Rede von Markus Dufner

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats,

Ich heiße Markus Dufner und bin Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Mit unseren 26 Mitglieds­organisationen und zahlreichen Kooperationspartnern setzen wir uns für Frieden, Umweltschutz und Menschenrechte ein – seit nunmehr 30 Jahren. Dass wir mit unseren Forderungen und Fragestellungen richtig liegen, finden auch immer mehr Kleinaktionäre.

Mein Kollege Jens Hilgenberg vom BUND hat in seiner Rede begründet, warum dem Vorstand der Volkswagen AG keine Entlastung gewährt werden sollte. Ich beantrage gemäß unseres Gegenantrags, den Mitgliedern des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2015 keine Entlastung zu erteilen.

Meine Damen und Herren, es ist heute schon fast eine Binsenweisheit festzustellen, dass die Führungskultur von VW nicht den Regeln guter Unternehmensführung entspricht. Einen großen Teil der Verantwortung dafür trägt der Aufsichtsrat.

Der Aufsichtsrat der Volkswagen AG scheint weder willens noch in der Lage zu sein, eine glaubwürdige Aufarbeitung des Abgasskandals durchzuführen.

Herr Pötsch, so ist weder uns Aktionärinnen und Aktionären noch der Öffentlichkeit zu vermitteln, dass es bei Volkswagen einen Neuanfang gibt.

Das System Volkswagen ist dadurch gekennzeichnet, dass sich das Land Niedersachsen, der VW-Betriebsrat, das Management und die Großaktionärsfamilien Porsche und Piëch die Macht untereinander aufgeteilt haben und sich gegenseitig Vorteile zuschieben. Eine unglaubliche Filzokratie!

Corporate Governance – oder auf Deutsch: gute Unternehmensführung – scheint bei Volkswagen in der Tat ein Fremdwort zu sein.

Meine Damen und Herren, in Wolfsburg gibt es keine klare Trennung von Vorstand und Aufsichtsrat. Diese Gewaltenteilung ist nicht freiwillig, sondern Bestandteil des deutschen Aktienrechts.

Herr Pötsch, warum sitzen Sie eigentlich heute auf dem Platz des Versammlungsleiters? Bis vor einigen Monaten waren Sie noch Finanzvorstand dieses Unternehmens. Sie dürfen frühestens im Herbst 2017 in den VW-Aufsichtsrat wechseln. Nicht nur nach Einschätzung von uns Kritischen Aktionären sind Sie noch nicht abgekühlt, sprich: Sie sind als langjähriges Mitglied des Vorstands befangen.

Laut § 100, Absatz 4, Aktiengesetz und entsprechender Empfehlung des Deutschen Corporate Governance Kodex hätten Sie erst nach zweijähriger Abkühlungsperiode an die Spitze des Aufsichtsrats wechseln dürfen. Herr Pötsch, Sie mögen das Vertrauen des Großaktionärsclans Porsche/Piëch genießen, aber unseres genießen Sie nicht. Sie sind der personifizierte Interessenkonflikt. Als früherer Finanzvorstand sind Sie für den Abgas-Betrug mitverantwortlich. Jetzt, als Aufsichtsratvorsitzendenr, mimen Sie den Chef-Aufklärer.

Herr Pötsch, es gibt begründeten Anlass zu der Annahme, dass Sie, neben dem Ex-Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn, zumindest Mitverantwortung daran tragen, dass VW die Öffentlichkeit und damit auch die Aktionäre zu spät über die  Anschuldigungen der US-Umweltbehörde EPA unterrichtete. Anschuldigungen, die Bußgelder in Milliardenhöhe nach sich ziehen können. Bitte sagen Sie uns Aktionärinnen und Aktionären hier und heute, seit wann Sie wussten, dass die Aufdeckung des Abgasskandals droht.

