„Aurubis braucht ein effektives Whistleblower-Schutzsystem“

Rede von Ulf Georgiew auf der Hauptversammlung der Aurubis AG am 16.04.2023

„Ressourcenreichtum schafft oft die Rahmenbedingung für extreme Ungleichheit, brutale Repression und Bürgerkrieg“, erläutert Ulf Georgiew in seiner Rede auf der Aurubis-Hauptversammlung 2023.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, sehr geehrter Herr Harings, sehr geehrter Herr Prof. Dr. Vahrenholt,

mein Name ist Ulf Georgiew. Ich bin seit 10 Jahren auf jeder Präsenzhauptversammlung der Aurubis in Hamburg dabei und befrage den Vorstand und Aufsichtsrat zu Nachhaltigkeit, insbesondere der Einhaltung von Umwelt-, Gesundheits- und Menschenrechtsstandards, aber auch zu Themen, die die Kommunen am Werksstandort der Aurubis in Bulgarien betreffen.

Zunächst möchten wir aber Frau Hofkens im Vorstand der Aurubis begrüßen. Der Dachverband der Kritischen Aktionäre hat jahrelang auf den Hauptversammlungen der Gesellschaft mehr Diversität im Vorstand eingefordert. Bis letztes Jahr hieß es immer, es gäbe keine geeigneten weiblichen Bewerberinnen.

Die Aurubis bewegt sich in dem Wirtschaftsfeld des Rohstoffhandels, das nach Timo Dorsch unter den fünf häufigsten Ursachen von weltweiten Fluchtbewegungen genannt wird. Ressourcenreichtum schafft oft die Rahmenbedingung für extreme Ungleichheit, brutale Repression und Bürgerkrieg.  Mit diesem Wissen sollte der Vorstand eigentlich vollumfänglich und verantwortungsbewusst seinen Aufgaben zur Sicherstellung der Sorgfaltspflicht in der Lieferkette nachkommen.

Der NDR veröffentlichte im Herbst letzten Jahres eine TV-Reportage zu Hintergründen des Rohstoffhandels beim Aurubis-Lieferanten CODELCO in Chile. Als ich den Film „Schmutziges Kupfer – Die dunkle Seite der Energiewende“ gesehen hatte, war ich am Ende fassungslos.

Menschenrechts- und Umweltaktivisten trauten sich nicht öffentlich, ihr Gesicht vor der Kamera zu zeigen, weil sie Angst hatten, erkannt zu werden und weil sie fürchteten, dass ihnen etwas zu stößt. Sie berichteten über Vorenthaltung von Umwelt- und Gesundheitsinformationen des Aurubis-Lieferanten zu Arsen- und anderen Schwermetallbelastungen in Luft, Wasser und im Boden.

Mich haben die Bilder und das Gesagte in den Interviews an Gespräche mit Menschen aus Bulgarien in 2012 erinnert, die sich am Aurubis-Standort in Pirdop für Gesundheits- und Umweltschutz der dortigen Bevölkerung einsetzten und mir von Vorfällen am Werk erzählten,  bei denen ihre Autos manipuliert worden seien; von Gewaltandrohungen in Social Media ihnen gegenüber. Seinerzeit tat die damalige Unternehmensleitung nichts zum Schutze der Betroffenen.

Deswegen hat es mich auch nicht verwundert, als das TV-Team des NDR, die Unternehmensleitung nach dem Erfolg des Whistleblower-Systems der Aurubis befragte und den Medienvertretern geantwortet wurde, dass bisher keine Hinweise zu Umweltschutz- und Menschenrechtsverletzungen, Interessenskonflikten und Korruptionshinweisen in dem vor einigen Jahren implementierten Whistleblower-Portal der Aurubis eingegangen sind.  

