Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

Signaltechnik für Eisenbahnen ist eigentlich kein besonders spektakuläres Thema. Dem Chef von Siemens ist es gelungen, es dazu zu machen. Ausgerechnet die Bahnlinie zwischen einem der größten Kohlevorkommen der Welt im australischen Bundesstaat Queensland, das der indische Konzern Adani ausbeuten will, und dem Ausfuhrhafen Abbot Point möchte der Münchner Konzern, der sich selber gern als Nachhaltigkeitsvorreiter bezeichnet, mit Technik made in Germany ausrüsten. Vertragstreue ist Herrn Kaeser wichtiger als das Pariser Klimaschutzabkommen. Wollte der Siemens-Boss mit dem Angebot an Luisa Neubauer, einen Aufsichtsratsposten zu übernehmen, die Klimaschutzbewegung Fridays for Future gnädig stimmen? Mit diesem Versuch ist Kaeser gescheitert.

Doch Vorsicht: Das ganze riecht nach einem Manöver, um von vielen anderen klima- und umweltschädlichen Projekten abzulenken, die Siemens viel wichtiger sind. Der Konzern baut weltweit an Großstaudämmen mit und ermöglicht die Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern und die Öl- und Gasförderung. Damit trägt Siemens dazu bei, dass die gesamte Energiebranche weiter auf klimaschädliche Technologien setzt, anstatt stärker in erneuerbare Energien zu investieren. Das werden wir auf der Siemens-Hauptversammlung ansprechen.

Am Ende könnte die "Stop-Adani!"-Kampagne zu einem der größten Desaster in der Firmengeschichte von Siemens werden.

Solidarische Grüße
Markus Dufner
Geschäftsführer
Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre

In diesem Newsletter

- Siemens: Stop Adani!
- Thyssenkrupp: Mängel bei menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten

- Klima-Resolution bei Barclays
- 20 Jahre Attac
- Weitere Hauptversammlungen im Februar

Siemens: Stop Adani!

Die Beteiligung an einem gigantischen Kohleprojekt in Australien konterkariert die Klimaschutzversprechen des Konzerns. Doch Siemens steht auf seiner Hauptversammlung am 5. Februar auch wegen anderer Großprojekte in Äthiopien, China, Indonesien, Kolumbien und der Westsahara am Pranger.

Die Entscheidung, Signaltechnik für die Bahnstrecke der geplanten Adani-Kohlemine in Australien zu liefern, steht beispielhaft für mangelhaftes Problembewusstsein für Beteiligungen an klimaschädlichen Projekten. Wenn Siemens Klimaschutz ernst nehmen würde, dann würde sich der Konzern nicht an einem Projekt beteiligen, das insgesamt 700 Mio. Tonnen CO₂ freisetzen könnte – pro Jahr. Dies konterkariert alle anderen Beiträge von Siemens zum Klimaschutz.

Siemens gibt an, die von der Mine betroffenen indigenen Wangan und Jagalingou hätten das Projekt gebilligt. Doch haben diese nie ihre freie, vorherige und informierte Zustimmung gegeben, vielmehr ist der Wangan and Jagalingou Family Council auch juristisch gegen Adani vorgegangen und wehrt sich weiter gegen die Zerstörung des eigenen Landes.
vereinbar.

Ein klimaschädliche Geschäftsmodell
Mit dem Unternehmen Gas and Power schafft Siemens ökonomische Anreize für die Energiebranche, weiter auf klimaschädliche statt erneuerbare Energien zu setzen. An diesen klimaschädlichen Geschäftsmodell wird auch die neue Siemens Energy festhalten, die sich allein mit der Aufnahme von Siemens Gamesa Renewable Energy (SGRE) nicht als nachhaltig wird verkaufen können.

Indonesien: Kohlekraftwerksprojekt Jawa 9 und 10
Indonesien ist ein weiteres Beispiel für die klimapolitische Ignoranz von Siemens. Hier arbeitet der Münchner Konzern mit Doosan Heavy Industries aus Korea zusammen, welche das 2.000-MW-Kohlekraftwerksprojekt Jawa 9 und 10 in Indonesien plant. Die Siemens-Bank soll die Finanzierung sicherstellen.

