„Die Risiken sind sehr hoch, mit Wasserstoffimporten Menschen in den Herstellungsgebieten zu schaden“: Rede von Lisa Kadel, GegenStrömung

Mein Name ist Lisa Kadel, ich spreche für GegenStrömung. Zuerst einmal danke an den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, dass ich hier sprechen kann.

Wir beobachten die Entwicklungen rund um Wasserstoff bei E.ON mit großer Sorge. Daher haben wir bereits im Vorfeld einige Fragen zu diesem Geschäftsbereich gestellt. Das waren die Einreichungen 42-49. Ich möchte den Hintergrund dieser Fragen noch etwas erläutern und einige Nachfragen stellen.

Deutschland und Europa werden nicht in der Lage sein, den aktuell projizierten Bedarf an Wasserstoff selbst herzustellen. Umfangreiche Importe aus anderen Weltregionen werden von Industrie und Politik massiv vorangetrieben. Lokale Gemeinschaften an zahlreichen Orten weltweit bangen darum, dass neue Großprojekte ihnen die Lebensgrundlage nehmen. Zudem sind sowohl sogenannter blauer als auch sogenannter grüner Wasserstoff mit erheblichen ökologischen Risiken verbunden.

Sie haben uns mitgeteilt, dass sie für den in den aktuellen Pilotprojekten verwendeten Wasserstoff selbst nicht wissen, wo er herkommt und wie er hergestellt wird. Gleichzeitig sprechen Sie davon, in Ihren Lieferketten hohe menschenrechtliche und ökologische Standards einhalten zu wollen. Damit komme ich zu meiner ersten Frage und zwar: Wie ist das möglich, wenn Sie Ihre Lieferkette nicht mal für den aktuell noch sehr geringen Umfang an eingekauften Wasserstoff kennen? Werden Sie in Zukunft zentral erfassen, aus welchen Projekten Ihr Wasserstoff kommt und wie er hergestellt wird? Und wie unterstützen Sie Ihre Lieferanten bei der Einhaltung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten?

Ich möchte Sie auch nochmal um eine Erläuterung bitten, welche Kriterien Sie genau anlegen werden, um die Nachhaltigkeit von Wasserstoff zu klassifizieren. Nach der klassischen Farbenlehre würde Wasserstoff, der mithilfe von Wasserkraft produziert wird, als grün eingestuft. Aber an Wasserkraft hängen massive Klima- und Nachhaltigkeitsrisiken sowie soziale Risiken. Für den Bau von Staudämmen werden oftmals lokale Gemeinschaften vertrieben. Staudämme verändern das Ökosystem des Flusses massiv, was nicht selten Menschen flussabwärts die Lebensgrundlage nimmt. In den Staubecken entsteht zum Teil so viel Methan, dass die Klimabilanz ähnlich schlecht aussieht wie die von Kohle. Und schließlich können im Kontext der Klimakrise und sich verändernden Niederschlagsmustern viele Staudämme schon jetzt nicht mehr zuverlässig Energie produzieren.

Ich führe das alles aus, weil ich von Ihnen wissen möchte, was vor diesem Hintergrund Ihre Position zu Wasserkraft als potentieller Energiequelle für die Wasserstoffherstellung ist. Ich frage insbesondere auch im Kontext Ihrer Zusammenarbeit mit Fortescue Future Industries. Fortescue plant u.a. in der Demokratischen Republik Kongo und in Tasmanien Staudämme für die Wasserstoffproduktion. Gerade das Projekt im Kongo ist sehr umstritten und die Risiken, die ich erwähnt habe, zeichnen sich dabei schon jetzt ab. Sie haben auf unsere Frage hin angegeben, dass Sie mit Fortescue aktuell verschiedene Lieferoptionen diskutieren. Daher nochmal die konkrete Nachfrage: Welche Optionen liegen hier auf dem Tisch? Und welche konkreten Maßnahmen haben Sie bereits ergriffen, um in der Zusammenarbeit mit Fortescue hohe soziale und ökologische Standards sicherzustellen?

Ich möchte aber auch nochmal deutlich machen, dass unsere Bedenken nicht auf Fortescue und einzelne Projekte beschränkt sind. Generell sind die Risiken, mit Wasserstoffimporten Menschen in den Herstellungsgebieten zu schaden, sehr hoch. Dabei geht es zum Beispiel auch immer um Land- und Wassernutzungsfragen und spielen bei allen Herstellungsmethoden eine Rolle. Daher ist es notwendig, den Einsatz von Wasserstoff soweit wie möglich zu begrenzen und die Einsatzfelder zu priorisieren. Das können wir in der aktuellen Geschäftspolitik von Eon nicht erkennen. Bei den Pilotprojekten die Sie derzeit durchführen mischen Sie Wasserstoff ins Erdgasnetz und versorgen damit vor allem Wärmekunden. Das ist in doppelter Hinsicht Verschwendung. Zum einen wird durch die Beimischung nur eine sehr geringe Emissionsreduktion erreicht und die Perspektive auf reine Wasserstoffnutzung ohne massive Umbauten an Netz und Endgeräten gibt es schlicht nicht, ganz abgesehen davon, dass dafür nicht ausreichend Wasserstoff zur Verfügung stehen wird. Zum anderen stehen für die Wärmeversorgung von Einzelhäusern deutlich effizientere Lösungen zur Verfügung.

