Rede von Jens Hilgenberg

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, meine Damen und Herren,

mein Name ist Jens Hilgenberg und ich spreche hier und heute für den BUND e.V. und den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Rund 11 Millionen Fahrzeuge weltweit sind vom dem Skandal betroffen, den Vorstand und Aufsichtsrat nach wie vor lapidar ‘Diesel-Thematik‘ nennen. Bei ihnen wurde eindeutig illegale Software verbaut. Darüber hinaus zeigen die Testergebnisse der von der Bundesregierung eingerichteten Untersuchungskommission ‘Volkswagen‘ aber noch eine Reihe von anderen, teils massiven Grenzwertüberschreitungen im Realbetrieb bei Fahrzeugen des Konzerns. Auch bei solchen Modellen, bei denen die eindeutig illegale Software nicht zum Einsatz kam. Argumentiert wird hierbei mit Motorenschutz. Motorenschutz der dazu führt, dass beispielsweise der untersuchte VW Amarok um die 2000 statt der gesetzlich erlaubten 180 mg/km NOx ausstößt und der Porsche Marcan 3,0 Liter auf der Straße mit über 800 statt der erlaubten 80 mg/km gemessen wurde.

Viele Menschen haben im guten Glauben an die technische Leistungsfähigkeit und im Vertrauen in die Aussagen von VW, Diesel-Fahrzeuge des Konzerns gekauft. Sie haben an den ‘Clean Diesel‘ geglaubt und wurden schwer enttäuscht, getäuscht. Offensichtlich war es nicht möglich, kostendeckend Dieselfahrzeuge auf den Markt zu bringen, die ihre gesetzlichen Grenzwerte nicht nur im Labor auf dem Rollenprüfstand, sondern auch im Realbetrieb auf der Straße einhalten. Und dabei sind nicht allein die 11 Millionen Fahrzeuge mit eindeutig illegaler Software gemeint. Überschreitung der Grenzwerte im Realbetrieb sind bei fast allen Modellen des Konzerns mit Euro 5 und Euro 6 Diesel-Motoren zu beobachten.

Was ist aber eigentlich das Problem? Das Problem ist, dass sich Länder und Kommunen darauf verlassen haben, dass die Dieselfahrzeuge ihre gesetzlichen Grenzwerte auch im Realbetrieb auf der Straße einhalten. Darauf wurde die gesamte Luftreinhaltepolitik für die Städte ausgelegt. Die Marktdurchdringung mit Euro 6 Fahrzeugen war die große Hoffnung für bessere Luft in den Städten. Dass ein durchschnittlicher Euro 6 Diesel im Realbetrieb aber in etwa so viel Stickoxide ausstößt, wie ein 15 Jahre alter Euro 3 Diesel, hielt anfangs keiner der Beteiligten in den für die Luftreinhaltung verantwortlichen Verwaltungen für möglich.

Und so hat sich die Situation in den Städten in den letzten Jahren nicht wirklich verbessert. Die Bewohnerinnen und Bewohner in Europas Städte leiden unter den hohen Stickoxidemissionen. Sie leiden an Herz- und Kreislauferkrankungen und Schädigungen der Atemwege. Der Grund sind in erster Linie die Emissionen aus dem dieselbetriebenen Straßenverkehr. Die Jahresgrenzwerte für Stickstoffdioxid werden in allen größeren europäischen Städten überschritten.

Ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen der dauerhaften Überschreitung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte läuft bereits seit einiger Zeit. In Folge dessen drohen der öffentlichen Hand horrende Strafzahlungen. Käufern, die noch vor dreieinhalb Jahren einen fabrikneuen Euro 5 Diesel gekauft haben, droht der Ausschluss aus den Innenstädten. Und das nur, weil deren Realemissionen deutlich über den gesetzlichen Grenzwerten liegen.