Westsahara: Windkraftanlagen ermöglichen illegale Plünderung der Rohstoffe
Windräder von Siemens Gamesa stehen in dem von Marokko besetzen Teil der Westsahara. Internationale Gerichte haben immer wieder klargestellt, dass es sich dabei um eine unrechtmäßige Besatzung handelt. Jegliche das Gebiet der Westsahara betreffenden Projekte bedürfen der vorherigen Zustimmung der anerkannten Vertretung der Sahrauis. Siemens Gamesa hat diese Erlaubnis bisher nicht eingeholt. Stattdessen hat Siemens Gamesa einen weiteren Wartungsvertrag mit der marokkanischen Regierung bis 2033 unterschrieben.

China: Schlüsselkonzern der staatlichen Überwachung von Uiguren ist Partner von Siemens
Siemens hat ausgedehnte Geschäftsbeziehungen nach Xinjiang im Nordwesten Chinas, von denen die besorgniserregendste das Kooperationsabkommen mit der China Electronics Technology Group (CETC) ist. CETC hat eine Überwachungs-App und Datenbank entwickelt, mit der in Xinjiang lebende Muslime, vor allem Uigur*innen, massiv überwacht werden. Menschen wurden auf der Basis von mit der App gesammelten Daten in Lager geschickt.

Kolumbien: Verantwortung für Folgen vom Katastrophen-Staudamm
Siemens lieferte Transformatoren, eine Schaltanlage sowie weitere elektrische Ausrüstung für das umstrittene Wasserkraftwerke Hidroituango in Kolumbien. Morde an und Drohungen gegen Staudammkritiker*innen sind seit Jahren bekannt. So wurden allein 2018 drei Mitglieder der Organisation Ríos Vivos, die sich kritisch mit Hidroituango auseinandersetzt, und drei ihrer Familienangehörigen ermordet.

Äthiopien: Größtes Wasserkraftwerk Afrikas schürt Konflikte um Wasserversorgung am Nil
Siemens ist mit 35 Prozent an Voith Hydro beteiligt und damit immer wieder in eine Reihe von höchst konfliktreichen Staudammprojekten verwickelt. Am 10. Januar 2019 unterzeichnete Voith Hydro Shanghai, ein Tochterunternehmen von Voith Hydro, ein Abkommen mit dem Äthiopischen Staat über die Lieferung von sechs Turbinen an das im Bau befindliche 6.450 Megawatt Wasserkraftwerk Grand-Ethiopian-Renaissance-Dam (GERD) am Blauen Nil. Das Projekt ist hochumstritten, weil es zu schweren diplomatischen Spannungen zwischen Ägypten und Sudan einerseits und Äthiopien anderseits geführt hat. Die flussabwärts gelegenen Länder Sudan und Ägypten befürchten, dass durch die Befüllung des Reservoirs des geplanten Stausees ihre Wasserversorgung durch den Nil gefährdet wird. Bisherige Verhandlungen haben keine Ergebnisse erbracht und Expert*innen warnen vor einer wachsenden Kriegsgefahr in der Region.

Gegenanträge zur Siemens-Hauptversammlung

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Thyssenkrupp: Mehr Sorgfalt!

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre hat zur Hauptversammlung von Thssenkrupp am 31. Januar Gegenanträge eingebracht, weil der Konzern weiterhin nich die Mindeststandards der Vereinten Nationen in Bezug auf menschenrechtliche Sorgfaltspflichten erfüllt. Deshalb sollen Vorstand und Aufsichtsrat nicht entlastet werden.

Der Dachverband wirft Thyssenkrupp vor, dass das Unternehmen nicht  ausreichend belegt, ob und wie die Menschenrechtsrisiken der eigenen Lieferketten identifiziert, bewertet und minimiert werden.

Seit Jahren kritisieren wir diesen Missstand und veranschaulichen den Handlungsbedarf anhand von Fallbeispielen. Nun ist auch in einer aktuellen Studie des Business & Human Rights Resource Centre und der ZHAW School of Management and Law belegt, dass Thyssenkrupp grundlegende Anforderungen der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) an unternehmerisches Verhalten nicht voll erfüllt. Die Ergebnisse der Studie sind hier zusammengefasst: https://www.business-humanrights.org/de/kurzbewertung-deutscher-unternehmen

Zwar müssen Lieferanten von Thyssenkrupp in einem Supplier Code of Conduct (SCoC) unterschreiben, etliche Grundsätze in Bezug auf Menschenrechte einzuhalten. Jedoch hält sich Thyssenkrupp hier nicht alle UN-Standards: Zulieferfirmen müssen weder die ILO-Konventionen in Bezug auf Arbeitszeiten, Gesundheit und Sicherheit von Beschäftigten noch über ein eigenes Beschwerdesystem für Beschäftigte und Interessengruppen verfügen. Eigene Beratungen und Rücksprachen mit betroffenen Interessensgruppen und Menschenrechtsexpert*innen finden nicht systematisch statt und werden nicht ausreichend dokumentiert. Effektivität und möglichen Änderungen der eigenen Maßnahmen zur Verhinderung und Prävention von Menschenrechtsverletzungen werden nicht hinreichend geprüft und evaluiert.

