Offener Brief an die Vorstandsvorsitzenden der Automobil-Konzerne Volkswagen, Daimler und BMW
Sehr geehrter Herr Diess, sehr geehrter Herr Källenius, sehr geehrter Herr Zipse,
immer wieder sprechen sich ihre Unternehmen und der von ihnen unterstütze Verband der Automobilindustrie (VdA) öffentlich und medienwirksam für mehr Klimaschutz aus. Frau Müller hat vor der Bundestagswahl die Wahlprogramme der Parteien in Sachen Klimaschutz sogar für nicht ausreichend bezeichnet und davor gewarnt, dass Deutschland das von der Bundesregierung gesetzte Ziel der Klimaneutralität verpassen könnte. Eine Einschätzung, die wir vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre ausdrücklich teilen.
In der politischen Arbeit fällt aber immer wieder auf, dass der VdA und einige wichtige Mitgliedsunternehmen ambitionierte Klimaschutzziele eher als vermeintliche Hürde denn als Notwendigkeit oder gar als Chance für die Unternehmen begreifen. Statt sich klar für den von einigen von ihnen eingeschlagenen Weg der batterieelektrischen Mobilität auszusprechen, plädiert der VdA für einen „technologieneutralen Ansatz“ – sprich gegen einen Termin für den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor, der den Unternehmen Planungssicherheit bieten würde und mit dem sich weitere Investitionen zum Konzernumbau gegenüber den Aktionärinnen und Aktionären begründen ließen.
Als jüngstes Beispiel kann hier der UN-Klimagipfel in Glasgow angeführt werden, bei dem sich die Bundesrepublik Deutschland, repräsentiert vom scheidenden Verkehrsminister Scheuer, isoliert für den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen in neuen Pkw auch nach 2040 ausspricht. Ein teurer, mit vielen Unwegsamkeiten belegter Irrweg, der zudem die deutsche Automobilindustrie insgesamt und ihre Konzerne im speziellen als unfähig erscheinen lässt, die Transformation weg vom ineffizienten Verbrenner konsequent zu gestalten.
Auch in Brüssel versuchen der VdA und einige seiner Mitgliedsunternehmen eine Antriebswende mit stärkeren Klimaschutzmaßnahmen zu verhindern. So haben etwa Sie, Herr Zipse, bei einem Treffen mit EU-Transportkommissar Adina Vălean am 30. Juni erklärt, dass es „keine Regeln für ein Verbrennerverbot“ geben solle.
Für Branchenkenner ist das doppelte Spiel der deutschen Autolobby aber auch ihrer Konzerne leicht durchschaubar. Einerseits Greenwashing-PR für die Öffentlichkeit – andererseits knallharte Interessenpolitik zur Gewinnmaximierung und auf Kosten von Klima und Umwelt. „Die deutschen Autohersteller führen den Kampf für schwächere Klimaregeln an.“ Diesem verheerenden Urteil, zu dem der Thinktank „Influence Map“, der gerade seinen Bericht „Deutsche Autobauer und Klimapolitik“vorlegte, schließen wir uns an.
Spätestens seit dem 6. Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC-Weltklimabericht) vom August 2021 muss allen – auch Ihnen – klar sein, dass es nicht mehr darum gehen kann, eigene Partikularinteressen durchzusetzen, sondern konsequent zum Wohle der Menschheit zu handeln.
Wir fordern Sie daher auf, im Bereich der Pkw den eingeschlagenen Weg hin zu in ihrer Gesamtbilanz emissionsfreien Fahrzeugen konsequent zu gehen. Das heißt mit Blick auf europäische Entwicklungen, dass hierzulande spätestens 2030 kein Pkw mehr neu zugelassen werden darf, der über einen Verbrennungsmotor verfügt, was Plug-in-Hybride explizit einbezieht.
Technologieoffenheit muss in der Mobilität bedeuten, dass für die jeweiligen Anwendungsbereiche primär die jeweils energieeffizienteste Antriebsart zum Einsatz kommt.
Setzen Sie sich künftig dafür ein, dass auch europäische Regelungen, bspw. bei der anstehenden Nachschärfung der CO2-Flottengrenzwerte für Neuwagen, diesen Weg unterstützen. Gleiches gilt für das europäische Lieferkettengesetz, das wirksamer als das deutsche ausgestaltet werden muss. Bringen Sie dafür auch ihre Lobbygruppen von VdA und ACEA auf Spur oder seien Sie so konsequent und treten sie aus diesen Verbänden aus.
Beteiligen Sie sich nicht am Wettlauf um die größte Reichweite beim e-Auto, regeln Sie alle ihre Fahrzeuge bei 140 km/h ab und leiten Sie die Abkehr von immer größeren und schwereren Pkw ein. Definieren Sie Premium neu. Premium muss zukünftig das absolut sparsamste und nachhaltigste Fahrzeug seiner Klasse sein. Ein Fahrzeug, das komplett innerhalb einer Kreislaufwirtschaft produziert wird und wenig Ressourcen und Energie benötigt, bei Bau, Betrieb und Wiederverwertung der eingesetzten Rohstoffe. Setzen Sie, soweit nicht schon geschehen, für ihren Konzern ein Ausstiegsdatum für neue Verbrenner. Nur dadurch kann es eine Planungssicherheit für die Konzerne geben und die Transformation der Autoindustrie jetzt aktiv und sozial gerecht gestaltet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Jens Hilgenberg, Vorstandsmitglied des Dachverbands
Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbands