Rede von L. Sand

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte mit einer kurzen persönlichen Geschichte anfangen. Als Kind hatte ich Asthma. Damals sind wir öfters mit der Familie ans Meer gefahren. Es hieß, dass die gute Meeresluft meinen Lungen gut tun würde. Mein Großvater ist mit mir immer im Hafen spazieren gegangen. Um die ganzen großen Schiffe anzugucken. Genau diese Schiffe – auch TUIs Kreuzfahrtschiffe – sorgen nun dafür, dass die Luft in allen Häfen massiv mit Abgasen ist.

Im Gegensatz zu dem was mein Vorredner glaubte, erzeugt nämlich nicht nur VW Abgase, auch Schiffe und Flugzeuge erzeugen massive Abgasmengen. Besonders hoch ist diese Belastung natürlich auf den Schiffen selbst. Bereits 2010 warnte die Deutsche Lungenstiftung Passagiere von Kreuzfahrtschiffe vor den gesundheitsgefährdenden Abgasen. Diese Warnungen sind heute leider noch genauso aktuell wie damals. Im Januar diesen Jahres machte ein französischer Fernsehsender verdeckte Messungen bei einer typischen Mittelmeerkreuzfahrt. Die Messungen ergaben dass die Abgasbelastung auf dem Passagierdeck eines Kreuzfahrtschiffes 20-mal soviel Abgase enthält wie eine dicht befahrene Straße. Verglichen mit natürlicher Umgebungsluft sind die Werte sogar 200-mal so schlimm.

Natürlich verbreiten sich die Abgase auch übers Schiff hinaus. In Hafenstädten wie Kiel, Hamburg oder Warnemünde sind Kreuzfahrtschiffe eine massive Belastung für die Luft. Beispielsweise kommen in der Millionen-Stadt Hamburg ca. 20 % des Feinstaubs und ca. 40 % der Stickoxide aus der Belastung der Seeschifffahrt. Und über die Luft verbreiten sich die Abgase bis weit ins Landesinnere hinein. Rußpartikel von Kreuzfahrtschiffen konnten noch mehrere hundert Kilometer ins Inland hinein nachgewiesen werden.

Schiffsabgase sind im Übrigen krebserregend. Besonders gefährlich sind dabei Rußpartikel und Feinstaub. Diese dringen über die Lunge ein und verbreiten sich über die Blutbahnen bis tief in den Körper. Sie können dort Herz-, Kreislauf- und Atemwegserkrankungen verursachen und verschlechtern. Denn sie sind genauso giftig wie Asbest. Alleine in Europa verursachen Schiffsabgase jährlich 50.000 vorzeitige Todesfälle.

Dabei gäbe es längst technische Lösungen zur Emissionsminderung. An Land sind beispielsweise Rußpartikelfilter längst gesetzlich vorgeschriebener Standard bei Lastern und Personenkraftfahrzeugen. Doch TUI spart bei ihren Kreuzfahrtschiffen an diesem Standard – auf Kosten der menschlichen Gesundheit!

Und Kreuzfahrtschiffe belasten nicht nur die menschliche Gesundheit. Auch Meeressäugetiere wie Wale werden durch Kreuzfahrtschiffe beeinträchtigt. Da mutet es fast schon hönisch an, dass TUI sich 2015 bei seinem Programm zur Biodiversität dem Schutz von Walen verschrieben hat. Unter Anderem wurden Richtlinien zur „sanften Waldbeobachtung“ festgelegt. Ich frage mich was sanft daran ist, wenn der Unterwasserschall der Kreuzfahrtschiffe dafür sorgt, dass Wale und Robben taub werden? Für diese ist es nämlich überlebenswichtig, dass sie ihre Umgebung akustisch wahrnehmen können. Übers Gehör bemerken sie Beutetiere und Prädatoren. Der Schiffslärm verschleiert diese Wahrnehmung. Ist es Walen zu laut können sie auch mit Artgenossen nicht mehr kommunizieren. Sie fliehen dann vor der Lärmquelle, versuchen selbst den Lärm zu übertönen oder verstummen gar komplett.