Der Konzernspitze war allem Anschein schon seit Anfang September 2015 bekannt, dass eine Aufdeckung des Sachverhalts droht. Aber erst gut drei Wochen später wurde das wahre Ausmaß des Skandals erkennbar. Durch das verspätete Eingeständnis kommt auf den VW-Konzern eine Welle von Schadenersatzklagen von Investoren und Kunden zu, die in ihrem Ausmaß noch nicht abzuschätzen ist.

Aus den genannten Gründen beantrage ich, Herrn Hans Dieter Pötsch von der Leitung dieser Hauptversammlung zu entbinden.

Meine Damen und Herren, mit unserer Kampagne „Rohstoffe – im Konflikt mit Menschenrechten“ setzen wir Kritischen Aktionäre uns für verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltspflichten der Unternehmen ein.

Deshalb möchte ich von unserem Unternehmen gerne auch Näheres zu seinem Beschaffungsmanagement,  seinen Lieferanten und der Verwendung von potenziellen Konfliktrohstoffen erfahren.

In seiner „Leitlinie“ zu Konfliktrohstoffen bezieht Volkswagen recht allgemein Stellung zu dem Thema. Immerhin erfahren wir, dass der Volkswagen Konzern
„mit 12 Marken aus sieben Ländern, einem jährlichen Absatz von mehr als 10 Millionen Fahrzeugen, über 100 Fertigungsstätten in 27 Ländern sowie nahezu 600.000 direkt Beschäftigten“ … „einen globalen Wirkungskreis“ hat.

Die folgenden beiden Sätze, sollte unser Konzern erst mal aus seiner Leitlinie streichen:

„Volkswagen steht für Respekt, Toleranz und Weltoffenheit und übernimmt in vielen Regionen der Welt Verantwortung für Beschäftigung, Wohlstand, Gesellschaft und Umwelt. Unser Anspruch ist es, bleibende Werte zu schaffen für Kunden, Mitarbeiter, Aktionäre, Nachbarn und Partner und zu nachhaltiger Entwicklung in der Welt beizutragen.“

Keine Auskunft gibt die Leitlinie zum Thema Katalysatoren.

Wir wissen, dass BASF Katalysatoren an den Volkswagen-Konzern liefert. BASF-Chef Kurt Bock sagte, VW sei ein großer Kunde.

Meine Fragen: Ist BASF der einzige Zulieferer von Katalysatoren an den VW-Konzern oder gibt es noch weitere? Wenn ja, welche?

Zur Herstellung von Katalysatoren wird Platin gebraucht: ein Konfliktrohstoff, den BASF aus Südafrika vom Bergbauunternehmen Lonmin bezieht. Jetzt kommt der Aspekt Überwachung der Lieferkette ins Spiel. Das südafrikanisch-britische Unternehmen Lonmin war 2012 in das Massaker von Marikana verwickelt, bei dem 34 Bergleute erschossen wurden. Die Bergarbeiter hatten für höhere Löhne und menschenwürdige Lebensbedingungen gestreikt.

Meine Frage: Hat sich der VW-Vorstand mit diesem Problem in seiner Lieferkette beschäftigt?

Welche Konsequenzen zieht VW daraus für die Überwachung seiner Lieferkette?

BASF hat 2015 ein Audit bei seinem Zulieferer Lonmin durchgeführt. Allerdings wies das Design dieses Audits große Mängel auf und zeigte deshalb keine Lösungen für die Probleme bei der südafrikanischen Bergbaufirma auf.

Meine Fragen an den Vorstand:

  • Nach welchem Standard führt der Volkswagen Konzern Audits bei Zulieferfirmen durch?
  • Mit wieviel Vorlauf werden die Audits bei den Zulieferfirmen angekündigt?
  • Wie viele Audits ließ VW 2015 bei seinen Zulieferfirmen durchführen?
  • Bei wie vielen Audits gab es Beanstandungen? Bitte nennen Sie Länder, Name der Firmen und Gründe!
  • Welche Lieferanten haben Sie aus Ihrer Zulieferkette ausgeschlossen?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 

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