Jetzt sollte man doch meinen, ein Konzern wie Volkswagen setzt nun alles daran, die Bestandsfahrzeuge ihrer Kunden so nachzubessern, dass sie ihre gesetzlichen Stickoxid-Grenzwerte auch im Realbetrieb einhalten. Dass auch die Kunden in Europa ihre Fahrzeuge wirksam nachgerüstet bekommen. Dies ist aber nicht der Fall. Untersuchungen beim nachgebesserten VW Passat haben gezeigt, dass selbst die Fahrzeuge, die im Rahmen der offiziellen Rückrufaktion des Kraftfahrtbundesamtes in die Werkstätten gerufen werden, danach ihre Stickoxid-Grenzwerte im Realbetrieb noch immer um ein Vielfaches überschreiten und so Menschen und Umwelt weiterhin über Gebühr belasten.

Weil der Vorstand unserer Meinung nach seiner Pflicht nicht nachkommt, den Abgasskandal lückenlos aufzuklären und alle betroffenen Fahrzeuge so nachzubessern, dass sie den gesetzlichen Regelungen vollumfänglich entsprechen, beantragen wir gemäß unseres Gegenantrags, die Mitglieder des Vorstands nicht zu entlasten.

Die offizielle Rückrufaktion mag der aktuellen Rechtsauffassung der Zulassungsbehörden entsprechen. Für einen Konzern, der im eigenen Nachhaltigkeitsbericht u.a. ‘Klima- und Umweltschutz‘, ‘Gesundheit‘ und ‘gesellschaftliche Verantwortung‘ als zentrale Handlungsfelder beschreibt, ist die aktuelle Vorgehensweise aber ungenügend.

Den betroffenen Kunden muss von Seiten des Konzerns Unterstützung bei wirksamen Nachrüstungen zu Teil werden, welche die Stickoxidemissionen im Realbetrieb wirksam mindern. Anderenfalls wird sich die Volkswagen AG den Vorwurf gefallen lassen müssen, die Kunden in Europa mit ihrem Problem der zu hohen Realemissionen allein zu lassen.

Der Vorstand stellt zu Recht in Frage, ob mit weiteren Investitionen in die Entwicklung neuer Dieselantriebe, nicht die Zukunft des Konzerns gefährdet wird. Zukünftig sind Dieselfahrzeuge nur mit einer deutlich kostenintensiveren Abgasnachbehandlung zu verkaufen. Damit wird der Dieselantrieb für den eigentlichen Markenkern der Volumenmarken

Volkswagen, Seat und Skoda unattraktiv. Der Dieselantrieb wird in erster Linie benötigt, um die steigende Zahl der SUV-Modelle und Großkombis überhaupt noch in Europa auf den Markt bringen zu können. Auf den Zukunftsmärkten wie China und Südamerika spielt der Diesel ohnehin keine Rollen und wird dies nach Aufklärung aller Sachverhalte des Abgasskandals auch zukünftig nicht tun.

Grundsätzlich unterstützt der BUND e.V. die ‘Strategie 2025‘. Der längst überfällige Konzernumbau hin zu einem Mobilitätsdienstleister und mit einem klaren Bekenntnis zur lokal emissionsfreien Mobilität muss schnellstens und mit Nachdruck angegangen werden. Allein mir fehlt der Glaube, dass eine Konzernspitze, die noch immer den Begriff ‘Diesel-Thematik‘ verwendet, wenn sie über den größten Skandal der Autogeschichte spricht, für solch einen Neuanfang uneingeschränkt geeignet sind.

Dazu meine Fragen:

  1. Gibt es Pläne der Volkswagen AG die Besitzer von Euro 5 und Euro 6 Dieselfahrzeugen des Konzerns bei der Nachrüstung mit wirksamen Abgasnachbehandlungssystemen zu unterstützen? Wenn ja, wie soll diese Unterstützung aussehen? Wenn nein, warum nicht?
  2. Wann werde alle von der Volkswagen AG in Europa verkauften Dieselfahrzeuge, den zukünftigen Anforderungen von maximal 168 mg/km NOx nach RDE entsprechen?
  3. Wird sich die Volkswagen AG für ambitionierte CO2-Flottengrenzwerte in der EU für die Jahre 2025 und 2030 einsetzen, welche die neue Konzernstrategie unterstützen werden? Wenn ja, welche Werte für die Jahre 2025 und 2030 hält die Volkswagen AG für angemessen? Wenn nein, warum nicht?

 

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