„Warum Sie nicht auch auf europäischer Ebene auf ein früheres Datum der C02-Neutralität hin?“: Rede von Markus Dufner

Sehr geehrte Damen und Herren des Vorstands und Aufsichtsrats der Daimler Truck AG,

mein Name ist Markus Dufner, ich bin Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen. Wir vertreten zahlreiche Kleinaktionärinnen und sind Stimme für unsere 30 Mitgliedsorganisationen und weitere Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen.

In Verbindung mit unseren Gegenanträgen zu den Tagesordnungspunkten 3, 4 und 8 spreche ich auf der heutigen virtuellen Hauptversammlung der Daimler Truck AG folgende Themen an:

Abgasmanipulation beim Kooperationspartner Hino

Lieferkette und Beijing Foton Daimler Automotive (BFDA)

Abhängigkeit von chinesische Batterie-Technologie

Klimaneutraler Güterverkehr

Abbiege-Assistent bisher nur für den US-Markt

Fehlende Transparenz beim Export von Militärfahrzeugen

Virtuelle Hauptversammlungen

Sehr geehrter Herr Daum, sehr geehrter Herr Kaeser, sehr geehrte Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat, sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,

ich beginne mit unserem Gegenantrag zu Tagesordnungspunkt 8: Beschlussfassung über die Ermächtigung zur Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung nach § 118a Aktiengesetz und eine weitere Satzungsänderung in diesem Zusammenhang

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Beschlussvorschlag von Aufsichtsrat und Vorstand abzulehnen, den Vorstand zu bevollmächtigen, über die Durchführung einer virtuellen Hauptversammlung entscheiden zu können.

Aus Sicht des Vorstands und Aufsichtsrats mag die virtuelle Hauptversammlung nach der neuen Rechtslage „eine vollwertige Alternative zur Präsenzhauptversammlung“ sein. Aus unserer Sicht erfüllt die virtuelle Hauptversammlung diese Funktion aber nicht.

Das Format und die Art und Weise, wie eine Hauptversammlung durchgeführt wird, betreffen elementare Aktionärsrechte. Daher sollte die Hauptversammlung und nicht der Vorstand darüber entscheiden, zu welchen Bedingungen bzw. in welchem Format zukünftige Hauptversammlungen durchgeführt werden sollen.

Zudem sollte die Hauptversammlung auch darüber entscheiden dürfen, ob als weitere Option ein hybrides Format umgesetzt werden soll, welches die Vorteile einer Präsenz-Hauptversammlung mit jenen einer rein virtuellen Veranstaltung vereint.

Meine Fragen an Sie, Herr Kaeser und Herr Daum:
1. Welche Gründe haben Sie bewogen, nach Überwindung der Corona-Pandemie für die heutige Hauptversammlung das Format der virtuellen Hauptversammlung zu wählen?
2. Ist Ihnen bewusst, dass mit diesem Format ein wirklicher Dialog mit den Aktionärinnen und Aktionären kaum möglich ist?
3. Werden Sie die Hauptversammlung 2024 erstmals in der noch kurzen Geschichte der Daimler Truck AG als Präsenzhauptversammlung durchführen? 

Nun komme ich zu unserem Gegenantrag zu Tagesordnungspunkt 4: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Mitgliedern des Aufsichtsrats der Daimler Truck AG die Entlastung für das Geschäftsjahr 2021 zu verweigern.

Der Aufsichtsrat hat seine Aufgabe, die Tätigkeit des Vorstandes gemäß § 111 Abs. 1 AktG zu überwachen, nur unzureichend erfüllt.

Fehlende Transparenz beim Export von Militärfahrzeugen
Der Aufsichtsrat muss den Vorstand dabei überwachen, mehr dafür zu tun, dass eine kritische Bewertung der Exportpraxis von Militärfahrzeugen wieder ermöglicht wird und sicherstellen, dass Militärfahrzeug-Exporte an Kunden, die Menschenrechte verletzen oder in völkerrechtswidrige Kriegshandlungen verstrickt sind, ausgeschlossen werden.

Daimler Truck ist Mitglied im Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), der Interessensvertretung der deutschen Rüstungsindustrie. auf der Rüstungsmesse IDEX 2023 in Abu Dhabi zeigte Mercedes-Benz Special Trucks, eine Sparte von Daimler Truck, „maßgeschneiderte Nutzfahrzeuge für anspruchsvolle Einsätze auch unter extremen Bedingungen“. Trotzdem sucht man Begriffe wie „militärisch“ oder „Rüstung“ im Daimler Truck-Geschäftsbericht vergeblich.

