Unzureichende Grundlage für Boni bei Mitarbeiterengagement: Gegenantrag zum Vergütungsbericht

Zu Tagesordnungspunkt 7: Billigung des Vergütungsberichts

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, den Vergütungsbericht gemäß § 162 AktG für das Geschäftsjahr 2023 nicht zu billigen.

Begründung:

Vorstand und Aufsichtsrat von DHL werden für ihre Leistungen unter anderem in Bezug auf die Steuerungsgröße „Mitarbeiterengagement“ belohnt, trotz erheblicher Arbeitskonflikte, die ein wesentliches Risiko für die Aktionär*innen darstellen.

Die Beschäftigten der Gewerkschaft Unite the Union bei DHL Aviation im Vereinigten Königreich befinden sich derzeit in einem Lohnstreit. Dieser Streit ist von der Geschäftsleitung von DHL Aviation (UK) unnötigerweise eskaliert worden, indem sie Gewerkschaftsvertreter*innen schikaniert und das eigene Lohnangebot durchgesetzt hat, anstatt eine Einigung auszuhandeln. Ein Unite-Mitglied wurde entlassen und ein weiteres aufgrund falscher Anschuldigungen suspendiert. Gegen ein anderes Unite-Mitglied in einem benachbarten DHL-Lagerhaus wurde ebenfalls ein Disziplinarverfahren eingeleitet, weil es die Beschäftigten bei den Streikposten unterstützt hatte. DHL hat sogar einen Beschäftigten daran gehindert, am London-Marathon teilzunehmen.

Diese Maßnahmen stellen einen Verstoß gegen Grundsatz 3 des UN Global Compact dar, den DHL unterzeichnet hat. Sie verstoßen auch gegen das ILO-Abkommen 98 über das Vereinigungsrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen, das DHL angeblich einhält.

Die Maßnahmen im Vereinigten Königreich erfolgen im Anschluss an erhebliche Auseinandersetzungen an wichtigen DHL-Express-Drehkreuzen in Leipzig und Miami. DHL Express ist der Unternehmensbereich, der 50 Prozent der Konzerngewinne erwirtschaftet, und der dritte große Lohnkonflikt innerhalb von zwölf Monaten wirft Fragen zur Unternehmensführung und zum Management gegenüber der Belegschaft bei DHL auf.

Im Vergütungsbericht wird vorgeschlagen, Boni für das obere Management nicht zuletzt auf der Grundlage der Einhaltung von ESG-Standards im gesamten Unternehmen zu vergeben. Das „soziale“ Element dieser Boni basiert ausschließlich auf der Bewertung des Mitarbeiterengagements nach der jährlichen konzernweiten Befragung (Employee Opinion Survey, EOS). Die Verwendung solcher Kennzahlen bei der Vergütung von Führungskräften wurde von Corporate-Governance-Beratungen als wenig glaubwürdig kritisiert. Kritisiert wird u. a., dass es den Erhebungsmethoden und der Bewertung an Strenge mangelt.

Der in der DHL-Vergütungspolitik für 2023 festgelegte Zielwert für das Mitarbeiterengagement liegt bei 80 Prozent, obwohl das Unternehmen in den drei vorangegangenen Jahren 2020 (83 Prozent), 2021 (84 Prozent) und 2022 (83 Prozent) Werte über diesem Niveau gemeldet hat. Obwohl sich der Wert im Jahr 2023 im Vergleich zu den drei vorangegangenen Jahren nicht verbessert hat, wurde das soziale Ziel im Rahmen der nichtfinanziellen Kriterien als erfüllt angesehen.

Und das trotz der Streiks sowohl in Deutschland als auch in den USA im Jahr 2023 vor dem Unite-Streit im Vereinigten Königreich. Dies zeigt, wie ungenau und grob diese Kennzahl ist, die immerhin ein Drittel der Gesamtgewichtung der nichtfinanziellen Faktoren ausmacht. Die Führung der DHL Group wird für ihre Leistungen im Bereich Mitarbeiterengagement belohnt, obwohl Mitglieder der eigenen Belegschaft an wichtigen Gewinnstandorten des Konzerns in den Arbeitskampf treten. Dies wirft Fragen hinsichtlich der Überwachung der Vergütung im Unternehmen und des mangelnden Verständnisses der tatsächlichen Arbeitsbedingungen auf –beides deutet auf umfassendere Governance-Probleme hin. Ein echter Beweis für erfolgreiches Engagement mit und seitens der Beschäftigten wäre es, wenn Vorstand und Aufsichtsrat die notwendigen Maßnahmen ergreifen würden, um sicherzustellen, dass das lokale Management die Schikanierung von Gewerkschaftsarbeit und der Unite-Mitglieder beendet und eine Lösung für den Konflikt aushandelt.

Der Deutsche Corporate Governance Kodex besagt, dass bei Vergütungsentscheidungen sowohl die Vergütung der Belegschaft als auch außerordentliche Entwicklungen berücksichtigt werden sollten, auch bei der Entscheidung, ob eine variable Vergütung gerechtfertigt ist. In diesem Fall hätte der Aufsichtsrat feststellen können, dass die andauernden Tarifauseinandersetzungen sowohl eine außergewöhnliche Entwicklung als auch einen aussagekräftigeren Ausdruck der Stimmung in der Belegschaft darstellen als ein einfaches Umfrageergebnis, und die Bonusgewährung entsprechend anpassen können.

Angesichts anhaltender Tarifkonflikte und der grundlegenden Schwäche des Ansatzes zur Bewertung der „sozialen“ Leistung sollten die Aktionär*innen den Vergütungsbericht ablehnen.

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