Fragen zu Unternehmensverantwortung, menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten und Geschäftstätigkeit der Deutschen Post/DHL in der Westsahara
Der zur Deutschen Post AG gehörige Paket- und Briefexpressdienst DHL betreibt seit 2016 eine Filiale in El Aaiún, der Hauptstadt der Westsahara. Die Westsahara ist Afrikas letzte Kolonie und wird von den UN seit 1963 als Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung geführt. Seit dem Rückzug der Kolonialmacht Spanien 1975 stehen große Teile der Westsahara unter marokkanischer Besatzung. Die Annexion des Territoriums durch Marokko ist von keinem Staat der Welt anerkannt. Vielmehr ist Marokko als Besatzungsmacht in der Westsahara anzusehen; zu diesem Schluss kommt auch ein Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages von 2019 1.
Der Internationale Gerichtshof 2 sowie unzählige UN-Resolutionen 3 bestätigen das Recht der Saharauis auf Selbstbestimmung, welches auch die wirtschaftliche Entwicklung betrifft. Laut internationalem Recht ist die Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit jedweder wirtschaftlichen Aktivität in der Westsahara die Zustimmung des saharauischen Volkes bzw. seiner durch die UN anerkannten Vertretung, der Frente Polisario. Die jüngsten Urteile des Europäischen Gerichtshofs zu Wirtschaftsabkommen zwischen der EU und Marokko (C 104/16-P sowie T-180/14, Anm. 4a und 4b) folgen dieser Prämisse für die Westsahara, die ein eigenständiges und von Marokko separates Hoheitsgebiet ist.
Auch die Bundesregierung unterstützt keine wirtschaftlichen Aktivitäten deutscher Unternehmen in der Westsahara und sichert Geschäfte nicht über Exportkredit- und Investitionsgarantien ab (Anm 5). Im Rahmen einer Kreditvergabe an das staatliche Phosphatunternehmen Marokkos (OCP) durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) wurden Aktivitäten in der Westsahara laut Aussage des Ministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Anm. 6) ausdrücklich ausgeschlossen. Wir weisen in diesem Zusammenhang auch auf die besondere Verantwortung der KfW hin, die Anteilseigner der Deutschen Post AG ist.
Ein am 18. Mai 2020 an den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Post AG, Herrn Fr. Frank Appel, versandtes Schreiben der NRO Western Sahara Ressource Watch (WSRW) blieb bis heute unbeantwortet. Daher bitten wir sie in Zusammenarbeit mit WSRW noch einmal, Stellung zu ihren Aktivitäten in der besetzten Westsahara zu beziehen und die folgenden Fragen zu beantworten:
1. Mit wem ist DHL in Verhandlungen getreten und wer sind die Vertragspartner für die Errichtung der Niederlassung in El Aaiún?
2. Auf welcher Grundlage beziehen Sie sich unter anderem auf ihrer Webseite auf die Hauptstadt der Westsahara, El Aaiún, als Stadt in Marokko?
Wann haben Sie vor, diesen Fehler zu korrigieren?
3. Welche Schritte hat DHL unternommen, um die Zustimmung des saharauischen Volkes über seine von der UN anerkannte Vertretung, der Frente Polisario, für Ihre Aktivitäten in der Westsahara zu erhalten, wie es die internationale Rechtsprechung vorsieht?
4. Laut Eigenaussage ist die Deutsche Post DHL Group „Vorreiter in der Unternehmensverantwortung“. Schließt Ihr Verständnis von „Unternehmensverantwortung“ die Duldung von Verletzungen des internationalen Rechts ein?
5. Wie viele Lieferungen hat DHL seit 2016 jährlich innerhalb der Westsahara, zwischen der Westsahara und Marokko bzw. zwischen der Westsahara und allen anderen Ländern durchgeführt? Gelten für Lieferungen zwischen der Westsahara und Marokko nationale Tarife oder erhebt DHL den Preis für eine internationale Lieferung?
6. Die Deutsche Post erfüllt weiterhin nicht vollständig die Anforderungen der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) an unternehmerisches Verhalten. Der Konzern belegt nicht ausreichend, wie und ob Menschenrechtsrisiken identifiziert, bewertet und minimiert werden.