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre und Ohne Rüstung Leben fragten in den vergangenen Jahren auf Hauptversammlungen der Daimler AG regelmäßig, wohin Daimler-Militärfahrzeuge exportiert wurden. Dabei listete die Daimler AG in ihren Antworten stets alle Empfängerländer namentlich auf. Dabei wurde bekannt, dass Daimler-Militärfahrzeuge immer wieder auch in Länder geliefert wurden, die in Krisenregionen liegen und in denen Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Seit dem Jahr 2020 hieß es jedoch: „Zu den einzelnen Empfängern … nehmen wir grundsätzlich keine Stellung.“

Leider hat sich Daimler Truck hier ein schlechtes Vorbild genommen und führt die Intransparenz in Hinblick auf das Geschäft mit Militärfahrzeugen fort. Zu den einzelnen Empfängern machte Daimler Truck in ihrer letzten Hauptversammlung keine Angaben. Nicht einmal der jeweilige Anteil an Exporten in EU, NATO und gleichgestellte Staaten sowie sogenannte Drittstaaten wurde benannt. Der Militärfahrzeug-Export darf nicht einfach so unter den Teppich gekehrt werden.

Dazu meine Fragen, Herr Kaeser und Herr Daum:

  1. Warum nannte Daimler Truck auf der letzten Hauptversammlung nicht einmal den jeweiligen Anteil an Exporten in EU, NATO und gleichgestellte Staaten sowie sogenannte Drittstaaten?
  2. Wie viele Militärfahrzeuge (sog. Defence Vehicles) wurden im Jahr 2022 in welche Länder exportiert? Bitte nennen Sie die Empfängerländer, die Anzahl pro Empfängerland und die Fahrzeug-Typen.
  3. In welchem Wert hat Daimler Truck im Jahr 2022 Militärfahrzeuge exportiert? Wie hoch war der Prozentanteil davon in EU-, NATO und gleichgestellte Staaten sowie sog. Drittstaaten?
  4. Gibt es hierbei Verträge, die anschließende Service- und Wartungsarbeiten sowie sonstige Dienstleistungen umfassen? Wenn ja, in welchen Empfängerländern?
  5. In der aktuellen Broschüre von Mercedes-Benz Defence Trucks heißt es, dass Daimler Truck auch “Mission support via field service representatives” anbietet. In welchen Empfängerländern bietet Daimler Truck einen solchen „Mission support“ an?
  6. Auf der letzten Hauptversammlung betonten Sie, dass Daimler Truck ab Werk keine Fahrzeuge mit Waffenhalterungen liefert. In der aktuellen Broschüre von Mercedes-Benz Defence Trucks werben Sie jedoch bei unterschiedlichen Modellen unter „military options“ mit „weapon brackets“. Wo und wann wird diese Option der Waffenhalterungen installiert?
  7. Wie viele Militärfahrzeuge wurden 2022 an die Bundeswehr geliefert?
  8. Wie viele Militärfahrzeuge (z.B. Militär-Unimogs, Militär-Transporter und Militärlastkraftwagen) wurden im Jahr 2022 in ausländischen Produktionsstandorten produziert und von dort in welche Länder exportiert?
  9. Auf welchen Rüstungsmessen haben Sie bzw. planen Sie im Jahr 2023 auszustellen?
  1. Welche Militärfahrzeuge produziert die Daimler Truck AG an welchen Standorten (im Inland und Ausland)?

Nun komme ich zu unserem Gegenantrag zum Tagesordnungspunkt 3: Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Mitgliedern des Vorstands der Daimler Truck Holding AG die Entlastung für das Geschäftsjahr 2022 zu verweigern.

Herr Daum, im Hinblick auf die Auswahl ihrer Kooperationspartner, zur Erreichung der Klimaschutzziele und auch im Hinblick auf menschenrechtliche Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette und muss der Vorstand von Daimler Truck seine Performance noch steigern.

Abgasmanipulation beim Kooperationspartner Hino
Die Daimler Truck Holding AG („Daimler Truck“), Mitsubishi Fuso Truck & Bus Corporation („MFTBC“), Hino Motors Ltd. („Hino“) und die Toyota Motor Corporation („Toyota“) haben am 30. Mai 2023 eine Absichtserklärung (MoU) über eine schnellere Entwicklung fortschrittlicher Technologien sowie einen Zusammenschluss von FUSO und Hino unterzeichnet. Grundsätzlich befürworten wir Kooperationen, die zum Ziel haben, „auf dem Weg zur CO2-Neutralität voranzuschreiten“, wie Daimler Truck in einer Pressemitteilung vom 30.05. verkündet.

Meine Fragen:
1. Herr Daum, können Sie sich noch daran erinnern, dass die Daimler Truck AG, die früher Bestandteil der Daimler AG war, in Abgasmanipulationen verwickelt war?
2. Welche Vorkehrungsmaßnahmen treffen Sie bei Daimler Truck, um eine Neuauflage von Abgasmanipulationen zu verhindern?

