Rede von Jan Chudzynski (Deutsch)

Sehr geehrter Herr Baumgartl, sehr geehrter Herr Haas,
Sehr geehrte Damen und Herren des Vorstands und des Aufsichtsrats der Talanx AG,
Sehr geehrte Damen und Herren Aktionärinnen und Aktionäre,

mein Name ist Jan Chudzyński, ich arbeite bei der polnischen Stiftung “Development YES – Open-pit mines NO”. Ich bin hierher angereist, um Ihre Aufmerksamkeit auf die Versicherungs- und Rückversicherungspolitiken von Talanx-Tochterfirmen zu richten. Dabei geht es um die Hannover Rück und Talanx’ polnische Tochterfirma Warta. Beide Firmen leisten noch immer Versicherungs- und Rückversicherungsleistungen an polnische Kohlefirmen. Damit tragen sie dazu bei, den Status Quo dessen zu verfestigen, was wir als „die polnische Kohle-Suchtabhängigkeit“ umschreiben.

Diese Suchtabhängigkeit macht Polens Kohlesektor zum schmutzigsten Sektor, der jedes Jahr für das vorzeitige Sterben von rund 5.800 Menschen in Europa, davon 600 in Deutschland, verantwortlich ist. Mehr als 30 polnische Städte befinden sich auf der Liste der am meisten verschmutzten Städte Europas.

Polens Zivilgesellschaft ist mittlerweile endlich aufgewacht und kämpft für einen Umbau der Energieproduktion und für das Auslaufen von Kohle. Gleichwohl aber verfolgen polnische Energieversorger weiterhin aggressive Kohleausbaupläne, die zu einem weiteren carbon lock-in und somit zu einer düsteren Zukunft führen. Unter Europas Energieversorgern sind die aus Polen und Griechenland die einzigen, die sich explizit nicht gegen den Bau neuer Kohlekapazitäten nach 2020 ausgesprochen haben.

Es handelt sich dabei nicht um einen reines Thema öffentlicher Gesundheit. Der polnische Kohlesektor bedeutet eine ernste Bedrohung für das Erreichen der Pariser Klimaziele. Dies sollte den Vorstand und Aufsichtsrat eigentlich sehr beunruhigen, war doch das Jahr 2017 ein mit Milliarden Dollar teuren Wetterund Klimadesastern historisch kostspieliges Jahr. Jetzt zu handeln zu verpassen, dies bedeutet mehr menschliche Tragödien und materielle Verluste in der Zukunft, etwas, was der Versicherungsbranche durchaus sehr gut bewusst ist. Viele internationale Gremien und Institutionen warnen mit Nachdruck davor, und auch die explizite Verantwortung der Versicherungsbranche in diesen Belangen ist allgemein anerkannt.

Mehr und mehr Top-Versicherer verabschieden sich vom Kohlesektor. AXA, Zurich, SCOR und, wie es erst diesen Freitag verlautbart wurde, auch die Allianz hat neue Politiken in dieser Richtung angekündigt, die eine neue Messlatte und ein Beispiel für andere in dem Bereich setzen. Ich hoffe, diese Botschaft dringt bis zu Ihnen bei Talanx durch, denn es sind Talanx-Tochtergesellschaften, die Versicherungs- und Rückversicherungdienstleistungen für den agressiven und auf weiteren Ausbau bedachten polnischen Kohlesektor anbieten und verkaufen.

Talanx‘ polnische Tochterfirma Warta ist einer der großen Versicherer am polnischen Markt, und er ist dabei einer der aktivsten Versicherer von Kohlekraftwerken. Warta versichert das Kohlekraftwerk Kozienice – das größte Steinkohlekraftwerk in der EU. Und Warta versichert auch den Ausbau dieses Kraftwerks, der erst jüngst, im Dezember 2017, fertiggestellt wurde. Der Besitzer des Werks, der polnische Energieversorger Enea, plant derweil einen weiteren Ausbau. Sie wollen ein neues 1.000 MWe-Kraftwerk mit dem Namen Ostrołęka C errichten.

