Rede von Thomas Lohninger

Meine Damen und Herren,

mein Name ist Thomas Lohninger von der Nichtregierungsorganisation epicenter.works und ich vertrete hier die 140.000 Aktien des Dachverbands kritischer Aktionärinnen und Aktionäre e.V..

Wir haben heute bereits einiges über den neuen StreamOn Tarif der Deutschen Telekom gehört. Viele der Aktionärinnen und Aktionäre der Deutschen Telekom sind auch selbst Kunden des Unternehmens. Ich richte mich deshalb heute an Sie als Shareholder und auch als Nutzer der Dienste der Deutschen Telekom.

Ich fühle mich seit meiner frühesten Kindheit im Internet zu Hause, aber das ist meine erste Hauptversammlung eines Telekomkonzerns. Zur Vorbereitung habe ich mir viele Vorträge von Telekom-Vorständen aus den vergangenen Jahren angesehen. Dabei wurden sehr oft neue Produkte vorgestellt. Meist waren es Neuentwicklungen dieses Konzerns und jedes Mal wurde die Zukunft der Digitalisierung versprochen. Liebe Aktionäre, fragen Sie sich bitte, wie viele dieser Produkte wirklich erfolgreich waren? Wie viele dieser Produktvorstellungen haben letztendlich das Versprechen gehalten, die Zukunft zu gestalten. Erlauben Sie mir deshalb einen kritischen Blick auf die heute vorgestellte „Zukunft“ mit dem StreamOn Tarif zu werfen.

Am Beginn des Internetzeitalters stand der Versuch einiger Telekomkonzerne, sogenannte “walled gardens” zu errichten. Damit sind abgegrenzte Bereiche des Internets gemeint, in denen die Telekomunternehmen selbst die Spielregeln und Inhalte diktierten. Erinnern Sie sich noch an AOL und CompuServe?

All diese Konzepte von walled gardens, von abgeschotteten Insellösungen, sind gescheitert. Sie existieren heute nicht mehr und dies aus gutem Grund. Der große Durchbruch des Internets und somit auch ein großer Teil der Nachfrage nach Internetzugangsprodukten der Deutschen Telekom wurde durch das offene, ungeschränkte Internet geschaffen. Die Daten der letzten 25 Jahre sind eindeutig: das offene Internet ist diesen walled gardens deutlich überlegen, weil seine Offenheit für alle neuen Angebote die diversifizierte Nachfrage der Konsumenten viel besser bedienen kann, als eingeschränkte Zugangsprodukte.

StreamOn schränkt die Wahlfreiheit der Kunden und den freien Wettbewerb zwischen Inhalteanbietern ein. Das werde ich Ihnen gleich verdeutlichen und mit einigen Beispielen belegen.

Die Deutsche Telekom ist gerade dabei die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Die Deutsche Telekom investiert in die Vergangenheit. Um zu verstehen, warum StreamOn dem offenen Internet unterlegen ist, und warum es für den Geschäftserfolg der Deutschen Telekom die falsche Entscheidung ist, muss man zuallererst verstehen, wie Innovation im Internet funktioniert.

Das Internet ist eine globale Plattform, die sich gegenüber allen Anbietern und allen Erfindungen neutral verhält. Anders als im Fernsehen, muss man im Internet mit dem Netzbetreiber, dessen Kunden man erreichen will, keinen Vertrag abschließen, um vom Empfänger zum Sender zu werden. Anders als im Telefonnetz gibt es keine zentrale Vermittlungsstelle, die über den Preis einzelner Verbindungen entscheidet. Diese Neutralität des Netzes gegenüber allen Anbietern und Nutzern, die “Netzneutralität”, ist das Erfolgsrezept des Internets. Mit StreamOn schlägt die Telekom einen drastischen anderen Kurs weg von diesem Erfolgsrezept ein.

Meine Frage an Herrn Höttges wäre deshalb, was hat Sie dazu bewogen den Kurs der Netzneutralität zu verlassen?

Mit dem Modell von StreamOn muss ein innovatives StartUp Verträge mit allen Internetanbietern der Welt abschließen, deren Kunden das StartUp ein konkurrenzfähiges Angebot machen will. Mit StreamOn werden die Daten mancher Streaming-Angebote teurer als die Daten von Anderen. Meine Damen und Herren, das ist die Logik aus der Telefon-Ära, aber das ist nicht die Logik von Wettbewerb und Innovation im Internet.

Die Telekom behauptet, StreamOn sei diskriminierungsfrei. Schauen wir uns das genauer an. Mit der Anmeldung zu StreamOn verpflichtet sich der Inhalteanbieter, mit der Telekom dauerhaft zusammenzuarbeiten, um den eigenen Dienst im Netz der Deutschen Telekom identifizierbar zu machen. Jede Änderung am eigenen Produkt muss der Deutschen Telekom vier Wochen im Vorhinein bekannt gegeben werden. Vier Wochen sind eine lange Zeit gemessen an den Innovationszyklen des Internets – erst Recht, wenn einmal ein Rechenzentrum ausfällt und man schnell reagieren sollte.

Sollte ein Streaming-Anbieter diese Bedingungen nicht einhalten, riskiert er entweder von SteamOn ausgeschlossen zu werden, was den eigenen Kunden wohl nur schwer zu erklären sein wird, oder andererseits eine in Punkt 10 der AGB verankerte unkalkulierbare Vertragsstrafe.

Meine Frage, Herr Höttges: Wie viele Anbieter waren bisher bereit dieses Risiko einzugehen?

