Gegenanträge

Zu Tagesordnungspunkt 2: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Mitgliedern des Vorstands die Entlastung zu verweigern.

Begründung:

Der Vorstand der Thyssenkrupp AG kommt nicht hinreichend seiner Verantwortung nach, einen Beitrag zu den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens und der UN-Nachhaltigkeitsagenda zu leisten.

Lieferungen für Kohleprojekte konterkarieren Beitrag zum Klimaschutz

Thyssenkrupp gehört mit knapp 23 Mio. Tonnen Treibhausgasemissionen (Scope 1 und 2) weiterhin zu den klimaschädlichsten Unternehmen Deutschlands. Doch entscheidend sind auch die Emissionen der Wertschöpfungskette, vor allem jene, die durch die Nutzung von Thyssenkrupp-Produkten entstehen (Scope 3). Ausgerechnet hierzu finden sich keine Angaben im aktuellen Geschäftsbericht. Laut Science Based Targets initiative (SBTi) entspricht das Ziel von Thyssenkrupp, die Scope-3-Emissionen bis 2030 um magere 16 Prozent zu senken, nicht den Reduktionen, die erforderlich sind, um die Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen.

Ohne Frage ist gerade im Stahlbereich die Umstellung auf eine klimaneutrale Produktion nicht von heute auf morgen zu schaffen. Doch fünf Jahre nach Verabschiedung des Pariser Klimaschutzabkommens zeigen die aktuellen Rufe des Vorstands nach staatlicher Unterstützung vor allem, dass in der Vergangenheit kaum in zukunftsfähige, nachhaltige Geschäftsmodelle investiert worden ist. Das betrifft nicht nur die kriselnde Stahlsparte, sondern auch das Industriegeschäft.

Der Vorstand macht seine eigenen Klimaschutzbemühungen gegenüber Politik, Gesellschaft und Investor:innen unglaubwürdig, da es weiterhin keinen konzernweiten Ausstiegsplan aus klimaschädlichen Projekten, allem voran Kohleprojekten, gibt. Es reicht eben nicht aus, hehre Klimaziele zu verkünden. Spätestens jetzt ist es auch aus wirtschaftlichem Eigeninteresse nötig, sich nicht den wachsenden Risiken der Kohleindustrie auszusetzen. Doch das Gegenteil ist der Fall: So hat Thyssenkrupp erst Mitte 2020 den Auftrag zur Lieferung von drei semimobilen Brechanlagen (SMCP) für die Jayant-Kohlemine in Indien erhalten. 2018 kündigte Thyssenkrupp die Lieferung von Versorgungsanlagen zweier Kohlekraftwerke in Indien und von Schaufelradbaggern für die Kohlemine Mae Moh in Thailand an.

Westsahara: Zementwerk im Dienst der völkerrechtswidrigen Besatzung

Der Vorstand kommt auch weiterhin seinen menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nicht ausreichend nach. Projektbeteiligungen müssen dringend im Voraus auf ihre Menschenrechtsrisiken geprüft werden. Thyssenkrupp trägt beispielsweise mit seinen Aktivitäten in der Westsahara zur Stabilisierung der völkerrechtswidrigen Besatzung durch das Königreich Marokko bei. Die Besatzungsmacht verwehrt dem Volk der Westsahara, den Sahrauis, seit über 45 Jahren die Ausübung seines unanfechtbaren Rechts auf Selbstbestimmung. Ein großer Teil der Sahrauis lebt seit der Flucht vor der Invasion marokkanischer Truppen 1975 in Camps in Algerien, andere in der besetzten Westsahara unter schweren Repressalien der marokkanischen Behörden. Wirtschaftliche Aktivitäten in der besetzten Westsahara sind nur mit expliziter Zustimmung des sahrauischen Volkes konform mit internationalem Recht, was zuletzt auch vom Europäischen Gerichtshof bestätigt wurde.

Wirtschaftliche Aktivitäten ohne diese explizite Zustimmung geben der Besatzung den Anschein von Legitimität und tragen finanziell zu ihrer Aufrechterhaltung bei. Das hielt Thyssenkrupp jedoch nicht davon ab, den Auftrag der marokkanischen Holding Anour Invest für den Bau des Zementwerks CIMSUD in der Westsahara anzunehmen, welches 2019 von HeidelbergCement erworben wurde. Die wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages kamen in einem Sachstand zu dem Ergebnis, dass die vom marokkanischen Staat betriebene Siedlungspolitik in der Westsahara einen Verstoß gegen die Genfer Konvention und damit ein Kriegsverbrechen begründe. Genau dafür wird Beton bzw. Zement benötigt, so wie aus dem von Thyssenkrupp gebauten Werk.

Zu Tagesordnungspunkt 3: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Mitgliedern des Aufsichtsrats die Entlastung zu verweigern.

Begründung:

Der Aufsichtsrat der Thyssenkrupp AG kommt nicht hinreichend seiner Verantwortung nach, den Vorstand anzuweisen und effektiv zu kontrollieren, einen Beitrag zu der Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen, den Sustainable Development Goals (SDGs), zu leisten. Konkret stehen etliche Geschäfte von Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) dem Ziel Nr. 16 (Förderung friedlicher Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung) entgegen.