Jedoch informierten in dieser Zeitspanne Organisationen der Zivilgesellschaft und Medien über Vorfälle von Aurubis-Lieferanten in Peru, Chile, Brasilien, Armenien oder auch in Bulgarien. Auch wir Vertreter*innen des Dachverbands der Kritischen Aktionäre haben auf der Hauptversammlung Fälle angesprochen, die offenbar von den zuständigen Abteilungen ignoriert werden.

Sehr geehrter Herr Vorstandsvorsitzender, implementieren Sie endlich ein effektives Whistleblower-Schutzsystem! Die von Aurubis herausgegebene Verfahrensanweisung über die Whistlerblower-Hotline (siehe „Ablauf des Melde- und Untersuchungsverfahrens im Rahmen der Whistleblower-Hotline und des Beschwerdeverfahrens bei Aurubis“) ist unzureichend. 

Kein Mensch sollte Angst haben, von einem Lieferanten der Aurubis bedroht zu werden.

Sorgen sie dafür, dass allen Hinweisen zu Umweltschutz- und Menschenrechtsverletzungen, Interessenskonflikten und Korruptionshinweisen von Aurubis-Lieferanten, aber auch der Aurubis selbst, nachgegangen wird.

Stellen Sie sich im Interesse der Gesellschaft und des Konzerns endlich schützend vor die Whistleblower.

Meine sehr geehrten Aktionärinnen und Aktionäre, seit dem 1. Januar 2023 gilt das Gesetz zur Sorgfaltspflicht in der Lieferkette, bei Verstößen kann nun je Verstoß bis zu 2% des weltweiten Gesamtjahresumsatzes als Strafzahlung geahndet werden. Dennoch formuliert der Vorstand in seiner neuen Nachhaltigkeitsstrategie, dass er bis 2030 keine Beziehungen mehr zu Lieferanten mit einem hohen Risiko beabsichtigt und die Auswirkungen des Nachhaltigkeitsaspekts Lieferkette lediglich mit der Einstufung als mittleres Risiko einstuft.

Sehr geehrter Herr Vorstandsvorsitzender, es darf keine Geschäftsbeziehungen mit Lieferanten geben, die Umweltschutz- und Menschenrechtsverletzungen begehen. Die Beziehungen zu solchen Lieferanten müssen sofort und nicht erst 2030 beendet werden. Es sind auch keine mittleren Auswirkungen, sondern sie sollten als nicht akzeptable Auswirkungen eingestuft sein.

Meine sehr geehrten Aktionärinnen und Aktionäre, eines der Nachhaltigkeitsziele der UN, die in 2015 von der Staatengemeinschaft in der UN ratifiziert worden sind, betrifft die Stärkung der Kommunen.

Aurubis hat sich verpflichtet, bis 2030 jährlich 0,8% seines operativen EBIT als jährliches Budget für soziales Engagement, mindestens jedoch 2 Mio. € bis 2030 zur Verfügung zu stellen. Das ist zu wenig, um die Folgen der Umweltbelastungen für die Kommunen zu kompensieren. Internationale Organisationen halten 3% des operativen EBIT für angemessen.

Sehr geehrter Herr Vorstandsvorsitzender, Interessenkonflikte bei Lieferanten, die gleichzeitig kommunale Mandate an Aurubis-Standorten innehaben, dürfen im Interesse der Kommunen von Aurubis nicht toleriert werden.

Es ist z.B. am Aurubis-Standort in Bulgarien bisher kein Fall bekannt, wonach dortige öffentliche Mandatsträger, die in vertraglichen Beziehungen zu Aurubis stehen und hiervon mittelbar und unmittelbar profitieren, sich freiwillig bei kommunalen Entscheidungen als befangen geoutet und nicht mitgestimmt haben, wenn es um Beziehungen von Aurubis und Kommunen ging. Derartige Geschäftsbeziehungen schaden nicht nur betroffenen Kommunen sowie dem Ansehen der Aurubis, sondern der gesamten Gesellschaft.