Eine aktuelle Studie des Business & Human Rights Resource Centre und der ZHAW School of Management and Law kommt zu dem Ergebnis, dass die Deutsche Post im Vergleich mit den 20 größten deutschen Konzernen bezüglich menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten den drittletzten Platz einnimmt. Die Ergebnisse der Studie sind hier zusammengefasst: https://www.business-humanrights.org/de/kurzbewertung-deutscher-unternehmen
Was will die Deutsch Post tun, damit in Zukunft Menschenrechtsrisiken identifiziert, bewertet und minimiert werden?
7. Die Deutsche Post DHL Group beschäftigt rund 550.000 Mitarbeiter in über 220 Ländern und Territorien der Welt. Aus welchen Ländern sind Ihnen Menschenrechtsrisiken bekannt?
Fragen zum Klimaschutz und zur Verringerung des CO2-Ausstoßes
8. Nach eigenen Angaben befasst sich die Deutsche Post „seit mehr als 15 Jahren mit Maßnahmen für den Klima- und Umweltschutz“ und hat „die Weichen für eine nachhaltige Logistik gestellt“ (Nachhaltigkeitsbericht 2019). Dass erst bis im Jahr 2050 „alle logistikbezogenen Emissionen netto auf null reduziert“ werden sollen, ist kein besonders ehrgeiziges Ziel. Betrachtet man dieEntwicklung der CO2-Emissionen des Konzerns im Zeitraum von 2013 bis 2019, erkennt man bestenfalls eine Stagnation: 2013 lag der Ausstoß des Treibhausgases bei 28,32 Mio. Tonnen CO2, 2019 bei 28,95 Mio. Tonnen. Wie erklären Sie die Stagnation bei der CO2-Reduktion?
9. Es sollte im eigenen Interesse der Deutschen Post sein, ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren und klimafreundlicher zu werden. Müssen die Anreize im Management erhöht werden, damit mehr Anstrengungen in diese Richtung ergriffen werden?
10. Wie hoch soll der CO2-Ausstoß 2020, 2025, 2030 und 2040 sein?
11. Wenn alle Unternehmen eine Klimabilanz wie die Deutsche Post hätten, würde sich das Klima bis 2050 um 2,1 Grad Celsius erwärmen. Das zeigt ein Bericht des Beratungsunternehmens Right. Based on Science https://www.right-basedonscience.de/ von Ende 2019. Zugleich liegt die Deutsche Post damit bereits unterhalb des 1,75°C-kompatiblen „Temperatur-Limits“ für den Sektor Post-, Kurier- und Expressdienste (basierend auf Szenarien der Internationalen Energieagentur). Was kann die Deutsche Post zusätzlich tun, um diesen Kurs weiterhin konsequent zu verfolgen und auch das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen (siehe auch Frage 13)?*
12. Mit zum Beispiel der Methode „X-Degree Compatibility“, die vom Start-up-Unternehmen „Right. Based on Science“ entwickelt wurde, erhalten Unternehmen eine Berechnungsmethode, mit der sie herausfinden können, welchen künftigen Klimarisiken sie ausgesetzt sind. Es geht um Regulationsrisiken wie eine Erhöhung des CO2-Preises, Marktrisiken – etwa durch neue Technologien, die alte, klimaschädliche ersetzen –, Reputationsrisiken oder auch Klagerisiken. Wie berücksichtigt und misst die Deutsche Post Klimarisiken?*
13. Welche Maßnahmen könnte die Deutsche Post ergreifen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen?
Fragen zum Projekt StreetScooter
14. Mit dem Betrieb der StreetScootern schien die Deutsche Post eine Erfolgsgeschichte im Bereich der emissionsfreien Paketzustellung zu schreiben. Nun wurde das Produktionsaus für das einstige Vorzeigeprojekt verkündet, nachdem im Geschäftsjahr 2019 100 Mio. Euro Verlust aufgelaufen waren. Warum wurde die Suche nach einem Käufer abgebrochen?