Wie im vergangenen Jahr bekannt wurde, hat eine Untersuchung des japanischen Verkehrsministeriums festgestellt, dass einer der Kooperationspartner, die Toyota-Tochtergesellschaft Hino Motors, bei den Emissionswerten von mehr als 70.000 kleinerer Lastwagen manipuliert hat. Hino hat die Auslieferung der Fahrzeuge daraufhin eingestellt. Der damalige Toyota-Präsident Akio Toyoda kritisierte, dass Hino durch das fortgesetzte Fehlverhalten das Vertrauen seiner Kunden und Anteilseigner zerstört habe.

Meine Fragen hierzu:
2. Wie geht die Daimler Truck AG hinsichtlich der Auswahl ihrer Kooperationspartner vor?
3. Wie ging die Daimler Truck AG bei der Auswahl von Hino als Kooperationspartner vor?
4. Seit wann sind Ihnen, Herr Daum, oder anderen Mitgliedern des Vorstands oder des Aufsichtsrats der Daimler Truck AG die Manipulationsvorwürfe gegen Hino bekannt?

Lieferkette und Beijing Foton Daimler Automotive (BFDA)
Bei Produktionsstandorten und Joint Ventures muss der weltgrößte Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck darauf achten, dass die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette eingehalten werden.
 
Meine Fragen hierzu:
1. Wie stellt die Daimler Truck AG dies sicher?
2. Gibt es für die Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes bei Daimler Truck eine Stabsstelle?
3. Welches Vorstandsmitglied ist dafür zuständig?
4. Welche Abteilungen der Daimler Truck AG und wie viele Mitarbeiter*innen insgesamt arbeiten im Konzern zur Umsetzung des Lieferkettengesetzes?
5. Mit der Einweihung des neuen Produktionsstandortes in Peking drängt sich die Frage auf, ob Daimler Truck allen gesetzlichen Bestimmungen des neuen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes gerecht wird.
6. Im Rahmen des Joint Venture Beijing Foton Daimler Automotive (BFDA) baut Daimler Truck seinen Bestseller, die Sattelzugmaschine Actros, ab jetzt auch in China. In der im Norden von Peking gelegenen Fabrik arbeiteten nach der Eröffnung zunächst rund 1300 Beschäftigte.  
Wie stellen sie sicher, dass der Umgang mit diesen Beschäftigten konform mit dem deutschen Lieferkettengesetzt geschieht?

Umgerechnet eine halbe Milliarde Euro haben Daimler und sein Joint-Venture-Partner Foton Motor in die Fertigung auf einer Fläche von mehr als 400.000 Quadratmetern investiert. Bisher hat die Gemeinschaftsfirma BFDA, an der beide Unternehmen jeweils die Hälfte der Anteile halten, vor Ort ausschließlich preiswerte Lastwagen unter der Marke Auman produziert.

Große Abhängigkeit von chinesische Batterie-Technologie
Herr Daum, sie sagten, Sie seien besorgt über die Dominanz Chinas bei der Batterietechnologie. Trotzdem begibt sich Daimler Truck mit der großen Investition im Rahmen des BFDA-Joint-Ventures in eine extrem hohe Abhängigkeit von dem autoritär regierten Land.
Meine Frage:
1. Warum begeben Sie sich in diese Abhängigkeit?
2. Ist das Risiko nicht größer als die Chance?

Klimaneutraler Güterverkehr erst 2050
Das Ziel des European Green Deal, 2050 einen klimaneutralen Güterverkehr zu erreichen, erscheint wenig ambitioniert. Dazu hat Daimler Truck ein Joint Ventures für den Aufbau einer Ladeinfrastruktur in Europa gegründet. Dagegen will Daimler Truck die Produktion und alle anderen Geschäftsbereiche weltweit bereits bis 2039 CO2-neutral gestalten.

Meine Frage: Warum wirkt die Daimler Truck AG nicht auch auf europäischer Ebene auf ein früheres Datum der C02-Neutralität hin?

Abbiege-Assistent bisher nur für den US-Markt
Im Geschäftsbericht wird hervorgehoben, dass „die Unfallforschung im Bereich der Nutzfahrzeuge bei Daimler Truck seit nunmehr 50 Jahren eine zentrale Rolle [spielt], wenn es darum geht, die aktive und passive Sicherheit für unsere Fahrzeuge zu erhöhen.“ (S. 109)Nach wie vor stellen Rechtsabbiegeunfälle mit Lkw für Radfahrer und Fußgänger eine große Gefahr dar.

Meine Fragen:
1. Warum wurde der Abbiege-Assistent bisher nur im Freightliner Cascadia für den amerikanischen Markt eingeführt?
2. Wie hoch wären die Kosten, wenn Daimler Truck den Abbiege-Assistenten bei allen Lkw-Modellen einführen würde?

Vielen Dank.

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