Unfähig, selbst akute Menschenrechtsverletzungen identifizieren zu können: Unsere Gegenanträge

Zu Tagesordnungspunkt 2: Verwendung des Bilanzgewinns

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die von Vorstand und Aufsichtsrat vorgeschlagene Verwendung des Bilanzgewinns abzulehnen.

Begründung:

Erneut ist die vorgeschlagene, gegenüber dem Vorjahr gleichbleibende Dividende zu hoch. Statt Stellen und Investitionen in die dringend nötige sozial-ökologische Transformation aller Geschäftsbereiche der BASF zu kürzen, sollte die Dividende gekürzt werden. Die aktuelle Dividendenpolitik ist nicht nachhaltig, sie geht sogar an die Substanz: Die vorgeschlagene Dividendensumme von über 3 Milliarden Euro kann schon jetzt nicht mehr aus den in 2023 frei verfügbaren Mitteln (Free Cashflow) von 2,7 Milliarden Euro bezahlt werden.

Es gibt jetzt noch die Möglichkeit, aus den Gewinnen von 2023 deutlich mehr in grüne Energien und die Kreislaufwirtschaft zu investieren, um etlichen Standorten eine konkrete Zukunftsperspektive statt Stellenabbau in Aussicht zu stellen. Bei der aktuellen Prognose der BASF zwischen 0,1 und 0,6 Milliarden Euro des Free Cashflow für 2024 ist nicht nur die nächste Dividende, sondern auch die Deckung des Investitionsbedarfs mehr als fraglich. Es sind weitere Kürzungen und Sparmaßnahmen zum Nachteil der Beschäftigten und des Klimaschutzes zu befürchten, mit denen BASF schon mittelfristig die reale Substanz und Grundlage des operativen Geschäfts akut gefährden würde.

Eine deutliche Reduzierung der Dividende ist daher erneut unser Vorschlag, wie auch die Aktionär:innen der BASF einen größeren Teil zur Zukunftssicherung beitragen könnten. Alle Zeichen deuten darauf hin, dass dies schon nächstes Jahr so nicht mehr möglich sein wird.

Zu Tagesordnungspunkt 3: Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2023 nicht zu entlasten.

Begründung:

Der Aufsichtsrat ist seiner Aufgabe als Kontrollorgan des Vorstands nicht hinreichend nachgekommen. Er hat es weiterhin versäumt, auf die Behebung eklatanter Mängel bei der Achtung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten selbst in unmittelbaren Geschäftsbeziehungen hinzuwirken.

Die vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verbindlich geforderte menschenrechtliche Risikoanalyse und die dazu von der BASF vorranging eingesetzten Maßnahmen wie interne und externe Audits sind offensichtlich nicht in der Lage, selbst akute Menschenrechtsverletzungen identifizieren zu können. BASF reagiert auf Missstände, die extern etwa durch investigativen Journalismus oder Behörden aufgedeckt werden, nicht aber durch die eigenen Maßnahmen. Das ist deutlich zu spät und längst nicht hinreichend, wie eine Reihe von Beispielen zeigt:

China: Unklarer Umgang mit Risiko uigurischer Zwangsarbeit in Lieferketten

In der gesamten chinesischen Region Ostturkistan/Xinjiang sind gravierende Menschenrechtsverletzungen wie Zwangsarbeit in Gefangenenlagern unter grausamsten Bedingungen vielfach dokumentiert. Laut UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) könnten die Verbrechen der chinesischen Regierung an den Uigur:innen und anderen Turkvölkern den Tatbestand Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllen.

Anfang 2024 berichteten das ZDF und Der Spiegel, dass Beschäftigte von Xinjiang Markor, einem Joint Venture-Partner der BASF, an der staatlichen Überwachung der Bevölkerung in der Region beteiligt waren.[1] Noch ein Jahr zuvor hatte BASF ein internes Audit der Joint-Venture-Betriebe in der Region durchgeführt, das wie vorherige Audits keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen ergeben hatte.

Zwar hat BASF nun aufgrund der neuen Informationen angekündigt, den „aus strategischen Gründen“ bereits Ende 2023 begonnen Verkauf der eigenen Anteile an den betroffenen Joint Ventures in der Region schneller voranzutreiben. Es bleibt jedoch weiterhin völlig unklar, ob und inwieweit die Lieferketten zu den anderen BASF-Standorten dem Risiko uigurischer Zwangsarbeit ausgesetzt sind. Wir können nicht nachvollziehen, wie BASF etwa mit weiteren Audits den eigenen menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachkommen kann, zumal das neue Werk im südchinesischen Zhanjiang mit potentiell weit verzweigten Lieferketten keinen Joint Venture-Partner hat.