Gegenanträge zur Thyssenkrupp-Hauptversammlung

Klimaresolution bei Barclays

Hauptversammlung der britischen Bank Barclays und Kampagner-Managerin Jeanne Martin von ShareAction

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre unterstützt eine Klimaresolution, die kürzlich bei der britischen Bank Barclays eingereicht wurde. Darin wird Barclays aufgefordert, die Finanzierung von Unternehmen für fossile Brennstoffe, die die Klimakrise vorantreiben, einzustellen. Es ist die erste Entschließung dieser Art, die gegen eine europäische Bank eingereicht wurde.

Die Resolution der gemeinnützigen Organisation ShareAction haben elf institutionelle Investoren, die über 150 Milliarden Euro verwalten, und mehr als 100 Einzelaktionäre unterschrieben. Über den Antrag wird auf der Hauptversammlung von Barclays im Mai 2020 abgestimmt.

Seit der Unterzeichnung des Pariser Klimaschutz-Abkommens im Jahr 2015 hat Barclays mehr als 85 Milliarden US-Dollar an Finanzmitteln für Unternehmen in der Sparte fossiler Brennstoffe und CO2-intensiver  Projekte wie Teersand und arktisches Öl und Gas bereitgestellt. Damit ist das Unternehmen weltweit der sechstgrößte Geldgeber für fossile Brennstoffe. Unter den europäischen Banken nimmt Barclays dabei den Spitzenplatz ein.

"Zu lange haben kleinere politische Verbesserungen den Bankensektor gedeckt, ohne die Finanzierung fossiler Brennstoffe zu stoppen", sagt Jeanne Martin, Kampagnenmanagerin bei ShareAction. "Wir wissen, was geschehen muss. Die Banken müssen ihre Kreditvergabe an die Wissenschaft anpassen. Wenn Barclays das Pariser Abkommen unterstützt, wird es diese Resolution unterstützen".

ShareAction: "Aktionärsresolution bei Barclays stellt im Jahr 2020 die Klimakrise beim europäischen Bankensektors in den Mittelpunkt"

20 Jahre Attac

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac Deutschland feiert Jubiläum. Der Dachverband gratuliert und lobt die "kreativen Aktionen" auf Hauptversammlungen.

Vor der Daimler-Hauptversammlung am 22. Mai 2019 in Berlin protestieren Attacies und Kritische Aktionäre gegen den klimaschädlichen Konzern.

Am 22. Januar 2000 hatten sich in Frankfurt rund 120 Menschen aus Bündnissen und Nichtregierungsorganisationen zusammengefunden, um das „Netzwerk zur demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte“ zu gründen. Ein paar Monate später übernahm dieses dann den Namen der französischen Schwesterorganisation ("association pour une taxation des transactions financières pour l'aide aux citoyens", auf deutsch: "Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der Bürger*innen").

"Unsere Analyse zu Beginn des Jahrtausends, dass die kapitalgetriebene Globalisierung nicht den allgemeinen Wohlstand fördert, sondern rund um den Globus soziale Verwüstungen hinterlässt, hat sich bestätigt. Weit mehr, als wir es vor 20 Jahren erahnt haben, hat die Globalisierung zudem die Zerstörung der Natur und die Klimakrise beschleunigt", sagt Thomas Eberhardt-Köster vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis.

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre ist Mitglied bei Attac Deutschland. "Seit vielen Jahren bringt Attac mit kreativen Aktionen auch auf Hauptversammlungen die Kritik an den Konzernen auf den Punkt", sagt Geschäftsführer Markus Dufner. "Wir wünschen Attac alles Gute zum 20Jährigen Bestehen und noch viele Jahre erfolgreiche Arbeit."

Am 15. und 16. Februar feiert Attac in Frankfurt am Main "20 Jahre Attac".

Weitere Hauptversammlungen 2020

Neben der Siemens-Hauptversammlung sind im Februar noch folgende Aktionärstreffen für uns von Interesse:

11. Februar: TUI AG in Hannover
14. Februar: Metro AG in Düsseldorf
27. Februar: Aurubis AG in Hamburg

Hier geht es zur Übersicht der Hauptversammlungen 2020

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