Rede von Tilman Massa

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat,

mein Name ist Tilman Massa, ich bin vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Wir haben einen Gegenantrag eingereicht, weil Uniper aus unserer Sicht seiner Verantwortung und Anforderungen für die Achtung der Menschenrechte und dem Klimaschutz nicht gerecht wird. Wir können Vorstand und Aufsichtsrat nicht entlasten. Dies möchte ich hier kurz begründen und Fragen zu Ihren Nachhaltigkeitsverpflichtungen stellen.

Das zentrale Geschäftsmodell von Uniper, die Energieerzeugung vor allem mit den fossilen Energieträgern Kohle und Gas, trägt entscheidend zum Klimawandel bei. Solange Uniper nicht von diesem Geschäftsmodell abrückt, kann es einfach keine wirksamen Beiträge zum Erreichen der nationalen und internationalen Klimaschutzziele wie dem Pariser Klimaschutzabkommen und den UN-Nachhaltigkeitsziele 2030, den Sustainable Development Goals (SGDs), leisten.

Im Geschäftsbericht 2017 erkennen Sie selbst an, dass dadurch – ZITAT – „schwerwiegende Folgen sowohl für Ökosysteme als auch für die Lebensbedingungen großer Teile der Weltbevölkerung“ (S. 97) entstehen. Es geht jedoch nicht nur darum, dass dadurch „institutionelle Investoren eine hohe CO2-Bilanz negativ bewerten, was sie möglicherweise von Investitionen“ in Uniper abhalten würde, wie Sie im Geschäftsbericht schreiben.

Es geht darum, dass der Klimawandel sich zu einem der größten Hindernisse bei der Überwindung von Hunger und Armut entwickelt. Er wirkt sich schon heute auf Millionen Menschen aus und zerstört ihre Lebensgrundlagen. Am meisten sind Menschen in Entwicklungsländern betroffen, während die Verursacher wie Uniper in den Industrienationen bisher kaum in die Pflicht genommen wurden.

Die Frage der Bekämpfung des Klimawandels und seiner Folgen ist daher auch eine Frage der weltweiten sozialen Gerechtigkeit, daher nehmen sowohl das Pariser Klimaabkommen als auch die UN-Nachhaltigkeitsagenda die Unternehmen in besondere Verantwortung.

Der juristische Weg, die Verursacher des Klimawandels in die Pflicht zu nehmen, hat gerade erst begonnen, wie die Klagen des peruanischen Bauern Saúl Luciano Lliuya gegen RWE oder der People‘s Climate Case gegen die EU zeigen. Sie werden die Fälle sicher verfolgen und hoffen, dass nicht auch Sie auf Schadensersatz verklagt werden. Daher die Frage: Wie hoch schätzen Sie die Reputationsrisiken ein, wenn Sie weiter an der klimaschädlichen Kohleverstromung festhalten?

Sie schreiben, dass Ihre konzernweiten Strategischen Nachhaltigkeitspläne (SNP) im Einklang mit ausgewählten SDGs stünden, zum Beispiel SDG 13, die Bekämpfung des Klimawandels. Bekennen Sie sich aber auch zu dem umfassenden Ansatz der SDGs, also zu allen 17 Zielen?

Etliche Ihrer Geschäftstätigkeiten lassen uns daran zweifeln, dass Sie Ihre Verpflichtungen zur Achtung der Menschenrechte entlang Ihrer Lieferketten und der Bekämpfung des Klimawandels, also SDG 13, wirklich erst nehmen.

Dazu fünf Beispiele:

Beispiel 1: Neues Kohlekraftwerk Datteln 4

Das Ziel, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2° Celsius zu begrenzen, ist schon mit den Kohlekraftwerken, die aktuell weltweit am Netz sind, nicht zu halten. Jedes neue Kohlekraftwerk, das in Betrieb geht, minimiert die Chance, das Klimaziel zu erreichen – und Uniper ist voll dabei. Am neuen Kohlekraftwerk Datteln 4 wird seit Jahren gebaut, doch schon jetzt gibt es Bauschäden, weitere Verzögerungen schließen Sie ja selbst nicht aus.

Daher frage ich Sie: Wieso halten Sie trotz der enormen Kosten und Probleme an dem Projekt fest, anstatt es für den Klimaschutz aufzugeben?

Beispiel 2: Umweltschädigendes Fracking in Kanada

Sie ermöglichen durch langfristige Gas-Abnahme-Verträge den Bau des ersten LNG Terminals an der kanadischen Ostküste durch die Firma Pieridae Energy. Um dieses Terminal mit Gas zu versorgen, müssen zahlreiche neue Gasquellen erschlossen werden, teilweise muss in diesen das Gas per Fracking gewonnen werden. Pieridae besitzt Rechte an Gasvorkommen in New Brunswick, wo Fracking einem Moratorium unterliegt. In Quebec befinden sich die Gasvorkommen auf der Gaspé-Halbinsel, deren zahlreiche lachsreiche Flüsse vom Gas- und Ölabbau bedroht werden.

Daher frage ich Sie: Haben Sie mögliche Umwelt- und Klimawirkungen des Goldboro-LNG-Projektes überhaupt berücksichtigt?