Brasilien: Sklavenarbeitsähnlichen Arbeitsbedingungen auf zwei Reisfarmen

Im März 2023 haben staatliche Behörden in Uruguaiana/Brasilien auf zwei Reisfarmen, die für BASF Saatgut produzierten, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit festgestellt, die den gesetzlich definierten sklavenarbeitsähnlichen Zwangsverhältnissen entsprechen. In diesem Zusammenhang hat das brasilianische Arbeitsministerium BASF als „de-facto Arbeitgeber“[2] bezeichnet, da die Kooperation mit den betroffenen Farmen über einen bloßen Saatgut-Abnahmevertrag hinausgegangen sei. Das mit der BASF verbundene Fachpersonal habe auch an der Einstellung von Arbeitskräften mitgewirkt.

Zwar hat BASF mittlerweile reagiert; beteiligt sich an Entschädigungszahlungen und hat den Vertrag mit einer der beiden Farmen gekündigt, da laut BASF „eine konstruktive Aufarbeitung der Vorfälle nicht möglich“ gewesen sei. Es bleibt aber unklar, welche Konsequenzen BASF daraus für die Risikoanalysen und Präventionsmaßnahmen gegen Menschenrechtsverstöße im Agrarsektor Brasiliens allgemein zieht, in dem BASF sehr aktiv ist.

Zudem ist BASF in diesem Kontext kein unabhängiger und glaubwürdiger Kontrolleur, gerade in Bezug auf den Einsatz von Pestiziden: BASF verkauft weiterhin weltweit, gerade in Brasilien, Wirkstoffe, deren Einsatz in der EU verboten ist. Aus Dokumenten des brasilianischen Landwirtschaftsministeriums geht etwa hervor, dass ein von BASF hergestelltes Fungizid auf der Basis von Epoxiconazol, einer in der EU verbotenen Chemikalie, auf zwei Zuckerplantagen eingesetzt wurde.[3]

Guatemala: BASF bezieht Palmöl von NaturAceites

Der Palmöl-Report 2024 „Im Schatten der Ölpalme“ der Romero-Initiative zeigt auf, dass BASF Palmöl von NaturAceites bezieht. [4] Recherchen u.a. auch vom ECCHR zeigen, dass es auf Plantagen dieses Unternehmens in Guatemala regelmäßig Verstöße gegen Arbeitsrechte gibt, darunter exzessive Arbeitsaufträge, unzureichende Löhne und die fehlende Möglichkeit, Gewerkschaften zu bilden.[5]

Zu Tagesordnungspunkt 4: Entlastung der Mitglieder des Vorstands

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die Mitglieder des Vorstands für das Geschäftsjahr 2023 nicht zu entlasten.

Begründung:

Der Vorstand der BASF kommt weiterhin nicht hinreichend seinen menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nach.

Südafrika: Weiterhin unwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen bei Sibanye-Stillwater

BASF bezieht weiter Platin von dem südafrikanischen Bergbauunternehmen Sibanye-Stillwater, welches den Platin-Konzern Lonmin übernommen hatte. Lonmin war mitverantwortlich für das Massaker von Marikana 2012. Damals sind 34 streikende Minenarbeiter erschossen worden. Nach dem Massaker wollten die Verantwortlichen auch die prekären, teils unmenschlichen Lebensbedingungen in den Bergbaugemeinden nachhaltig verbessert. Nach zivilgesellschaftlichem Druck, der eigenen Lieferkettenverantwortung weiter gerecht zu werden, ist dazu auch die BASF mit Sibanye-Stillwater in Austausch getreten und führte Audits durch.

Die Studie „Warten auf Gerechtigkeit“[6] zeigte 2022: die Arbeits- und Lebensbedingungen in Marikana haben sich seither kaum gebessert. Weder die minenbetreibenden Firmen noch der südafrikanische Staat haben angemessen zur Besserung der Situation beigetragen. Die Studie zeigt konkrete Missstände auf und fordert unter anderem, dass die Zusammenarbeit mit Leiharbeitsfirmen, die Arbeitsvorschriften umgehen und keine existenzsichernden Löhne zahlen, beendet wird. Im Fall der Verwundeten des Massakers, von denen einige gelähmt wurden, braucht es eine Gesundheitsversorgung auf Lebenszeit. Ihnen und ihren Familien steht ebenso Unterstützung zu, wie den Witwen und Familien der getöteten Arbeiter.