Daher würden wir gern wissen, welche konkreten Schritte Sie ergreifen, um Ihre Gasnetze von der aktuellen Breitenversorgung mit Erdgas zu verkleinern und umzubauen hin zu einem Versorgungsnetz für ausgewählte Kunden vor allem aus der Industrie, die mit 100% Wasserstoff und nicht mit einer Beimischung versorgt werden.


Schriftliche Fragen an und Antworten von E.ON im Vorfeld der virtuellen Hauptversammlung

  1. Bitte beschreiben Sie Ihre Verfahren zur Prüfung von menschenrechtlichen und Umweltauswirkungen entlang Ihrer Lieferkette. Bitte gehen Sie dabei insbesondere darauf ein, wie Sie die Rückverfolgbarkeit Ihrer Importe sicherstellen.

E.ON bekennt sich ausdrücklich zu den zehn Prinzipien des Global Compacts der Vereinten Nationen und ist seit 2005 Mitglied im UN Global Compact. Damit unterstützt E.ON die grundlegenden Prinzipien und erwartet auch von seinen Lieferanten die Einhaltung der Menschenrechte und Arbeitsnormen, den Schutz der Umwelt und des Klimas und die Anwendung hoher ethischer und moralischer Geschäftsstandards zur Einhaltung des geltenden Rechts.

Wir haben einen mehrstufigen menschenrechtlichen und umweltbezogenen Due Diligence Prozess in der Lieferkette implementiert, den Lieferanten vor Vertragsbeginn durchlaufen müssen. Hierzu zählen u.a. die Einhaltung von Minimalanforderungen, Beantwortung von Fragebögen, Einreichung von Nachweisen und auch Audits. Unsere Lieferanten verpflichten sich mit Unterzeichnung des Verhaltenskodex dazu, die Anforderungen an ihre Lieferanten weiterzugeben und die Einhaltung zu überwachen. Durch den engen Austausch mit unseren Lieferanten bekommen wir auch Einsicht in tiefere Lieferstufen.

Darüber hinaus sind wir Mitglied im Branchendialog der Energiewirtschaft unter Leitung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Ziel dieses Multi-Stakeholder-Dialoges ist es, gemeinsam Lösungskonzepte für menschenrechtliche Risiken der Branche zu finden.

  1. Aus welchen Ländern stammt der aktuell verwendete Wasserstoff? Bitte schlüsseln Sie ihre Antwort nach prozentualen Anteilen auf.

Das Geschäft mit Wasserstoff sieht E.ON mittelfristig als eine wesentliche strategische Säule für Wachstum und hat dazu eine zentrale Geschäftseinheit, die E.ON Hydrogen GmbH, gegründet. E.ON geht davon aus, dass Wasserstoff bis 2030 in verschiedene Bereiche, wie zum Beispiel Industrie und Mobilität Einzug erhalten wird. E.ON wird künftige Kunden mit Wasserstoff aus On-site Elektrolyse und Importen versorgen.

Stand heute importiert E.ON Hydrogen noch keinen Wasserstoff. Vereinzelt werden im Konzern geringe Mengen an Wasserstoff für dezentrale Projekte lokal gekauft. Die Herkunftsländer dieser Wasserstofflieferungen werden zentral nicht nachgehalten.

  1. Zu welchen Anteilen handelt es sich beim aktuell verwendeten Wasserstoff um „grauen“, „blauen“ und „grünen“ Wasserstoff?

Stand heute verwendet unsere zentrale Gesellschaft für das Wasserstoffgeschäft, E.ON Hydrogen GmbH, noch keinen Wasserstoff. 

Unser mittelfristiges Ziel ist es, unsere Kunden mit grünem Wasserstoff zu versorgen. Darauf werden unsere Geschäftsaktivitäten vornehmlich ausgerichtet. Besonders in der Hochlaufphase halten wir es allerdings für erforderlich, auch blauen Wasserstoff einzusetzen. Denn damit lässt sich der Transformationsprozess in der Energieversorgung mit Gas voraussichtlich deutlich schneller umsetzen, als wenn man ausschließlich auf grünen Wasserstoff setzt. Grauer Wasserstoff spielt in unserer Unternehmensstrategie keine Rolle.

Vereinzelt werden im Konzern darüber hinaus geringe Mengen an Wasserstoff für dezentrale Projekte lokal gekauft. Die Klassifizierung wird dabei nicht zentral nachgehalten.

