BASF reagiert auf sklavenähnliche Bedingungen in Brasilien

Nach Ermittlungen gegen BASF als „tatsächlicher Arbeitgeber“ von sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen auf zwei Reisfarmen in Brasilien reagiert der Chemiekonzern schnell und beteiligt sich an Entschädigungszahlungen. Dennoch wirft der Fall ein schlechtes Licht auf die bisherigen Kontroll- und Präventionsmaßnahmen der BASF.

Würden die Maßnahmen der BASF zur Achtung der Menschenrechte in den eigenen Lieferketten oder dem Arbeitsschutz beim Einsatz der eigenen Agrargifte effektiv umgesetzt, hätte so etwas nicht vorfallen dürfen: Direkte Zulieferer der BASF sind nachweislich für menschenunwürdige Arbeitsbedingungen auf zwei Reisfarmen in Uruguaiana im brasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul verantwortlich, die den gesetzlich definierten sklavenarbeitsähnlichen Zwangsverhältnissen entsprechen.

Am 10.03.2023 wurden dort 85 Menschen, darunter 11 Minderjährige zwischen 14 und 17 Jahren, aus unmenschlichen Arbeitsbedingungen durch Beamt*innen der brasilianischen Bundespolizei, des Arbeitsministeriums sowie der Bundesstaatsanwaltschaft befreit. Die Menschen berichteten über Arbeit ohne Anmeldung und Versicherungsschutz, pausenlose Arbeit, Unterbringung ohne sanitäre Einrichtungen sowie Essens- und Flüssigkeitsmangel auf dem Feld. Wer deshalb in Ohnmacht fiel, erhielt für diese Zeit keinen Lohn. Pestizide wurden ohne angemessene Schutzkleidung ausgesprüht, auch von Minderjährigen.

Enge Kooperation und Einfluss zeigt Verantwortung der BASF

In einer ersten öffentlichen Stellungnahme bedauerte BASF die Zustände und versprach, mit den Behörden bei der Aufklärung des Falls zu kooperieren. Gleichzeitig betonte BASF aber auch, lediglich Produktionsverträge mit beiden Farmen als Zulieferer abgeschlossen zu haben.

Das brasilianische Arbeitsministerium bezeichnete BASF jedoch als „tatsächlichen Arbeitgeber“, da die Kooperation mit den betroffenen Farmen über einen bloßen Saatgut-Abnahmevertrag hinausging. So wies die Behörde gegenüber Medien daraufhin, dass BASF „die absolute Kontrolle und das Management über alles, was auf der Plantage geschah, einschließlich der Ausbildung und des Einsatzes der geretteten Arbeiter“ hatte.

So oder so: Es handelte sich um klare Menschenrechts- und Arbeitsrechtsverletzungen bei direkten Zulieferern der BASF. BASF verlangt von seinen Zulieferern die vertragliche Zusicherung, Arbeitsgesetze einzuhalten und die Achtung der Menschenrechte. Laut des seit Januar 2023 auch für BASF geltenden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) muss das Unternehmen zudem jährlich und anlassbezogen eine Risikoanalyse durchführen, um die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken zu ermitteln. Seit Jahren ist BASF dabei, solche Risikoanalysen weiter auszubauen, da der Konzern auch immer wieder von der Zivilgesellschaft mit teils massiven Menschenrechtsverletzungen bei direkten Zulieferern oder Tochter- oder Partnerunternehmen konfrontiert wird.

Doch weder haben Verträge mit den Reisfarmen die offensichtlichen Missstände verhindert, noch wurden diese durch die bisherigen Risikoanalysen aufgedeckt. Erst das Eingreifen der brasilianischen Ermittlungsbehörden hat die untragbaren Zustände beendet. Der Fall zeigt auch, wie wichtig ein unabhängiger, effektiver Beschwerdemechanismus ist, der im Sinne und vor allem Schutz der Betroffenen funktioniert.

LkSG in Aktion: Befähigung und Rückzug

Nach § 6 LkSG muss BASF nun auch etliche Präventionsmaßnahmen ergreifen, sollte an der Geschäftsbeziehung mit den Farmen festgehalten werden. Dazu zählen die Durchführung von Schulungen und die Vereinbarung angemessener vertraglicher Kontrollmechanismen.

Aus den zunächst wenig informativen öffentlichen Stellungnahme der BASF wurde nicht deutlich, welche Eigenverantwortung BASF anerkennt oder Maßnahmen gemäß des LkSG ergreift. In einem internen Interview mit dem konzerneigenen Online-Magazin vom 19.04.2023 berichtete BASF-Compliance-Chef Matthew Lepore über die bisherigen Maßnahmen: Mit einer Reisfarm hat BASF die Zusammenarbeit beendet, da diese keine direkte Verantwortung anerkennen würde. Mit der anderen Reisfarm werden die Kooperation aufrechterhalten, da diese Verantwortung anerkennen würde und nun gemeinsam mit BASF für die Einhaltung sozialer Standards sorgen wolle.

Damit wendet BASF den Grundsatz „Befähigung vor Rückzug“ des LkSG an, ist aber auch nicht davor zurückgeschreckt, die ultima ratio anzuwenden. Dies ist wichtig, damit auch anderen im Agrarsektor deutlich wird, dass nicht jeder noch so gravierende Rechtsverstoß nur vage Versprechen auf Besserung zur Folge hat, sondern die gesamte Geschäftsgrundlage real riskiert wird.

Am 11.05.2023 wurde dann bekannt, dass BASF mit dem brasilianischen Arbeitsministerium einen Vertrag geschlossen hat, der die Zahlung von umgerechnet ca. 1,7 Mio. Euro vorsieht, größtenteils für soziale Projekte zur Beseitigung menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen in der Region. Die 85 betroffenen Menschen entschädigt BASF jeweils mit umgerechnet ca. 4.300 Euro. Darüber hinaus sollen keine Jugendliche unter 16 Jahren (Ausnahme: Lehrlinge ab 14 Jahren) und keine Unter-18-Jährigen mehr für nächtliche, gefährliche oder gesundheitsschädliche Arbeiten beschäftigt werden.

Während BASF auch aufgrund des öffentlichen Drucks die zukünftigen Arbeitsverhältnisse auf der Reisfarm genau prüfen wird, so bleibt unklar, welche Konsequenzen der Chemiekonzern für seine Risikoanalysen und Präventionsmaßnahmen gegen Menschenrechtsverstöße im Agrarsektor Brasiliens allgemein zieht. Zu oft werden Arbeits- und Sozialstandards nicht eingehalten. BASF sollte hier transparent machen, ob und wie nun weitere Kooperationen und Zulieferer genauer geprüft werden. Das Lieferkettengesetz unterstreicht auch den Wert präventiver Maßnahmen hervor, nicht nur solche, wenn es schon zu spät ist.

von Tilman Massa (Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre), Beitrag auch erschienen im CorA-Newsletter Juni 2023

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://www.kritischeaktionaere.de/basf/basf-reagiert-auf-sklavenaehnliche-bedingungen-in-brasilien/