15. Gibt es inzwischen doch Kaufinteressenten?
16. Worin liegen nach Ihrer Ansicht die Ursachen des Scheiterns dieses Projekts?
17. Professor Günther Schuh, einer der beiden Gründerväter des StreetScooter-Projekts, sieht das Scheitern in Management-Fehlern begründet. Er sagte, er habe nach dem Einstieg der Deutschen Post eine „Inkarnation der Langsamkeit“ erlebt: „Der externe Vertrieb wurde drei Jahre gestoppt, die Internationalisierung auch, das geplante Re-Engineering-Programm ebenso.“
Sehen Sie dieselben Ursachen für das Scheitern?
18. Als weiteres Problem kommt jetzt hinzu, dass viele der Elektrotransporter wegen der Gefahr einer Brandentwicklung zur Überprüfung in die Werkstatt müssen. Um wie viele Fahrzeuge handelt es sich und wie hoch beziffern Sie die Kosten?
Fragen zu Manager-Gehältern, Boni, Löhnen und der Belastung in Corona-Zeiten
19. In der Corona-Krise haben die Paketzusteller der Deutschen Post noch mehr zu schleppen als sonst. Während große Teile der Wirtschaft rote Zahlen schreibt oder gar um´s Überleben kämpft, steigerte der „gelbe Riese“ dank der Paketflut Umsatz und Gewinn. „Die Menschen haben online bestellt wie sonst nur vor Weihnachten“, sagte Finanzchefin Melanie Kreis. Wie viele Überstunden wurden von den Paketzustellern geleistet?
20. Die Post-Mitarbeiter*innen sollen mit einem Bonus von lediglich 300 Euro pro Kopf abgespeist werden. Warum profitieren sie vom Zuwachs des operativen Gewinns (Ebit) um mehr als 900 Mio. Euro (plus 18,6 Prozent) nur so wenig?
21. Bereits vor der Corona-Zeit lag allein der einjährige Anteil der Jahreserfolgsvergütung (Bonus) des Vorstandsvorsitzenden Frank Appel bei mehr als 800.000 Euro, seine Gesamtvergütung bei 7,65 Mio. Euro. Wie rechtfertigen Sie den sich vergrößernden Abstand zwischen Manager-Gehältern auf der einen Seite und Löhnen für normale Beschäftigte auf der anderen Seite?
22. Können Sie sich, Herr Appel, vorstellen, auf die Hälfte ihrer Gesamtvergütung zu verzichten, damit die Boni für die einfachen Post-Mitarbeiter*innen aufgebessert werden können?
23. Mit wie vielen Subunternehmen arbeitet die Deutsche Post bei der Paketzustellung zusammen und hat sich die Zahl der Subunternehmen während der Corona-Pandemie erhöht?
24. Wie viel Prozent der Pakete wurden 2010, 2015 und 2019 von Subunternehmen zugestellt?
*) Anmerkung: Die Fragen 11 und 12 wurden am 26.08.2020 auf Vorschlag der Right. Based on Science GmbH überarbeitet. Ursprünglich lauteten die Fragen:
11. Wenn alle Unternehmen eine Klimabilanz wie die Deutsche Post hätten, würde sich das Klima bis 2050 um 2,1 Grad Celsius erwärmen. Das zeigt ein Bericht des Beratungsunternehmens „Right. Based on Science” https://www.right-basedonscience.de/ von Ende 2019. Was kann die Deutsche Post tun, um ihren Beitrag zur Erreichung des Zwei-Grad-Ziels zu beschleunigen?
12. Mit der Methode „X-Degree Compatibility“, die vom Start-up-Unternehmen „Right. Based on Scienc“ entwickelt wurde, erhalten Unternehmen eine Berechnungsmethode, mit der sie herausfinden können, welchen Risiken sie ausgesetzt sind. Es geht um Regulationsrisiken wie eine Erhöhung des CO2-Preises, Marktrisiken – etwa durch neue Technologien, die alte, klimaschädliche ersetzen –, Reputationsrisiken oder auch Klagerisiken. Zur Berechnung welcher Risiken wendet die Deutsche Post diese Methode an?