Beispiel 3: Biomasse-Kraftwerk Provence

Trotz der offensichtlichen Umweltgefährdung werden im Kohle- und Biomassekraftwerk Provence von Uniper France weiterhin Holzfeuerungen im Block 4

durchgeführt. Das Ökosystem in der Region leidet darunter enorm. Unipers Holzfeuerungen werden hierbei von großen Protesten begleitet. Die Protestierenden sehen bei diesem Vorhaben die Gefahr für die Biodiversität und Artenvielfalt. Dazu kommt, dass Uniper auch noch weiteres Holz aus dem Ausland importiert und dann sogar die Wälder in Regionen wie Brasilien oder Osteuropa bedroht werden. Im Prozess der Holzverbrennung wird eine große Menge CO2 ausgestoßen. Daher frage ich Sie: Wenn Sie sich dazu verpflichten, weniger klimaschädliches CO2 auszustoßen, wieso halten Sie dann an der Holzverbrennung fest?

Beispiel 4: Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten bei Steinkohleimporten

Die für Sie billige Steinkohle hat anderswo auf der Welt das Leben von Menschen gekostet, zum Beispiel im Nordosten Kolumbiens. Mit Drohungen, Vertreibungen und sogar Morden haben dort Paramilitärs jahrelang Platz für den Kohleabbau geschaffen. Indigene wurden gegen ihren Willen umgesiedelt.

Es ist damit viel zu spät, wenn Sie nun für 2018 ankündigen, ein neues ESG-Due-Diligence-Verfahren einführen zu wollen, das strengere Kontrollen für seine Lieferanten vorsieht. Der nun versprochene „Fokus auf potentielle Verstöße gegen die Menschenrechte und negative Auswirkungen auf die Umwelt“ hätte schon seit Beginn der Geschäftsbeziehungen das entscheidende Kriterium bei der Auswahl von Kohle-Zulieferern sein müssen.

Zwar wird im Geschäftsbericht 2017 erwähnt, dass sich Uniper im vergangenen Jahr mit den Bedingungen in den Kohleminen Kolumbiens beschäftigt hat und sogar mit einer Delegation in der Region Cesar vor Ort war. Doch eine bloße Beteiligung an der Initiative „Better Coal“ reicht nicht aus.

Daher frage ich Sie: Was sind nun Ihre konkreten Kriterien, die der jeweilige Kohlelieferant als Voraussetzung für die Fortführung des Geschäfts erfüllen muss? Welche Kohle-Zulieferer sehen Sie als besonders kritisch ein?

Beispiel 5: Geschäfte mit dem autoritären Aliyev-Regime

Sie führen Geschäfte mit der staatlichen aserbaidschanischen Ölgesellschaft SOCAR. Dieser Konzern hilft mit seinen Einnahmen dem autoritären Aliyev-Regime, die Macht zu sichern und vom Öl- und Gasgeschäft zu profitieren. Das Regime ist verantwortlich für die stetig fortlaufenden Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan. Projekte wie die umstrittene Gaspipeline, die über die Türkei, Griechenland und Albanien Gas nach Italien bringen soll (Southern Gas Corridor, SGC), stärken das Regime, statt die Achtung der Menschenrechte zur Bedingung zu machen. Uniper fördert zusätzlich durch langfristige Abnahmeverträge den SGC und damit das Aliyev-Regime.

Daher frage ich Sie: Haben Sie die menschenrechtliche Situation in Aserbaidschan überhaupt in Erwägung gezogen, als Sie diese Verträge und Projekte geprüft haben?

Unzureichende Zielsetzungen beim Anteil weiblicher Führungskräfte

SDG 5 ist das Ziel, Gleichberechtigung der Geschlechter und Selbstbestimmung für alle Frauen und Mädchen erreichen. Sie selbst verpflichten sich in diesem Zusammenhang laut Geschäftsbericht auf die Stärkung und Verwirklichung der Chancengleichheit sowie die Förderung der Vielfalt in Ihren Führungspositionen.

Sie tun aus unserer Sicht aber zu wenig, um den Frauenanteil im höheren Management zu erhöhen. Die neue Zielquote von nur 25 Prozent Frauenanteil in den ersten beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands bis 2022 ist das Gegenteil eines engagierten Vorhabens. Hier hätte der Aufsichtsrat gleich die für sich selbst geltende gesetzliche Geschlechterquote von 30 Prozent als Zielmarke vorgeben sollen, und zwar für nächstes Jahr. Echtes Engagement in dieser Hinsicht wäre es aber, wenn Sie der Forderung des Deutschen Juristinnenbunds (djb) nach einer Zielquote von mindestens 40 Prozent von Frauen in Führungspositionen, im Vorstand und auch im Aufsichtsrat nachkommen würden.

Die bisherigen, noch mageren Zielquoten von 20 bzw. 22,5 Prozent haben Sie ja schnell erreicht, das sollte Ihnen zu denken geben. Wieso erhöhen Sie dann ihre Zielquoten kaum und lassen sich dazu auch noch vier Jahre Zeit?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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