Zukünftige Strategie bei Klimaschutz und Menschenrechten bei Siemens Energy: Unsere Fragen zur außerordentlichen Hauptversammlung

In unserem Gegenantrag kritisieren wir, dass unklar ist, wie sich Siemens Energy zukünftig in Energiemärkten aufstellen und gleichzeitig den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommen gerecht werden kann.

  • Wie hoch ist der Anteil im Segment „Generation“, der für Kohlekraftwerke genutzt wird (Turbinen, Schaltanlagen etc.)?
  • Hat Siemens einen Plan, bis wann in welchen Schritten dieser Anteil auf null reduziert werden soll?
  • In der Vorstellung von Siemens Energy wird darauf hingewiesen, dass das Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette von konventioneller bis erneuerbarer Energieerzeugung abdeckt. Gibt es einen Plan wie und bis wann sich der Anteil konventioneller (im Sinne von fossiler) Energieerzeugung verringern soll, um sich als Siemens Energy zu einem klimafreundlichen Unternehmen zu entwickeln und nachhaltige Investoren für sich zu gewinnen? Was sind die konkreten Ziele und Meilensteine?
  • LNG und unkonventionelle Öl- und Gasgewinnung sind aus Klima- und Umweltsicht besonders problematisch. Plant Siemens Energy neben dem Kohlesektor in solchen besonders schädlichen Bereichen anzusetzen und sein Geschäft von diesen Bereichen zu bereinigen?
  • Welche Auswirkungen hat der Abspaltungs- und Übernahmevertrag zwischen der Siemens AG und der Siemens Energy AG auf die Siemens Bank und deren Finanzierung von Projekten in Zusammenhang mit fossilen Energieträgern, insbesondere der Finanzierung von Kohlekraftwerken wie Java 9 und 10 in Indonesien?

Fragen zum zukünftigen Umgang mit Siemens Gamesa Renewable Energy und der Wahrnehmung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten:

Das neugegründete Unternehmen Siemens Energy übernimmt mit den bisher von der Siemens AG gehaltenen Mehrheitsanteilen an Siemens Gamesa Renewable Energy (SGRE) auch das Geschäft mit erneuerbaren Energien. Damit einher geht auch die Übernahme der umstrittenen Windparkprojekte in der von Marokko besetzten Westsahara, die teilweise bereits Strom auf vorgeblich nachhaltige Weise liefern, teilweise noch in Bau bzw. Planung sind. Mit rund 67 Prozent der Stimmrechte an SGRE verfügt Siemens Energy künftig über eine Zweidrittel-Mehrheit in der Hauptversammlung, daher ergeben sich für uns folgende Fragen, inwiefern es Änderungen in Bezug auf das Thema menschenrechtliche Sorgfalt und Westsahara geben wird.

  • Wird sich Siemens Energy, im Gegensatz zum alten Mutterkonzern, der Verantwortung gegenüber den Aktivitäten von SGRE stellen und auf eine Ausrichtung der Unternehmensstrategie an Grundsätzen des Internationalen Rechts, insbesondere des Rechts auf Selbstbestimmung der Völker, bestehen?

Zur Position von SGRE bezüglich der Beteiligung an marokkanischen Windenergieprojekten in den besetzten Gebieten der Westsahara hat SGRE „mehrere externe Rechtsexperten“ konsultiert, zuletzt im Februar dieses Jahres. SGRE sieht sich laut Eigenaussage bezüglich der Einhaltung der geltenden Gesetze bei seinen Aktivitäten in der Westsahara bestätigt, auch im Hinblick auf die „Unmöglichkeit, die Zustimmung der Bevölkerung in einem Gebiet einzuholen, in dem eine Verwaltungsmacht de facto die Souveränität ausübt.“ Durch die Einschätzung, dass Marokko „de facto die Souveränität“ über das Gebiet der Westsahara besitzt, tätigt SGRE eine sehr weitreichende politische Aussage, auch wenn es genau dies abstreitet. In Anbetracht der Tatsache, dass SGRE nun also Schlussfolgerungen zu Fragen des Völkerrechts zieht, möchten wir fragen:

  • Stimmt die Siemens AG und Siemens Energy mit der Einschätzung des Rechtsgutachtens überein, dass Marokko eine de-facto Souveränität in der Westsahara innehat, insbesondere unter Berücksichtigung der Feststellung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), dass das Konzept einer de-facto-Verwaltungsmacht im Rahmen des Völkerrechts nicht existiert?
  • Laut den Urteilen des EuGHs zu Wirtschaftsverträgen zwischen der EU und Marokko ist die einzige Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit von wirtschaftlichen Aktivitäten in der besetzten Westsahara die Zustimmung des Souveräns, des „Volkes der Westsahara“, was eine juristische Kategorie  und damit einen deutlichen Unterschied zum von SGRE verwendeten Begriff der „Bevölkerung“ des „Gebiet(s)“ darstellt. Hat die SGRE die Zustimmung des „Volkes der Westsahara“ für ihre Beteiligung am Bau von Energieinfrastrukturen auf ihrem besetzten Land eingeholt?
  • Welche Schritte hat SGRE unternommen, um ihre Zustimmung über die von der UNO anerkannte politische Vertretung des „Volkes der Westsahara“, die Frente Polisario, zu erhalten?
  • Wird das genannte Rechtsgutachten veröffentlicht und der Vertretung des saharauischen Volkes, der Frente Polisario, zur Verfügung gestellt?
  • Welche Rechtsexpert:innen hat SGRE im Rahmen der rechtlichen Beurteilung konsultiert?
  • Die Siemens AG bezeichnete gegenüber der Organisation Facing Finance 2019 den Status der Westsahara als besetzt. Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages kamen in einem Gutachten 2019 zu dem ähnlichen Schluss, dass Marokko als Besatzungsmacht anzusehen ist und dass dessen Siedlungspolitik in der Westsahara Verstöße gegen die IV. Genfer Konvention begründet. Wurde in der von SGRE beauftragten rechtlichen Bewertung vom Februar 2020 die Rolle Marokkos als Besatzungsmacht angesprochen? Welche „geltenden Gesetze“ sind es, die laut des Gutachtens in der Westsahara durch SGRE eingehalten werden?
  • Wie beurteilt die Siemens AG bzw. Siemens Energy die ethischen Konsequenzen ihres eigenen Beitrags zur Ausbeutung der nicht erneuerbaren Bodenschätze der Westsahara durch eine Besatzungsmacht in Form von Bereitstellung fast des gesamten Energiebedarfs der Phosphatmine Bou Craa durch den Foum El Oued Windpark?

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