Das gleiche passiert mit dem Opole-Kraftwerk, dem derzeit größten in Bau befindlichem Kohlekraftwerk Europas. Warta ist der Versicherer sowohl des Kraftwerks als auch des Ausbauprozesses. Die Eigentümerin des Kraftwerks, PGE, plant die Entwicklung eines neuen Offenen Tagebaus mit annähernd 600 Millionen Tonnen Braunkohle, dem dreckigsten aller fossilen Energieträger.

Warta versichert darüber hinaus auch den Braunkohlekomplex ZE PAK, mit Offenem Tagebau und Braunkohlekraftwerken. 95% der von ZE PAK erzeugten Energie wird mit Braunkohle befeuert und die Firma verfolgt weitere Neubaupläne für drei neue Offene Tagebaue mit rund einer Milliarde Tonnen Braunkohle. Diese Braunkohle-Abhängigskeitssucht sowie die schwerwiegenden Ausbaupläne machen ZE PAK zu einer Firma, der Versicherungsdienstleistungen zu verkaufen eigentlich jenseits jeglicher Vorstellungskraft liegt. Sie können sich meine Verblüffung nun vielleicht wohl vorstellen, als ich mitbekam, dass Warta den Versicherungsvertrag mit ZE PAK bis 2019 verlängert hat.

Und obendrauf gibt es da ja noch die Hannover Rück, deren Hauptanteilseigner Talanx ist: die Hannover Rück verkauft Polens führendem Kohleunternehmen Rückversicherungen. Das ist das staatskontrollierte PZU, sehr aktiv im Kohlesektor. Die Hannover Rück ist ebenfalls zu sehr mit Versicherungen im Kohlesektor aktiv. Und im letzten Jahr unterzeichnete die Hannover Rück eine Absichsterklärung, den Bau des bereits erwähnten 1000 Mwe-Kohlekraftwerks Ostrołęka C zu versichern.

Wie Sie sehen, ist Talanx’ Engagement in Versicherungen und Rückversicherungen von Polens Kohleinfrastruktur sehr ausgeprägt. Viele der in Talanx‘ Versicherungs-Portfolio enthaltenen Firmen haben noch nicht einmal eine Absichtserklärung bezüglich eines kommenden Kohleausstiegs abgegeben. Ganz im Gegenteil: sie verfolgen weitere Ausbau- und Expansionspläne! All dies ist vor dem Hintergrund des drohenden Klimawandels unverantwortlich, dies vor allem im Hinblick auf die heute Vormittag von Ihnen so ausführlich dargestellte und in der Tat erschreckende Zunahme von Großschadenereignissen infolge von Naturkatastrophen, die ja letztlich dem an Schärfe zunehmenden Klimawandel zuzuschreiben sind.

In Erwägung aller umweltbezogenen, finanziellen und Reputationsrisiken, die die Versicherung polnischer Kohle für das Unternehmen bedeutet, würde ich Ihnen gerne folgenden Frage stellen:

  1. Beabsichtigt Talanx eine konzernweite Politikrichtlinie, die in Zukunft den Ausschluss von Firmen aus Talanx-Versicherungsdienstleistungen bedeuten würde, die eine zu hohe Kohleabhängigkeit aufweisen? So wie es von AXA beschlossen wurde und jüngst erst auch von der Allianz?
  2. Wird Talanx die noch laufenden Versicherungskontrakte mit jenen Firmen verlängern, die Ausbaupläne ihrer gegenwärtigen Kohlekapazitäten, wie zum Beispiel ZE PAK, verfolgen?
  3. Wird Talanx irgendeine Kohle-Ausschluss-Strategie für den Rückversicherungssektor verabschieden, so wie es beispielsweise SCOR getan hat?

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und dafür, dass ich hier zu Ihnen sprechen durfte.

 

 

 

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