Aktuelle Berichte zeugen von Missständen in Bezug auf Transparenz, Rechenschaftspflicht und Konsultation der Gemeinde Wonderkop.[7] So sind Verpflichtungen aus dem aktuellen Sozial- und Arbeitsplan (SLP) von Sibanye-Stillwater nicht erfüllt worden. Die Instandhaltung der Arbeiterwohnungen ist sehr schlecht, die Unterkunft ist an den Arbeitsvertrag gebunden, ohne dass darüber hinreichend aufgeklärt wird. Selbst Beschäftigte, die mehr als 30 Jahre für Lonmin und dann Sibanye-Stillwater gearbeitet haben, werden bei Renteneintritt aus ihren Häusern geworfen und finden keine alternative Unterkunft.

Darüber hinaus reagiert Sibanye-Stillwater nicht angemessen auf das Risiko von Gesundheitsgefährdung durch Luft- und Wasserverschmutzungen. Die Gemeinde hat keinen Zugang zu aktuellen Emissionsdaten, Abwässer aus dem Minenbetrieb laufen ungeprüft in den lokalen Bach. Das durch den Bergbau nötige Rückhaltebecken (Tailing) ist zu nah an der Siedlung, es werden Lecks beobachtet. Ein Kind starb 2023 in diesem Becken, welches nicht ordnungsgemäß abgesperrt war. Abgesehen von einer Spende für die Beerdigung hat Sibanye-Stillwater der Familie bisher keine Entschädigungen gezahlt.

Russland: Festhalten an umstrittener Kooperation mit Nornickel

Ende 2020 forderten indigene Gruppen aus Russland und zivilgesellschaftliche Organisationen aus der ganzen Welt BASF dazu auf, die Geschäftsbeziehungen und geplante Kooperation mit dem Rohstofflieferanten Nornickel nicht weiter zu verfolgen, bis Nornickel nachweislich die Rechte der vom Bergbau betroffenen indigenen Völker und Umweltschutzauflagen achtet.[8]

Seitdem hat BASF öffentlich gemacht, dazu mit Nornickel in einem regelmäßigen Austausch zu stehen. Auch der völkerrechtswidrige, brutale Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und deutliche Hinweise auf eine nochmals verschlechterte Menschenrechtslage in Russland, welche eine unabhängige Überprüfung vor Ort unmöglich macht, haben BASF nicht dazu gebracht, zukünftige Lieferverträge mit Nornickel auszuschließen.

Damit schließt BASF nicht aus, Geschäfte mit einem Unternehmen zu machen, das indirekt Hunderte von Millionen Dollar an Steuern an Russlands Kriegswirtschaft zahlt, die Grundlage für immer mehr Gewaltverbrechen in der Ukraine. BASF zeigt damit auch, dass unabhängige Nachweise der Achtung indigener Rechte keine wirkliche Bedingung dafür sind, potentiell Geschäfte mit BASF machen zu können. Im aktuellen BASF-Bericht 2023 liest sich die Beschreibung des Dialogs mit Nornickel als potentielle Sorgfaltspflichtenverletzung mit Ansage (S. 160): „Nornickel arbeitet weiterhin daran, Managementsysteme nach international anerkannten Industriestandards zu implementieren, die eine Überprüfung zu Bergbau und verantwortungsvoller Beschaffung durch Dritte ermöglichen, wie zum Beispiel IRMA. Die aktuellen Bedingungen wirken sich weiterhin auf unsere Geschäftsbeziehung aus, wobei eine Auditierung nach den genannten Standards derzeit nicht möglich ist.“[9]


[1] https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/unternehmen/basf-uiguren-xinjiang-china-100.html

[2] https://www.kooperation-brasilien.org/de/themen/menschenrechte-gesellschaft/brasiliens-arbeitsministerium-kein-rausreden-fuer-basf-im-falle-von-sklavenarbeit-als-blosser-abnehmer-sondern-de-facto-boss

[3] https://www.theguardian.com/world/2023/apr/25/eu-firms-accused-of-abhorrent-export-of-banned-pesticides-to-brazil

[4] https://www.ci-romero.de/produkt/report-im-schatten-der-oelpalme/

[5] https://www.ecchr.eu/pressemitteilung/beschwerde-gegen-edeka-die-handelskette-taeuscht-verbraucher-mit-nachhaltigkeits-siegel/

[6] https://www.brot-fuer-die-welt.de/fileadmin/mediapool/2_Downloads/Fachinformationen/Analyse/Analyse106-Marikana-Warten-auf-Gerechtigkeit.pdf

[7] https://www.arte.tv/de/videos/118855-000-A/suedafrika-platinabbau-in-wonderkop/; https://communitymonitors.net/2024/01/the-southern-african-community-monitors-2023-edition/

[8] https://www.business-humanrights.org/en/latest-news/nornickel-should-not-be-considered-a-viable-partner-open-letter-to-basf/

[9] Siehe Seite 160, https://bericht.basf.com/2023/de/_assets/downloads/entire-basf-gb23.pdf

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