Aurubis führt an seinem Standort in Bulgarien weiterhin keine Abgaben zum Bezug von Oberflächenwasser an die Kommune ab. Andere Großunternehmen der Region wie die Minenbetreiber Medet Assrel oder Elazite kommen ihren kommunalen Verpflichtungen nach und leisten die Abgaben für die Nutzung von Oberflächenwasser aus dem Duszanzi-Stausee. Diese Gebühreneinnahmen fehlen weiterhin im öffentlichen Haushalt der Kommune Pirdop, die dringend für die notwendige Sanierung des maroden Krankenhauses oder des seit Jahren geschlossenen Schwimmbades benötigt werden. Seit Jahren findet kein Schwimmunterricht an den Schulen in Pirdop/Zlatiza mehr statt. Die Kinder erlernen dort nicht mehr das Schwimmen.  

Gemeindevertreter der Gemeinde Pirdop haben uns gebeten, dass wir den Vorstand zu folgendem Sachverhalt befragen.

In 2021 gab es ein Treffen mit 35 Fischern und Ruderbootsbesitzern des Dushanzi-Stausees und Vertretern der Aurubis. Hier soll Aurubis den Anwesenden versprochen haben, dass Bootsstege, sogenannten Pontons, gebaut werden.

Nachdem Aurubis seine Eigentumsklage zum Dushanzi-Stausee zurückzog, soll von der einstigen Zusage aus 2021 zum Bau und zur Lieferung von Bootsstegen von der dortigen Werksleitung Abstand genommen worden sein. Jetzt werden die Boote wieder an der Staumauer geankert.

Hierzu meine Frage: Warum hat die Aurubis ihre Zusage zum Bau der Bootsstege zurückgezogen? Ist Aurubis ein schlechter Verlierer, weil er seine Klage zurückgezogen hat? Sollte nicht ein anderer Umgang der Werksleitung mit den betroffenen Fischern und Ruderbootsbesitzern erfolgen?

Ich stelle weitere Fragen zum Tagesordnungspunkt 3.

Warum hat das Auditierungsunternehmen KPMG zum aktuellen nicht kommerziellen Wirtschaftsbericht kein Urteil zu Angaben des Buisness Partner Screening Process der Aurubis abgegeben?

In 2022 wurde von Aurubis ein eigenständiger Bereich Nachhaltigkeit geschaffen. Hierzu meine Fragen an den Vorstand, wie viele Mitarbeiter sind dort tätig, wie hoch ist das jährliche Budget? Stehen die Mitarbeiter des Bereichs Nachhaltigkeit in einem offenen und transparenten Dialog mit NGOs in Peru, Chile, Brasilien und Bulgarien? Wenn ja, bitte ich um Nennung der Organisationen. Für welche Belange aus dem Handlungsfeld der Nachhaltigkeit ist die Abteilung nicht zuständig?

Im nicht nichtfinanziellen Bericht werden Biomonitoringkontrollen erwähnt. Hierzu meine Fragen: Wie viele Test wurden im Aurubis-Konzern durchgeführt? Wie viele am Standort in Pirdop?

Wie viele Personen wurden hierzu eingeladen? Waren auch Arbeiter von Subunternehmen in den Biomonitoringkontrollen inkludiert? Wie waren die Ergebnisse?  Insbesondere, gab es Nachweise auf das Vorhandensein von Arsen?

Die Aurubis plant bis 2030 in Pirdop 20% ihrer benötigten Energie aus erneuerbaren Energien zu erzeugen. Hierzu meine Frage: Wie stellen Sie sicher, dass die Aufstellungsorte nicht in EU-Natura2000-Schutzgebieten geplant werden? Wie stellen sie sicher, dass Benachteiligungen für die Kommunen ausgeschlossen werden, so z.B. für Kleinbauern, die bisher die Felder als Weiden für ihre Nutztiere nutzen?

