche Änderungen beim Energiegeschäft von Siemens bedarf, um die Ziele der UN-Agenda zu erreichen, den Klimawandel zu bekämpfen und dabei auch soziale Rechte zu achten.

Siemens sollte es nicht nötig haben, wie andere Firmen Negatives zu beschönigen. Ein ehrlicher Nachhaltigkeitsbericht, welcher auch Stellung zu den genannten Fällen nimmt, wäre hierzu ein erster Schritt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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