Rede von Jens Hilgenberg

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat,
meine Damen und Herren,

mein Name ist Jens Hilgenberg und ich spreche hier und heute für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V. und den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Wir beantragen heute sowohl dem Vorstand, als auch dem Aufsichtsrat der Volkswagen AG die Entlastung für das Geschäftsjahr 2017 zu verweigern. Der entsprechende Gegenantrag wurde fristgerecht eingereicht und auf der VW-Konzernwebsite veröffentlicht.

Seit nunmehr 2 ½ Jahren dringen immer neue Aspekte des Diesel-Abgasskandals in die Öffentlichkeit. Ich verzichte darauf, alle Rechtsverfahren, Durchsuchungen und Rückrufaktionen des letzten Jahres aufzuzählen, denn das würde wohl den Rahmen sprengen. Der Vorstand scheint die Taktik zu fahren, immer nur das zuzugeben, was bereits gerichtsfest nachgewiesen wurde, und das mit dem Segen des Aufsichtsrats. Das ‚Wir haben verstanden‘ von Herrn Müller dürfte in den Ohren der Betroffenen wie Hohn klingen. Menschen die mit ihren Volkswagen massive Wertverluste erleiden, weil der Konzern sich standhaft weigert, die Fahrzeuge so nachzurüsten, dass sie von den drohenden und von VW maßgeblich mitverursachten Fahrverboten nicht betroffen sind. Ich frage mich in diesem Zusammenhang auch, wie sie Herr Weil ihre Ablehnung der Hardware-Nachrüstungen ihren betroffenen Wählerinnen und Wählern verkaufen wollen? Rekordgehälter und hohe Dividenden die zu Lasten von Kundinnen und Kunden erwirtschaftet werden, werden den Ruf des Konzerns weiter schädigen.

Und ich bitte den gesamten Vorstand: Hören sie auf die Neuwagenkund*innen weiter für dumm zu verkaufen. Sie sprechen gerne öffentlich und medienwirksam von Diesel-Pkw der neuesten Abgasnorm, was Euro 6d oder zumindest Euro 6d-temp bedeuten würde. Diese sollen nach ihren Aussagen alle Probleme lösen. Der Großteil der Diesel-Pkw, die der Konzern aktuell in Europa verkauft, entspricht aber eben nicht dieser neuesten Norm.

Nach ADAC Angaben gibt es aktuell gerade einmal drei bestellbare Dieselmodelle im Konzern welche der Abgasnorm Euro 6d-temp entsprechen.

Dass die VW-Umweltprämie zudem jetzt nur noch beim Kauf eines neuen Diesels und nicht mehr für Benziner, Erdgas-, Hybrid- oder Elektroautos gewährt wird, erzeugt bei mir das Gefühl, dass es ihnen vor allem um eins geht: die Diesel noch auf die Straße zu bekommen, die eben nicht der neuesten Abgasnorm entsprechen.

Ich frage sie in diesem Zusammenhang:

Wie ist das prozentuale Verhältnis zwischen den Abgasnormen Euro 6, Euro 6d-temp und Euro 6d bei denen in Europa 2017 zugelassenen Dieselfahrzeugen der Marken VW, Audi, Skoda, Seat und Porsche?

Wie viele Modelle mit der Abgasnorm Euro 6d-temp oder Euro 6d sind aktuell für Privatkunden bestellbar? Und wie viele Modelle haben lediglich die Abgasnorm Euro 6?

Was passiert mit denen in den USA zurückgenommen Dieselfahrzeugen? Ist geplant diese in ihrem jetzigen Zustand weiterzuverkaufen? Wenn ja, in welchen Ländern soll dies geschehen. Wenn nein, was soll mit diesen Fahrzeugen passieren?

Gibt es Pläne der Volkswagen AG, die Besitzer*innen von Euro 5 Dieselfahrzeugen des Konzerns bei der Nachrüstung mit wirksamen Abgasnachbehandlungssystemen zu unterstützen? Wenn ja, wie soll diese Unterstützung aussehen? Wenn nein, warum nicht?    

