„Dividende sollte nicht mit Gewinnen aus illegalen Minen gezahlt werden“: Rede von Tilman Massa

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat.

mein Name ist Tilman Massa vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. Wir fordern in allen Bereichen mehr Transparenz ein, denn hier mangelt es überall, ob bei der Aufklärung der aktuellen Skandale, tödlicher Arbeitsunfälle oder Ihrer Lieferketten.

Gestern, am Vorabend der Aurubis-Hauptversammlung, haben rund 70 Vertreter*innen von Fachorganisationen, Journalist*innen und Aktionär*innen an unserer Online-Veranstaltung „Kupfer, Kolonialismus, Kriminalität: Die Aurubis AG und ihre Lieferketten“ teilgenommen.

Während Aurubis uns 2023 noch zu einer Präsenz-Hauptversammlung nach Hamburg einlud, hat das Unternehmen beschlossen, ihre diesjährige Hauptversammlung lediglich als virtuelle Veranstaltung – also online – abzuhalten. Angeblich sollen damit Kosten eingespart werden. Ich vermute, dass die wahren Beweggründe anderer Art sind: Man will sich die lästigen Aktionärinnen und Aktionäre so weit wie möglich vom Leib halten. Wir fordern Sie auf, die nächste Hauptversammlung im Hybrid-Format durchzuführen, um die Vorteile des Präsenz-Formats mit denen des virtuellen Formats zu verbinden.

Zu diesen Themen werde ich Fragen stellen:

  • Aurubis feuert 3 von 4 Vorständen wegen Millionendiebstählen –
    Was ist mit der Verantwortung des Aufsichtsrats?
  • Wie kann es sein, dass wir Aktionärinnen in dieser Hauptversammlung nicht über die Entlastung des Vorstands abstimmen sollen?
  • Verwendung des Bilanzgewinns
  • Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in der Lieferkette

Im Dezember 2023 sprach der Vorstand von einem Fehlbestand an Metallen im Wert von 169 Millionen Euro aufgrund von Diebstählen im Hamburger Werk. Jetzt müssen 3 der 4 Vorstände ihren Hut nehmen. Trotzdem sollen die Aktionäre nicht über die gerade entlassenen Vorstände abstimmen dürfen. Angesichts der Kündigung des Vorstands ist es unerlässlich, dass der noch amtierende Vorstand auf der Hauptversammlung detailliert Rechenschaft erstattet und auch über die Entlastung oder Nicht-Entlastung abgestimmt wird.

Natürlich erwarten wir hier auch vom Aufsichtsrat, dass er zu den Fehlbeständen detailliert Rechenschaft ablegt.
Sehr geehrter Herr Prof. Vahrenholt, sehr geehrte Mitglieder des Aufsichtsrats:
Wann wurden Sie vom Vorstand unterrichtet, dass kriminelle Handlungen gegen die Aurubis AG begangen wurden?
Von welchem Fehlbestand wurde zuerst ausgegangen?
Was haben Sie darauf hin unternommen?
Gab es zeitnah eine Sondersitzung des Aufsichtsrats – wann mit und wann ohne den Vorstand?

Nach einem schweren Zerwürfnis mit Vorstandsmitgliedern hat der Aufsichtsrat verkündet, dass Konzernvorstand Harings, Produktionsvorstand Arnold und Finanzvorstand Verhoeven das Unternehmen verlassen müssen.

War das die Empfehlung des Untersuchungsberichts?
Worin genau bestand das Fehlverhalten der nun gekündigten Vorstandsmitglieder?
Oder kamen Sie auf Basis eigenen Schlussfolgerung zu dem Schluss, dass Sie den Vorstand loswerden wollen?
Chief Operations Officer Inge Hoffkens darf bleiben. Was hat Sie besser gemacht als ihre Vorstandskolleg*innen?

Welche Erkenntnisse liefert der Untersuchungsbericht über den Aufsichtsrat, speziell über das Verhalten von Herrn Vahrenholt – oder soll ich sagen: sein Kontrollversagen?

Letztlich ist es an den Aktionärinnen und Aktionären von Aurubis, in dieser Hauptversammlung über die Entlastung oder Nichtentlastung von Vorstand und Aufsichtsrat zu entscheiden.