Weiterhin Rüstungsexporte in Konflikt- und Kriegsgebiete

Der Vorstand hat im zurückliegenden Geschäftsjahr weiter an seiner Strategie festgehalten, über Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) Kriegsschiffe und U-Boote in Krisen- und Konfliktgebiete zu liefern und damit dazu beigetragen, Krisenregionen aufzurüsten und weiter zu destabilisieren. Aktuell stehen u.a. U-Boote und/oder Fregatten für die Türkei, Ägypten und Brasilien in den Auftragsbüchern.

Türkei: Thyssenkrupp nimmt Destabilisierung des Mittelmeerraums billigend in Kauf

Für besondere Kritik sorgt weiterhin, dass TKMS an der Lieferung von U-Boot-Materialpaketen an die Türkei festhält, obwohl sich der Konflikt um die Ausbeutung der im östlichen Mittelmeer entdeckten Erdgasvorkommen immer weiter zuspitzt. Im Herbst 2020 kam es im Zuge von Militärmanövern zu einer Kollision zwischen griechischen und türkischen Kriegsschiffen. Im Bundestag und im Europäischen Parlament wurden Konsequenzen gefordert, u.a. ein umfassendes Waffenembargo gegen die Türkei. Trotzdem hält TKMS weiter an der Lieferung von U-Boot-Materialpaketen an die Türkei fest und nimmt dabei eine mögliche weitere Destabilisierung im östlichen Mittelmeer billigend in Kauf. Auch scheint es den Konzern nicht zu stören, dass so zunehmend die Gefahr besteht, dass die Kontrahenten sich mit von Thyssenkrupp gelieferten Kriegsschiffen gegenüberstehen. TKMS stattet nämlich nicht nur die Türkei, sondern auch andere Anrainerstaaten schon lange und immer noch mit Marineschiffen aus.

Des Weiteren überstützt TKMS durch seine Technologietransfers die Bestrebungen der Türkei, eine eigene Rüstungsindustrie aufzubauen. Diese Lieferungen sind sicherheits- und menschenrechtspolitisch auch deswegen unverantwortlich, weil der türkische Präsident Erdogan grundlegende menschenrechtliche Standards im eigenen Land missachtet und an seiner völkerrechtswidrigen Politik in Syrien und Libyen festhält. Seit Jahren geht die Türkei gegen die Kurden im eigenen Land und in Syrien mit Gewalt vor und verletzt zudem mit illegalen Waffenexporten das UN-Waffenembargo für Libyen.

Ägypten: Thyssenkrupp rüstet Autokraten auf

Ebenfalls für Kritik sorgten im laufenden Geschäftsjahr U-Boot-Lieferungen und weitere Ausfuhrgenehmigungen für Fregatten für Ägypten. Problematisch sind diese Lieferungen und Genehmigungen, weil Präsident Al-Sisi das Land autokratisch regiert, massiv aufrüstet und sich an Kriegshandlungen im Jemen und in Libyen beteiligt. So beteiligte sich die ägyptische Marine z.B. an der Seeblockade gegen den Jemen. Die UNO bezeichnet den Krieg im Jemen als „größte humanitäre Katastrophe der Welt“. Außerdem steht nach Medienberichten zu befürchten, dass Ägypten die deutschen U-Boote an seinen Verbündeten Saudi-Arabien weiterleiten oder ausleihen könnte.

Brasilien: Korvetten für rechtsextremen Bolsonaro

Auch Brasilien unter dem rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro gehört jetzt wieder zum Kundenkreis von TKMS. Mit dem Bau von vier Kriegs-Korvetten in der vormaligen „Estaleiro Oceana“-Werft in Itajaí, die Thyssenkrupp zum Zwecke des Korvettenbaus in 2020 gekauft hat, will Brasilien die militärische Schlagkraft des eigenen Landes stärken. Doch angesichts eines Präsidenten Bolsonaro, der Demokratie, Diplomatie und Dialog verachtet und stattdessen auf Chaos, Verbalinjurien und Zwist setzt, ist ein solcherart durch Thyssenkrupp zu bauendes 4-Korvetten-Projekt unverantwortlich. Gegen Bolsonaro sind jüngst vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag Anzeigen wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zugelassen worden. Bolsonaro spricht zusammen mit seinen politisch einflussreichen Söhnen unverblümt vom Einsatz militärischer Gewalt gegen den Nachbarn Venezuela, zur Absetzung des Präsidenten Maduro. Daher stellt eine Korvettenlieferung mit deutscher Technologie von Thyssenkrupp an die derzeitige Bolsonaro-Regierung eine dringende Angelegenheit für den für die Rüstungsexportkontrolle zuständigen Bundessicherheitsrat (BSR) dar.

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  1. […] unserem Gegenantrag zu TOP 3 kritisieren wir, dass der Vorstand der Thyssenkrupp AG nicht hinreichend seiner […]

  2. […] Gegenanträge zur Hauptversammlung 2021 […]

  3. […] der Hauptversammlung von Thyssen-Krupp am 5. Februar ist es nicht hoch hergegangen, aber die Kritischen Aktionär*innen hatten eine ganze Reihe Anträge und Fragen gestellt, die den Laden nicht im besten Licht […]

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