  1. Für welche Zwecke nutzen Sie aktuell welche Anteile des selbst produzierten und eingekauften Wasserstoffs?

Stand heute verwendet unsere zentrale Gesellschaft für das Wasserstoffgeschäft, E.ON Hydrogen GmbH, noch keinen Wasserstoff. 

Wir sind gerade dabei, Projekte zu entwickeln – mit eigener Produktion von Wasserstoff und Importpartnerschaften.
Der Fokus unserer Wasserstoff-Geschäftsaktivitäten liegt insbesondere auf der Versorgung von Kunden, die nicht anderweitig dekarbonisieren können, wie zum Beispiel in der Keramik-, Glas- und Kalkherstellung, und auf Mobilitätslösungen, insbesondere für den Schwerlastverkehr.
Bei den Lösungen kann es sich um Wasserstoff-Elektrolyse in der Nähe des Kunden handeln oder auch die Versorgung mit importierten Molekülen. Welche Lösung wo eingesetzt wird, entscheiden die Marktlage und der Kunde.

  1. Aus welchen Ländern planen Sie, in Zukunft in welchem Umfang Wasserstoff zu beziehen?

Die Bundesregierung pflegt über zwanzig Energiepartnerschaften, bei den meisten ist inzwischen Wasserstoff ein Schwerpunkt. Diese sind natürlich auch für uns von besonderem Interesse. Neben der geopolitischen Lage prüfen wir die Auswahl möglicher Lieferländer intern anhand objektiver und projektbezogener sowie kommerzieller Kriterien.

  1. Was ist der genaue Inhalt des Memorandum of Understanding mit Fortescue Future Industries zum Erwerb von Wasserstoff? Sind in diesem MOU die möglichen Importländer festgelegt, wenn ja, um welche Länder handelt es sich? Handelt es sich um eine abschließende oder eine offene Festlegung?

E.ON und Fortescue Future Industries (FFI) haben im März 2022 ein Memorandum of Understanding (MoU) zur Lieferung von grünem Wasserstoff nach Europa unterzeichnet. Das MoU verpflichtet E.ON nicht zur Abnahme von Wasserstoff aus einem bestimmten Lieferland oder Lieferprojekt. E.ON befindet sich mit FFI in Diskussionen über verschiedene Lieferoptionen, wobei seitens E.ON kommerzielle, technologische, aber auch geopolitische Faktoren bei der Bewertung herangezogen werden. Das MoU zwischen FFI und E.ON enthält Regelungen zur Beachtung und Einhaltung von internationalen Vorgaben unter anderem zu Sanktionen, Anti-Korruption und Handelskontrollen.

  1. Fortescue Future Industries ist u.a. in der Demokratischen Republik Kongo an der Planung des Staudamms Inga 3 am Inga Fluss beteiligt. Bezüglich der bereits vorhandenen Staudämme Inga 1 und 2 gibt es zahlreiche Berichte über negative menschenrechtliche und Umweltauswirkungen vor Ort. Wie stellen Sie sicher, dass im Rahmen der Partnerschaft mit FFI internationale Menschenrechte und Umweltstandards entlang der gesamten Lieferkette gewahrt bleiben, insbesondere in Ländern des Globalen Südens und in Bezug auf von indigenen Gruppen bewohnte Gebiete? Enthält das Memorandum of Understanding dazu Bestimmungen?

Nachhaltigkeit ist integraler Bestandteil unseres Geschäftes und unserer Lieferkette. E.ON bekennt sich ausdrücklich zu den zehn Prinzipien des Global Compacts der Vereinten Nationen und ist seit 2005 Mitglied im UN Global Compact. 

Das MoU zwischen FFI und E.ON enthält Regelungen zur Beachtung und Einhaltung von internationalen Vorgaben unter anderem zu Sanktionen, Anti-Korruption und Handelskontrollen. Sofern wir mit FFI oder anderen potentiellen Lieferanten von Wasserstoff in konkrete Verhandlungen über bindenden Vertragspflichten eintreten würden, wird E.ON sicherstellen, dass die einschlägigen und anwendbaren Rechte und Normen eingehalten werden. Im konkreten Fall haben wir zu FFI keine vertragliche Lieferverpflichtung.

  1. Welche Rolle spielt „grauer“ und „blauer“, also erdgasbasierter Wasserstoff in Ihrer kurz-, mittel- und langfristigen Unternehmensstrategie?

Unser langfristiges Ziel ist es, unsere Kunden mit grünem Wasserstoff zu versorgen. Darauf werden unsere Geschäftsaktivitäten vornehmlich ausgerichtet. Besonders in der Hochlaufphase halten wir es allerdings für erforderlich, auch „blauen“ Wasserstoff einzusetzen. Denn damit lässt sich der Transformationsprozess in der Energieversorgung mit Gas voraussichtlich deutlich schneller umsetzen, als wenn man ausschließlich auf grünen Wasserstoff setzt. „Grauer“ Wasserstoff spielt in unserer Unternehmensstrategie keine Rolle.

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