„Unheilvolle Aufrüstung von Krisenregionen“: Rede von Barbara Happe

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren vom Vorstand und Aufsichtsrat der Thyssenkrupp AG, werte Aktionäre und Aktionärinnen,

mein Name ist Barbara Happe und ich spreche hier heute für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre und für die Menschenrechtsorganisation urgewald.

Der Konzern geht durch turbulente Zeiten. Frau Merz, Sie wollen den Tanker Thyssenkrupp wieder in sichere und ruhige Gewässer bringen. Das sollten Sie auch ganz konkret für die Schiffssparte Ihres Unternehmens tun.

Im großen Thyssenkrupp-Universum ist die Rüstungssparte ein „winziger Fisch“ und gerade mal für 4% des Umsatzes verantwortlich. Diese 4% sind aber für deutlich mehr Ärger, Imageschaden und v.a. für große politische Schäden verantwortlich.

Mit den 4 % ist Thyssenkrupp das drittgrößte Rüstungs-Unternehmen Deutschlands und gehört weltweit zu den Top-50 der Rüstungsriesen. Sich selbst bezeichnet TKMS als Weltmarktführer bei konventionellen U-Booten. Im November 2019 kündigte der Konzern an, binnen weniger Jahre zu „Europas modernstem Marineunternehmen“ aufsteigen zu wollen.

Wahrlich hehre ökonomische Ziele, mag man denken – die aber zu einem hohen, inakzeptabel hohen politischen Preis erkauft werden sollen!

Denn: TKMS setzt bei seinen Zukunftsplänen überwiegend auf den Export seiner Kriegsschiffe und verweist im Geschäftsbericht auf gegenwärtig gute internationale Marktperspektiven.

Aktuell stehen v.a. U-Boote, Korvetten und/oder Fregatten für die Türkei, Ägypten und – geplant – Brasilien in den Auftragsbüchern des Konzerns.

Alles Länder, die von Autokraten regiert werden, in denen Menschenrechte mit Füßen getreten werden und die, wie im Fall von Ägypten und der Türkei, in völkerrechtswidrige Kriege verstrickt sind. Darauf verweisen wir seit Jahren!

Beispiel Türkei: Wegen des völkerrechtswidrigen Einmarsches in Syrien Anfang 2018 und im Herbst 2019 steht die Türkei öffentlich und international massiv in der Kritik. Hinzu kommt, dass Erdogan im eigenen Land und in Syrien mit Gewalt gegen die kurdische Bevölkerung und weitere Opposition vorgeht. Trotzdem baut TKMS weiter seelenruhig gemeinsam mit türkischen Unternehmen sechs U-Boote des Typs 214 in der Türkei undunterstützt damit in unverantwortlicher Weise die Bestrebungen Erdogans nach rüstungstechnischer Autonomie und größtmöglichem Technologietransfer. Dies ist umso unverständlicher, da sich die U-Boote ja auch bestens für die aggressive Außenpolitik Erdogans im Mittelmeer und der Ägäis eigenen.

Angesichts der neu entdeckten umfangreichen Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer wächst das Risiko von Tag zu Tag mehr, dass sich dereinst bei der Ausbeutung dieser Vorkommen die Türkei und andere Anrainerstaaten gegenüberstehen, die alle mit TKMS-Schiffen aufgerüstet worden sind. Denn schließlich gehören die meisten dieser Länder schon lange zum treuen Kundenkreis von Thyssenkrupp.

Wie z.B. auch Ägypten: Auch die Rüstungskooperation mit Ägypten wird immer weiter ausgebaut.

Und das, obwohl Präsident Al-Sisi seit dem Militärputsch 2013 das Land mit eiserner Hand regiert und harsch gegen jede Art von Opposition vorgeht. Zehntausende sitzen in Haft. Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht sind stark eingeschränkt.

Darüber beteiligt sich Ägypten an der von Saudi-Arabien angeführten Koalition, die seit fast 5 Jahren einen brutalen Krieg im Jemen führt. Die UN bezeichnet den Krieg im Jemen als „größte menschengemachte humanitäre Katastrophe der Welt“.

Und jetzt also auch noch Brasilien –

derzeit wird der Bau von vier Korvetten endverhandelt.

Dieser Deal ist angesichts der Tatsache, dass Präsident Bolsonaro politisch völlig unberechenbar auftritt, völlig unverantwortlich. TKMS sollte sich hier ein Beispiel am Rüstungsunternehmen Heckler & Koch nehmen, welches aus den aktuellen Entwicklungen in Brasilien die Konsequenz gezogen hat, derzeit keine Aufträge aus Brasilien mehr anzunehmen.

In Ihrer Reaktion auf unseren Gegenantrag schieben Sie alle Verantwortung von sich und schreiben, dass Sie sich an Recht und Gesetz halten. Punkt! Diese Antwort ist armselig!

Meine Fragen:

  1. Warum wollen Sie sich kein eigenes Mindestmaß an moralischen Grundsätzen leisten (vgl. H&K mit Brasilien)? Inwiefern haben Sie in der Vergangenheit bereits aus eigenen Stücken, mit Menschenrechtslagen begründet, von Exportgeschäften Abstand genommen, obwohl Exportgenehmigungen durch die Bundesregierung wahrscheinlich gewesen wären?
  2. Beim Thema „Schlüsseltechnologien“ pochen Sie auf die Einhaltung und Umsetzung des Koalitionsvertrages. Warum ignorieren Sie bzw. lobbyieren Sie massiv gegen die Passage im Koalitionsvertrag, Exporte in Richtung aller Jemen-Kriegsparteien umgehend einzustellen?

Im Klartext nochmals kurz zusammengefasst: TKMS trägt mit zahlreichen seiner Exportgeschäfte zu einer unheilvollen Aufrüstung von Krisenregionen bei und schafft so immer neue tickende Zeitbomben in den Unruheherden dieser Welt.

TKMS-Chef Wirtz verkündete unlängst öffentlich, dass er „mit vielen die tiefe Sorge teile, dass die andauernden Diskussionen über die Ausgestaltung von (…) Rüstungsexporten richtungsweisende Marine-Projekte nachhaltig negativ beeinflussen“.

Dem möchte ich entgegnen: wir teilen mit der Mehrheit der Bundesbürger*innen die Sorge, dass fehlende Exportverbote an kriegführende und menschenrechtsverletzende Staaten richtungsweisende friedensstiftende Sicherheitspolitik unmöglich machen!

Werte Aktionäre und Aktionärinnen,

Frau Merz, Sie haben gesagt, dass Sie mit Thyssenkrupp nicht havarieren wollen, dass Sie Abstand nehmen wollen zu gefährlichen Klippen, Sie wollen Ihren Konzern wieder manövrierfähig machen. Dann beherzigen Sie das bitte auch für Ihre Marinesparte und das bedeutet die Berücksichtigung von Menschenrechten und ein klares Nein zum Schmusekurs mit den Despoten dieser Welt!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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