Und Herr Höttges, wie viele und welche Anbieter haben sie abgelehnt?

Meiner Ansicht nach, können es sich kleine und mittelständische Unternehmer aus Deutschland nicht leisten. Der Unternehmer Timo Hetzel, der seit vielen Jahren einen erfolgreichen Podcast betreibt, stand vor der Entscheidung, Partner von StreamOn zu werden. Er hat sich dagegen entschieden, nicht nur weil er die Verletzung der Netzneutralität ablehnt, die das Produkt eindeutig darstellt, sondern auch weil er das unternehmerische Risiko einer Teilnahme an StreamOn nicht auf sich nehmen konnte.

Trotzdem wird Herr Hetzel von StreamOn betroffen sein. Andere Audio- Streaming Anbieter werden den Vertrag unterzeichnen und sich damit vor den Kunden der Deutschen Telekom einen erheblichen Vorteil gegenüber ihrer Konkurrenz verschaffen. StreamOn ist schlecht für den Wettbewerb im boomenden Streaming-Markt. Es mag für einen Anbieter noch möglich sein, an einem solchen StreamOn Angebot teilzunehmen, aber nicht an über 30 solcher Angebote, sollte jeder Mobilfunkprovider alleine in Deutschland ein ähnliches Produkt auf den Markt bringen.

Herr Höttges, können Sie mir sagen, wie ein europäischer Binnenmarkt funktionieren soll, wenn tausende Internetanbieter in Europa dem Beispiel der Telekom folgen? Herr Höttges, wie soll die Sprachbarriere überwunden werden, wenn schon jetzt nur Anbieter aus Deutschland und den USA Partner von StreamOn sind? Der Anmeldeprozess der Deutschen Telekom zu StreamOn ist großteils auf Deutsch. Der Anmeldeprozess von T-Mobile Niederlande zum niederländischen Ableger “Datafree Music” ist ausschließlich auf Niederländisch. Durch walled gardens wie StreamOn wird nicht nur die Grundlage des offenen Internets gefährdet, auch der Europäische Binnernmarkt wird mit neuen Barrieren in der Digitalwirtschaft zurückgedrängt.

Meine Frage an Herrn Hötges wäre wieso der Anmeldeprozess zwischen BingeOn, Datafree Music und StreamOn nicht einheitlich ist?

Die Teilnahmebedingungen von StreamOn sind nicht nur für kleinere Anbieter diskriminierend. Vimeo, einer der erfolgreichste Video-Streaming Anbieter nach YouTube mit 200 Mitarbeitern, hat sich laut einem Bericht im heutigen Tagesspiegel ebenfalls dazu entschieden, nicht Teil von StreamOn zu sein. Vimeo hat sich darüber hinaus mit einem offenen Brief an die Bundesnetzagentur gewandt und darin erklärt, wieso sogar sie als global agierender Streaming-Anbieter mit 200 Mitarbeitern sowohl technisch als auch administrativ nicht in der Lage sind, den Teilnahmebedingungen von StreamOn zuzustimmen.

Die Bundesnetzagentur prüft derzeit, ob der StreamOn-Tarif den rechtlichen Vorgaben der EU-Verordnung zur Netzneutralität entspricht. Als jemand, der die letzten fünf Jahre seines Lebens an diesem Thema gearbeitet hat, sage ich Ihnen, StreamOn verstößt gegen geltendes EURecht. Das sehe nicht nur ich als Vertreter der Zivilgesellschaft so, sondern auch die Verbraucherzentrale Bundesverband spricht sich für ein Verbot von StreamOn durch die Bundesnetzagentur aus. Herr Höttges, was tun Sie, wenn StreamOn abgelehnt wird?

Aber nicht nur der rechtliche Status von StreamOn ist ein Problem. Auch die Auswirkungen dieses Tarifs auf Ihr Unternehmen sollten Sie zum Nachdenken bringen. Ein großer Geschäftsbereich der Deutschen Telekom ist der Verkauf des Zugangs zum Internet. Das bedeutet, das Fortbestehen der Innovationskraft des Internets und die stetig neuen Anreize für die Kunden, immer mehr Zeit im Internet zu verbringen, sind ein essentielles Interesse des Unternehmens. Mit StreamOn wird der Versuch unternommen, ähnlich der walled gardens aus früheren Zeiten, das Internet einzuschränken und dadurch besser zu monetarisieren. Dabei wird verkannt, dass bisher alle derartigen Versuche, die Vielfalt des Internets auf eigene Plattformen zu zwingen, gescheitert sind.

Anstatt das offene Internet als den Feind des eigenen Geschäftsmodells darzustellen, sollte die Telekom das offene Internet als Motor für den eigenen Erfolg begreifen. Die Vielfalt des Internets ist das beste Argument, warum das eigene Produkt, der Zugang zu all diesen wunderbaren Diensten, so sehr nachgefragt wird.

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  1. […] In meiner letzten Rede zu Ihnen vor zwei Jahren ging es um den StreamOn-Tarif dieses Konzerns. Damals war der Tarif gerade erst auf den Markt gekommen und ich habe Sie eindringlich davor gewarnt, welche Konsequenzen er auf das freie Internet und den Konzern haben wird. Ich habe aufgezeigt, wie durch diesen Dienst neue Walled Gardens, neue nationale Grenzen im Internet eingezogen werden und wie die Deutsche Telekom hier in die Verganenheit investiert. […]

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