Wie viele außergerichtliche Einigungen hat die Volkswagen AG mit Kund*innen in Europa getroffen, die die Volkswagen AG oder deren Haupthändler bezüglich Fahrzeugrückgabe, -tausch, Nachbesserung oder Entschädigung seit Herbst 2015 verklagt haben und wie hoch war die durchschnittliche Auszahlungssumme bei diesen Vergleichen?   

Wenn sich der Vorstand seiner Verantwortung stellt und die Fehler der Vergangenheit wirklich beheben will, muss er gewährleisten, dass alle Fahrzeuge des Konzerns ihre jeweiligen gesetzlichen Schadstoffgrenzwerte auch beim Betrieb auf der Straße einhalten. Und wenn dafür zusätzliche Schadstoffminderungssysteme verbaut werden müssen, dann sollte das schnellstens geschehen.

Statt dafür zu sorgen, dass alle Fahrzeuge des Konzerns allen gesetzlichen Anforderungen vollumfänglich entsprechen, sollte mit unwürdigen Untersuchungen an Menschen und Tieren die Unschädlichkeit von Luftschadstoffen bewiesen und damit die vor vielen Jahren festgelegten und auch von ihrem Konzern seinerzeit anerkannten gesetzlichen Grenzwerte als überzogen dargestellt werden. Sorgen sie dafür, dass ihre Fahrzeuge alle Grenzwerte einhalten, dann brauchen sie solche bezahlte Pseudowissenschaft nicht!

Und natürlich sind sie Herr Diess jetzt in der Verantwortung dafür zu sorgen, dass sich die Modellpolitik endlich an den gesetzlichen Vorgaben zu Verbrauch und den damit unmittelbar zusammenhängenden Treibhausgasemissionen orientiert und zwar weltweit. Ihr Ziel scheint nach wie vor zu sein, möglichst viele große und schwere Fahrzeuge mit hohen Gewinnmargen zu verkaufen. Gut für Umsatz und kurzfristige Gewinne. Aber alle, die ein langfristiges Interesse am Konzern haben, sollten sehr genau schauen, wie der Konzern die immer drängenderen klimatischen Herausforderungen angeht und ich kann Ihnen schon verraten: mit immer größeren, schweren und leistungsstärkeren Autos wird das nicht funktionieren. Es wird nämlich nicht reichen, Geländewagen und schwere Limousinen zukünftig einfach mit Strom statt mit Benzin oder Diesel anzutreiben und das sollten sie als Vorstände und Aufsichtsräte wissen.

Die vielbeschworene Nachhaltigkeit wird mit einem schönen und eindrucksvollen Satz auf der Konzernwebsite erklärt: Nachhaltigkeit bedeutet für unseren Konzern, ökonomische, soziale und ökologische Ziele gleichrangig und gleichzeitig anzustreben. Wir wollen dauerhafte Werte schaffen, gute Arbeitsbedingungen bieten und sorgsam mit Umwelt und Ressourcen umgehen.

Nachhaltigkeit ist aber nicht nur ein schönes Wort, mit dem sich gut Werbung machen lässt. Nachhaltigkeit muss sich auch tatsächlich in den Produkten und Dienstleistungen wiederspiegeln. Entscheidend für die Ökobilanz eines Fahrzeugs sind neben den Rohstoffen, die für Herstellung und Betrieb benötigt werden, auch die aufzuwende Gesamtenergiemenge. Genau hier setzt Nachhaltigkeit an. Rohstoffe und Energie einsparen, die für Produktion und Betrieb benötigt werden ist ein Gebot der Zukunft. Und diese Zukunft wird dieser Konzern nur erleben, wenn endlich vermehrt nachhaltige Produkte und Dienstleistungen ins Angebot kommen.

Vielen Dank!

 

 

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