Und nun ein paar Worte zur Verwendung des Bilanzgewinns und der geplanten Dividendenausschüttung:

Im Mai 2023 gab es einem höchst tragischen Arbeitsunfall drei Todesfälle am Standort Hamburg. Wir schließen uns dem Vorschlag an, hier auch einen Teil der Dividende dazu zu verwenden, die Hinterbliebenen zu unterstützen.

Auch sollten alle Vorwürfe bezüglich Kriminalität geklärt und sichergestellt werden, dass keine Gewinne aus illegalen Minen erzielt werden.

Ich finde, dass Aktionärinnen und Aktionäre, Investorinnen und alle, die nicht nur an einer schnellen Zusatzeinnahme verdienen wollen, sondern an Nachhaltigkeit interessiert sind, beim Tagesordnungspunkt 2, Verwendung des Bilanzgewinns, mit NEIN stimmen sollten.

Jetzt komme ich zu Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in der Aurubis-Lieferkette.

Gerade bei diesem sensiblen Thema demonstrieren Sie Ignoranz.
Herr Harings, ich erinnere noch einmal an Ihre Aussage auf der Aurubis-Hauptversammlung 2023: „Wir brauchen das Lieferkettengesetz nicht.“
Ich finde, dieser skandalöse Satz von Ihnen spricht Bände. Herr Harings, sind Sie generell gegen regulatorische Wirkung von Gesetzen und internationalen Übereinkünften?

Sie beklagen, dass Sie durch solche Vorschriften auf deutscher und EU-Ebene nur Wettbewerbsnachteile international hätten. Wieso setzen Sie sich dann nicht konsequent aktiv für eine entsprechende Regelung auf UN-Ebene ein? Seit Jahren stocken hier die Verhandlungen.

Sie beklagen „Bürokratie“ durch das deutsche Lieferkettengesetz. Doch sollten ihre eigenen Berichte schon deutlich vor Inkrafttreten des Lieferkettengesetzes die nun geltenden Berichtspflichten erfüllen. Gerade für Sie sollte kein Mehraufwand entstehen, es sei denn, Sie lassen sich hierzu teuer von externen Kanzleien beraten? Oder lagern Sie ihre Pflichten teuer an externe Dienstleister und Audit-Unternehmen aus?

Wegen allgemein intransparenter Lieferketten muss ich diese Fragen stellen:

Mögliche Importe aus Russland:

Beziehen Sie Kupfer und andere Rohstoffe aus Russland und falls ja, in welchem Umfang seit dem Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine? Wollen Sie dies auch in Zukunft noch tun?

Haben Sie Abnahmeverträge mit dem russischen Unternehmen Nornickel (Norilsk Nickel) und wenn ja, in welchem Umfang und mit welchen Laufzeiten?

Haben Sie weitere Verträge mit russischen Unternehmen? Falls ja, wie sehen und bewerten Sie die Risken von Sanktionen sowie menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken?

Im Gegensatz zu Russland oder Peru können wir in Chile einen der Lieferanten von Kupfer sehr wohl benennen: Es ist der staatliche Kupferkonzern Corporación Nacional del Cobre de Chile, kurz: CODELCO.

CODELCO ist nach eigenen Angaben der weltweit größte Bergbau-Kupferproduzent mit einem Weltmarktanteil von 8 Prozent.

Dort unterzeichneten Sie, Herr Harings, Anfang 2023 mit CODELCO-Chairman Maximo Pacheco ein sogenanntes Memorandum of Understanding, eine „Absichtserklärung zur Zusammenarbeit für eine nachhaltigere und verantwortungsvollere Kupfer-Wertschöpfungskette“. Klingt erst einmal gut. Wenn man aber weiß, wie CODELCO Kupfer abbaut, dann muss man sagen, dass der Konzern durch den Betrieb seiner Minen eine ökologische Katastrophe verursacht und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten außer Acht lässt. Markus Dufner vom Dachverband ist in seiner Rede auf letztjährigen Aurubis-Hauptversammlung detailliert darauf eingegangen.

Meine Fragen:

Welche Menge Kupfer importierte Aurubis in den Jahren 2021, 2022 und 2023 von CODELCO?
Welche Menge wird für 2024 angepeilt?
Wurden von Aurubis nach dem ARD-Bericht „Schmutziges Kupfer“ und nach Markus Dufners Hinweisen auf der Hauptversammlung 2023 unabhängige Audits in Auftrag gegeben?
Oder vertrauen Sie in Chile allein auf die Wirksamkeit des Siegels „Copper Mark“?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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