Die Aurubis führt an den Unternehmensstandorten Umweltrisikobewertungen, Auswertungen zu Biodiversität, Naturschutz und Wasserverfügbarkeit durch.

Hierzu meine Frage: Werden diese Bewertungen durch externe Gutachter durchgeführt? Wer führt diese durch? Werden Sie die Auswertungen veröffentlichen? Auch die zu dem bulgarischen Stausee Dushanzi?

Im nicht finanziellen Wirtschaftsbericht wird erwähnt, dass die Aussage zur Whistleblower-Hotline nicht richtig wäre, wonach der Zugang zu ihr schwierig oder nicht möglich gewesen sei. Hierzu meine Frage: Wann wird auf der Homepage der Aurubis Bulgaria auch ein Zugang zur Whistleblower-Hotline ermöglicht, oder müssen Whistleblower zunächst immer auf die deutsche Seite von Aurubis gehen, um dann in ihrer Landessprache, die Informationen einzugeben?

Sie erwähnten auch im nichtfinanziellen Wirtschaftsbericht, dass schwerwiegende Vorkommnisse bei einem Lieferanten in 2019/2020 festgestellt wurden. Sie stehen im Austausch mit dem Lieferanten für eine Verbesserung. Was waren das für schwerwiegende Vorkommnisse?  Wer war der Lieferant? Sind die Vorkommnisse bei CODELCO in Chile keine besonderen Ereignisse? Was sind generell für Aurubis besondere Vorkommnisse?

Nachhaltigkeit erfordert Transparenz, so steht es auf Seite 42 des Geschäftsberichts. Warum informieren Sie die Stakeholder nicht über die Arsenwerte in Kupferkonzentraten oder fordern im Rahmen der Sorgfaltspflicht für Lieferanten diese zur Veröffentlichung auf?

Ich komme zu Fragestellung zum Tagesordnungspunkt 4.

Der Aufsichtsrat lässt es zu, dass Aktionäre nicht oder wenig über Geschäftsprozesse des Vorstands informiert werden, wie die der Klage von Aurubis Bulgaria gegen die Gemeinde Pirdop zur Übernahme eines Stausees in einem EU-Natura2000-Schutzgebiet. Auch lässt der Aufsichtsrat zu, dass über die wirtschaftlichen Tätigkeiten der Aurubis an dem Stausee diese den Shareholdern nichts kommuniziert. Warum nicht?

Auch bei Umweltdaten zu gesundheitlichen Risiken muss der Aufsichtsrat für die Herstellung von mehr Transparenz sorgen. Solche Daten können die Gesundheit und das Leben von Menschen retten. Wer aus Kostengründen Umweltdaten verschweigt, macht sich schuldig.  Meine Frage: Wie kontrolliert der Aufsichtsrat, dass Umweltdaten zu den einzelnen Aurubis-Standorten auch wirklich der Bevölkerung kommuniziert werden?

Welchen Nutzen bringt ein Gütesiegel wie das der „The Copper Mark“, wenn Medien und die Zivilgesellschaft  Verletzungen der Aurubis gegenüber ihrer Sorgfaltspflicht gegenüber Lieferanten aufdecken, nicht aber die beauftragten Zertifizierungsstellen?

Der Vorstand erhält eine variable Vergütung in Abhängigkeit von der Erreichung von ESG-Zielen. Welche Auswirkungen hatte die NDR- Berichterstattung zu den Vorfällen beim Aurubis Lieferanten CODELCO auf die Zielerreichung der Vorstandsmitglieder?

Wir sehen noch mehr Platz für Diversität im Vorstand, aber auch im Aufsichtsrat selbst, z.B. die Notwendigkeit für Fachkompetenz auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit, weil die unternehmerischen Risiken bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht so enorm sind.

Meine sehr geehrten Aktionärinnen und Aktionäre, sehr geehrter Herr Vorstandsvorsitzender, sehr geehrter Herr Aufsichtsratsvorsitzender, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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