Die Umweltzerstörung, die Kreuzfahrtschiffe anrichten hört nicht bei Walen auf. Vielmehr treibt der immense CO2-Ausstoß der Kreuzfahtschiffe den Klimawandel voran. Durch den Klimawandel schmilzt das Polareis. Deshalb kann TUI nun dorthin Kreuzfahrten anbieten und beschleunigt das Schmelzen dadurch noch mehr. Denn die Rußpartikel setzen sich auf den Gletschern ab. Und das dunkler werdende Eis schmilzt noch schneller.

Und trotz alledem sind sämtliche Schiffe der TUI-Flotte nach dem internationalen Umweltnorm ISO-14001 zertifiziert. Da stellt sich doch die Frage mit welchem gloreichen Umweltschutzmaßnahmen TUI diese Zertifizierung erlangt hat? Vielleicht wird das Bild ein wenig klarer, wenn man sich mal näher ansieht wer noch nach dieser ISO-Norm ausgezeichnet wurde und warum? Bisher ausgezeichnet wurde u.A. das Atomkraftwerk Fessenheim in Paris für den vorbildlichen Schutz heimischer Orchideen. Ebenfalls zertifiziert wurden die Urananreicherungsanlage Urenco in Gronau und der Energiekonzern EnBW. Der Strom der EnBW stammt dabei aus überalteten, umweltbelasteten und gefährlichen Atomanlagen. Zudem baute die EnBW in den letzten Jahren fleißig neue Kohlekraftwerke. Doch wie gelangten diese Unternehmen an die Zertifizierung? Zum einen stellt diese Norm keinerlei Anforderungen an ein Unternehmen. Es ist jeden Unternehmen selbst überlassen sich Verpflichtungen für die eigene Umweltpolitik aufzuerlegen. In der Norm ist zudem von einem „commitment to compliance“ die Rede. Das heißt übersetzt, dass die Unternehmen sich an geltende Gesetze halten wollen. Oder auch: Sie müssen sich nicht zwangsläufig an Gesetze halten.

Kurz gesagt: TUI hat ein Umwelt-Zertifikat dafür sich selbst beliebig niedrige Umweltstandards zu setzen und die geltenden Gesetze einzuhalten. Letzteres aber auch nur vielleicht. Deshalb habe ich ein paar Fragen zu TUIs Umweltpolitik mitgebracht:

Wie werden ihre Passagiere und/ oder Crewmitglieder über die erhöhten Gesundheitsrisiken durch Rußpartikel und Schiffsabgase informiert? Gibt es besondere Sicherheitshinweise für Passagiere/Crewmitglieder mit Atemwegserkrankungen? Bzw. inwiefern informieren sie sich über Atemwegserkrankungen von Passagieren/ Crewmitgliedern? Gab es in den letzten Jahren Unfälle im weitesten Sinne mit ihren Schiffen? Gab es Unfälle bei denen Schweröl ins Meer gekommen ist? Wenn ja, in welchen Mengen?

TUI-Website: „Die Neubauten von TUI Cruises werden mit einem kombinierten Abgasnachbehandlungssystem ausgerüstet. Bei der Nachrüstung derartiger Systeme für bereits in Dienst gestellte Schiffe gibt es derzeit noch technische Herausforderungen. Eine markt- bzw. serienreife Lösung ist aktuell noch nicht verfügbar. Dennoch arbeitet TUI Cruises eng mit der Industrie und den Herstellern zusammen, um diese Herausforderungen schnellstmöglich zu überwinden.“

→ Welche „technischen Herausforderungen“ bestehen? Und mit welchen Industrien und Herstellern arbeitet TUI zusammen? Für wie viele Menschen an Bord – in Prozent und in absoluten Zahlen – sind die Rettungsmöglichkeiten (Boote, Rettungsinseln etc.) ausgelegt? Welche Form und Qualität haben die Rettungsmöglichkeiten? Sind ihre Schiffe mit MES (Marine Evakuierungssysteme) ausgestattet? Wenn ja, in welchem Umfang? Wenn nein, warum nicht?

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!

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